Kleine politische Schriften. Walter Brendel

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menschliche Gesellschaft zu verlieren, und es bleibt uns nur der Trost, daß mit dem allerletzten Baum die rationelle Kultur derselben beginnen wird, die uns nach einer Reihe von Jahren für immer damit versorgt.«

      Wohlan, sollen wir warten, bis wir zum »allerletzten Baum« gelangt sind? Sollen wir die »Not« an uns herankommen lassen und an eine rationelle Kultur erst denken, wenn uns das Feuer auf den Nägeln brennt und infolge des herrschenden Raubbaus eine vollständige Erschöpfung des Bodens mit allgemeiner Hungersnot über die Menschheit hereinbricht? Oder sollen wir die Landwirtschaft ebenso behandeln wie die Forstwirtschaft? In allen halbwegs geordneten Staaten ist man durch die »Not« dazu gedrängt worden, die Forstwirtschaft zur Staatssache zu machen. Entweder sind die Forste direkt Staatseigentum, oder sie werden unter staatlicher Aufsicht bewirtschaftet. Dieselben Gründe, welche zur staatlichen Bewirtschaftung der Forste geführt haben, erheischen nun aber auch die staatliche Bewirtschaftung des Grund und Bodens, ich meine des Agrikulturlandes, und zwar noch mit weit zwingenderer Gewalt, weil die Ernährung des Volks denn doch von weit dringenderer und unmittelbarer Wichtigkeit ist als die Lieferung von Brenn- und Bauholz.

      Das Beispiel der Forstwirtschaft ist für das Prinzip entscheidend: Der Staat hat damit anerkannt, daß, wo das Privateigentum und der Privatbetrieb gemeinschädlich ist, das Staatseigentum und der Staatsbetrieb an die Stelle des Privatbetriebs treten muß. Daß diese Notwendigkeit aber für den Grund und Boden vorliegt, kann kein Unbefangener leugnen.

      Mit Bezug auf den Grund und Boden hat sich der Staat aber auch schon in positivster Form das oberste Eigentumsrecht gesichert in dem sogenannten Expropriationsrecht. Jedes Stück Land, welches zu öffentlichen Zwecken geheischt wird, muß an den Staat oder die Gemeinde abgelassen werden. Allerdings gegen Entschädigung; was jedoch an der Tatsache nichts ändert, daß der Staat das oberste Verfügungs- und Eigentumsrecht für sich in Anspruch nimmt. Und das von Rechts wegen. Was aber gegen den einen Recht ist, ist auch gegen den anderen, ist gegen jeden Recht. Mit demselben Recht, womit jetzt in Ausnahmefällen die Expropriation durchgeführt wird, kann sie allgemein durchgeführt werden. Damit maßt sich der Staat kein neues Recht an, sondern übt ein ihm bereits gehörendes, von niemand bestrittenes Recht bloß in größerem Umfang aus. Will morgen der Staat sämtliche Grundeigentümer expropriieren, so bedarf er dazu gar keiner Ausdehnung seines Expropriationsrechts; er kann es auf Grund der bestehenden Gesetze tun. Das ist keine revolutionäre, gewaltsame Auslegung der Gesetze. Ich befinde mich in Übereinstimmung mit den konservativen Rechtslehrern. Ein Gewährsmann sei aus vielen herausgegriffen: Savigny, eine der bedeutendsten juristischen Autoritäten, der Gründer der sogenannten »historischen Schule«, während längerer Jahre preußischer Justizminister – gewiß ein Zeuge, dem niemand revolutionäre und kommunistische Tendenzen wird vorwerfen können!

      In Savignys »System des heutigen römischen Rechts«, erster Band, Paragraph 56, lesen wir unter dem Titel »Vermögensrecht«:

      »Um uns aber das Wesen des Eigentums klarzumachen, müssen wir von folgender allgemeiner Betrachtung ausgehen. Jeder Mensch hat den Beruf zur Herrschaft über die unfreie Natur; denselben Beruf aber muß er ebenso in jedem anderen Menschen anerkennen, und aus dieser gegenseitigen Anerkennung entsteht, bei räumlicher Berührung der Individuen, ein Bedürfnis der Ausgleichung, welches zunächst als ein unbestimmtes erscheint und nur in bestimmter Begrenzung seine Befriedigung finden kann. Diese Befriedigung nun erfolgt, vermittelst der Gemeinschaft im Staat, durch positives Recht. Wenn wir hier dem Staate die Gesamtherrschaft über die unfreie Natur innerhalb seiner Grenzen beilegen, so erscheinen die einzelnen als Teilhaber dieser gemeinsamen Macht, und die Aufgabe besteht darin, eine bestimmte Regel zu finden, nach welcher die Verteilung unter die einzelnen ausgeführt werde. Für eine solche Verteilung gibt es drei Wege, die nur nicht in einem ausschließenden Verhältnis zueinander gedacht werden müssen, sondern vielmehr in gewissem Maße gleichzeitig zur Anwendung kommen können. Wir können diese drei Wege folgendergestalt bezeichnen:

