Götterfunken. Chris von Rohr

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Götterfunken - Chris von Rohr

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dem Display so putzig trällert.

      Der Nachwuchs sieht auf seiner Spazierfahrt andere Dinge: Zum Beispiel zwei Hunde, die sich beschnuppern und begrüssen. Die Vierbeiner tun das natürlicherweise. Sie sind nicht im Besitz eines Smartphones und holen sich ihre Informationen über das andere Wesen auf diesem Weg. Sie wissen von nun an, ob sie den Kollegen Lumpi riechen können oder nicht. Die Eigenart des digitalen Sozialkontaktes ist ja, dass man gar nicht mitbekommt, welcher Körpergeruch den anderen umgibt. Die digitale Welt stinkt nicht.

      Das Buch Digitale Demenz von Manfred Spitzer zeigt uns, wie nahe und gefährlich die digitale Sucht ist. Er mag die Sache etwas überspitzen – nomen es omen – aber sicherlich ist Doc Spitzer nicht einer, der haltlos Wände mit dem Teufel bemalt. Der bekannte Hirnforscher bringt alarmierende Fakten. Wer einem Kindergartenkind erlaubt, am Computer zu spielen, wer seinem Teenager gestattet, jeden Tag Stunden mit Spielkonsole und in Online-Netzwerken zu verbringen, fügt dem Nachwuchs vor allem Schaden zu. Erwachsene haben fertige, entwickelte Gehirne, Kinder nicht. Nachgewiesen sind Aufmerksamkeits-, Schlaf- und Lesestörungen, Ängste, Übergewicht, Gewaltbereitschaft und Abstumpfung.

      Die Empfehlungen für achtsame oder überforderte Eltern: Leben Sie die Dosis und ihre Werte klar vor. Was andere Kinder in der Schule und der Freizeit machen, muss mein Kind nicht unbedingt auch machen. Keine Technik im Kinder-und Jugendzimmer, sonst verlieren die Verantwortlichen sämtliche Kontrolle über Konsum und Missbrauch. Und die wichtigste Botschaft: Es geht nicht darum, nur Spass zu haben, sondern Spass zu haben bei Aktivitäten, an denen man wachsen kann.

      Wenn jemand besonders viele virtuelle »Freunde« hat und sich durch zahlreiche Einträge auf sozialen Plattformen auszeichnet, dann tut er mir fast leid. Welcher Schmachtlappen vernachlässigt schon seine Liebsten und setzt sich mausbeinallein vor den Computer, um an seinen diversen Profilen zu schrauben? Wie egal müssten mir Heim und Garten, Leidenschaften, Beruf und meine Freunde sein, wenn ich derart im Netz hänge? Ja, ich bin ein hausbackener Mensch, denn das alles ist mir heilig. Bin ich nun schon wieder modern und rebellisch? Mein Slogan für die Youngsters heute: Schockiere deine Eltern – Lies ein Buch! Eines aus Papier!

      Buchstaben ziehen mich seit jeher in ihren Bann. Ich halte diese Erfindung der Menschheit, mit Linien in verschiedenen Formen zu kommunizieren, für genial. Obschon wir lediglich 26 Lettern zur Verfügung haben, sind wir in der Lage, damit einen emotionellen Tsunami loszutreten und Stimmungen zu transportieren, die wir, objektiv gesehen, doch gar nicht in dieses Gewusel von Zeichen packen können. Und doch geht es – grosses Kino! Ein befreundeter Verleger nennt mich einen Stilisten – das gefällt mir. Ich probiere immer wieder, dem Inhalt eine gewisse Farbe und Rhythmus beizumischen. Musikalisch ausgedrückt: Den Sprachswing. Phasenweise gelingt es.

      Unsere ganz persönliche Art, wie wir aus den einzelnen Lauten Wörter formulieren und daraus Sätze komponieren, liefert auch ein Bild davon, wie es in unserer Seele aussieht. Obwohl ich das im Text gar nicht beschreibe. Das Schreiben und Lesen hat eine metaphysische Dimension. So kann mich nach der Lektüre eines Buches, eines Interviews oder der Kolumne eines anderes Schreibakrobaten gar das Gefühl heimsuchen, den Verfasser zu kennen, ich fühle mich ihm seelenverwandt und ginge am liebsten etwas mit ihm schlürfen … kennen Sie das?

      Kürzlich paarte sich das Buchstabenwunder in den Tiroler Bergen mit einem anderen sinnlichen Grossereignis im Leben des Menschen – dem Essen. Ich fand folgendes Angebot auf der Kinderkarte: Teller und Besteck zum Krachmachen – 0.00 Euro.

      Sprache kann uns – einerlei, ob in gesprochener oder geschriebener Weise – auf einen Schlag aufheitern, entzücken und beflügeln. Ebenso vermag sie uns binnen eines Atemzugs aus der Bahn zu werfen oder vibrieren zu lassen. Jeder von uns erinnert sich an eine unfeine Bemerkung, die sich schmerzhaft in die Seele gebrannt hat und auch nach Jahren nicht verschwinden will. Andererseits trage ich verbale Schätze in mir, lieb und teuer. An denen halte ich mich in Zeiten des Zweifelns fest.