      1 Gemeingut und Gemeingenuß,

      2 Gemeingut und Privatgenuß,

      3 Privatgut und Privatgenuß.«

      So Savigny. Mit dürren Worten erklärt er, daß »der Staat die Gesamtherrschaft über die unfreie Natur innerhalb seiner Grenzen« hat und berechtigt ist, je nach dem »Bedürfnis der Ausgleichung« die »Verteilung« dieser Gesamtherrschaft »unter die einzelnen« durchzuführen. Und um ja keinen Zweifel über den Sinn aufkommen zu lassen, zählt Savigny die verschiedenen Formen auf, in denen sich diese »Verteilung unter die einzelnen« vollziehen kann, und stellt dabei bezeichnenderweise, als naturgemäß sich zuerst darbietend, »Gemeingut und Gemeingenuß«, das heißt das gemeinschaftliche kommunistische Grundeigentum, in die vorderste Linie.

      Die Berechtigung des Staats, das Privateigentum an Land abzuschaffen, wird, wer der Autoritäten bedarf, einer Autorität wie Savigny gegenüber nicht abstreiten können. »Aber es wäre nicht zweckmäßig, hört das Privateigentum auf, so hört auch der Antrieb zur Arbeit auf; ein jeder arbeitet nur gerade so viel, als er muß, und die Allgemeinheit kommt dabei schlechter weg als jetzt.« Dieser Einwand, der uns häufig gemacht wird, entbehrt jeglicher Begründung, und betrachtet man ihn genau, so stellt sich heraus, daß er seine Spitze nicht gegen uns richtet, sondern gegen die heutige Gesellschaftsform. Die Anschauung, auf der er fußt, ist: Bloß wer Privateigentum hat, arbeitet mit Lust und Liebe, weil er ein Interesse daran hat, die Produktivität seiner Arbeit möglichst zu steigern. Nun hat aber unter den heutigen Eigentumsverhältnissen nur die Minderheit des Volkes Privateigentum; wo der Großgrundbesitz herrscht, ist die landbesitzende Minderheit eine verschwindend kleine; und wo das Parzellensystem herrscht, ist die Mehrheit der Landbesitzenden notorisch so arm, daß sie bloß dem Namen nach Eigentum hat, in Wirklichkeit nur für die Hypothekengläubiger arbeitet. Mit dem anderen Privateigentum verhält es sich nicht anders. Kurz, die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung arbeitet gegenwärtig nicht unter dem Stachel des Privateigentums, sondern zur Bereicherung anderer. Und gerade diese für fremde Rechnung arbeitende Majorität hat fast ausschließlich die landwirtschaftlichen Arbeiten zu verrichten; denn die wirklich besitzende Minorität arbeitet entweder gar nicht oder vergleichsweise sehr wenig. Die Sache steht demnach so, daß in der heutigen Gesellschaft die Arbeit wesentlich auf den Nichtbesitzenden ruht und daß die Besitzenden wesentlich von der Arbeit der Nichtbesitzenden leben; wer arbeitet, hat der Regel nach nicht den Ertrag seiner Arbeit; und wer den Ertrag der Arbeit hat, arbeitet in der Regel nicht. Das ist die Ordnung der Dinge unter der Herrschaft des Privateigentums. Haben wir dagegen Gemeineigentum, so ist ein jeder Eigentümer, wenn auch nicht Sondereigentümer; ein jeder hat folglich ein Interesse, die Produktivität seiner Arbeit möglichst zu steigern, denn er weiß, daß das, was er erarbeitet, ihm selber zugute kommt. Und er hat nicht bloß ein Interesse, selbst tüchtig zu arbeiten, sondern auch darüber zu wachen, daß sein Nachbar es tut, da ihm aus dessen Faulenzerei Schaden erwachsen würde. Also nicht in der heutigen Bourgeoisgesellschaft, sondern umgekehrt in der von uns erstrebten sozialistischen Gesellschaft, welche das Gemeineigentum an Stelle des Privateigentums setzt, hat die Masse des Volks ein direktes, unmittelbares Interesse an möglichst gesteigerter Produktivität der Arbeit.

      Dazu kommt, daß für das Gemeineigentum alle Vorteile der modernen Großproduktion in Kraft treten, und zwar mit potenziertester Intensität, erstens, weil der Staat ungleich größere Mittel zur Verfügung hat als der reichste Grundeigentümer; zweitens, weil er die Fähigkeit hat, die Gesamtproduktion des Landes nach einem einheitlichen Plan zu regeln, was heutzutage unmöglich; und drittens endlich, weil er als Ausdruck der Gesamtheit genötigt ist, im Interesse der Gesamtheit zu handeln, wohingegen für den Privatgrundbesitzer, den großen und kleinen, ausschließlich das eigene Sonderinteresse maßgebend ist und das allgemeine Interesse nicht in die Waagschale fällt.

      Die Haltlosigkeit des Einwandes, mit dem ich mich soeben beschäftigt, wird von John Stuart Mill ohne weiteres zugegeben [...]

      [...] Hierzu nur einige kurze Bemerkungen: Zu so »kräftigen« Anstrengungen wird nach Aufhebung des Privateigentums allerdings kein Mensch »aufgestachelt«

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