      Sprache ist offensichtlich ein Machtinstrument. Manchmal, wenn ich in einer Zwickmühle bin, wo eine schwierige Situation eine Reaktion von mir erfordert, mache ich erst ein Gedankenspiel: Welches wäre die direkteste und niederschmetternste Antwort, die ich geben könnte? Was weiss ich zu sagen, das sitzt? Danach überlege ich mir die witzigste oder charmanteste Antwort, die ich auf diese unangenehme Sache geben könnte.

      Normalerweise wähle ich ehrlichen, ungeschönten Klartext, wobei die Haltung des Empfängers schon eine Rolle spielt. Muss ich jemanden fadengerade aufklären, auf seinen Platz verweisen oder will ich ihm eher Mut machen und den Sand von den Schultern klopfen? Meist finde ich so meinen Weg.

      Bereits Grundschulen und Eltern müssen sich heute mit dem Thema Cybermobbing befassen. Das Internet wird als beinahe rechtsfreier Raum für allerlei Schimpf und Schmutz benutzt. Wer dem verbalen »Nahkampf« nicht gewachsen oder zu feige ist, dem bieten sich einschlägig platte Formen an, um Dreck hinter dem Gesicht hervor auf den Bildschirm zu schleudern. Das ist oft nicht schön und grausam.

      Ich gebe mit meiner Art zu kommunizieren vieles von mir preis. Sprache ist eine individuelle Stil- und Charakterfrage. Ebenso wie die Art zu gehen, die Schrift oder die Kleidung es sind. Auch in der Sprache zeigt sich, ob ich eher ein Trendsetter und Wiederkäuer bin oder ein eigenständiger Anwender. Ich liebe es, mit der Sprache zu spielen und hie und da gelang mir ein Volltreffer. Die Ausdrücke »Dumpfgummi« und »Blockflötengesichter« verbreiten viel Freude und »Meh Dräck« wurde gar zum Wort des Jahres gekürt. In unseren Songs hingegen bevorzuge ich Englisch. Ich suche Ausdrücke, die Google und YouTube, in dieser Zusammensetzung, noch nicht kennen. »Hoodoo Woman«, »Dög Song«, »Bedside Radio«, »Easy Rocker«, »Long Stick Goes Boom« …

      Der begnadete Künstler David Bowie, der die Popund Modewelt revolutionierte, sagte mal: Würde Gott zu den Menschen sprechen, täte er das auf Deutsch. Das könnte stimmen, denn es gibt kaum eine Sprache, die einerseits so dramatisch verspielt und andererseits so zackig präzis ist. Die schönsten deutschen Wörter für mich sind: Geborgenheit, Sternenstaub, Morgenland, Schmetterling, Fernweh und Vergissmeinnicht. Sie beschreiben auf unglaubliche Art ein Gefühl, für das ich sonst kein Wort kenne. Pure Musik! Aber auch »lieben« ist wunderschön, weil es nur ein »i« von »leben« entfernt ist. Und »Lust« beschreibt aufs Vortrefflichste diesen Zustand. »Hafenkran« tönt etwas härter – ist es auch. Übrigens: wenn man diesen wunderbar stolzen, verlebten Kran schon unbedingt in Zürich hinstellen musste, warum liess man ihn dann nicht auch mindestens ein paar Jahre da stehen? Er hätte dem herausgeputzten Zürich sicher nicht geschadet. Der perfekte Kontrast zu den Limmatquai-Kafis, Sonnenbrillenshops und Nobelboutiquen.

      Wussten Sie übrigens, dass Vanille aus dem lateinischen Vagina abgeleitet ist und Klavier ursprünglich aus Schlüssel hervorging? Fabelhafte Etymologie! Dann gibt es noch die unübersetzbaren Wörter, jene, die einmalig sind in einer bestimmten Sprache. Besonders angetan bin ich von den schönen japanischen Zeichen die Komorebi bedeuten. Das heisst: Das Sonnenlicht, das durch die Bäume scheint. Das Zusammenspiel von Blättern und Sonne. Wunderbar! Oder im Spanischen: Sobremesa: die Zeit, in der man sich mit Menschen austauscht nach einer Mahlzeit.

      Im Indonesischen gibt’s das Wort Jayus – das steht für einen schlecht erzählten Witz, der überhaupt nicht funny ist. Und im Hawaiianischen sagen sie Pana Po’o, was den Akt beschreibt, wenn du etwas vergessen hast und dich am Kopf kratzt. Im Schwedischen steht Mangata für die glimmernde Reflektion des Mondes auf dem Wasser und die Inuit sagen Iktsuarpok, wenn sie ungeduldig sind und schauen, ob jemand kommt. Waldeinsamkeit beschreibt das Gefühl wenn du allein im Wald bist, verbunden mit der Natur.

      Natürlich hat Nietzsche recht, wenn er sagt, dass Wörter nicht alles sagen können. Sie sind nur Symbole für Beziehungen zwischen Sachen und Menschen. Sie können nicht die absolute Wahrheit ausdrücken.

      Das

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