Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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entdeckten uns gleichfalls und verdoppelten ihre Ruderschläge. So strebten wir den ganzen Tag.

      Eben als die Sonne, nach dem Stesichoros, aus den Lüften in den goldnen Becher trat und den Ozean hinabschwamm zu den finstern Tiefen der heiligen Nacht, taten wir die ersten Kanonenschüsse nach ihnen; wir hatten den Vorteil des Windes über sie, und sie machten darauf halt, weil sie nicht weiter flüchten konnten. Wir griffen sie schier in gerader Linie an und dehnten uns etwas aus, damit sie uns nicht von den Seiten ankonnten. Wir brachten ihnen einige herrliche Lagen bei und waren weit besser als sie mit grobem Geschütz versehen. Nach mancherlei Wendungen kamen wir, als schon die Dämmerung sich einsenkte, mit zwei Schiffen aneinander zum Handgemenge, und unser drittes suchte die zwei andern Galeeren abzuhalten, die es entern wollten.

      Ich befand mich auf dem erstern und kämpfte mit aller Gewalt und Besonnenheit, deren ich fähig war. Noch hatt ich zum Glück keine Wunde, aber die Kugeln vom kleinen Gewehr und Säbelhiebe streckten manchen an mir nieder. Endlich drangen wir ein in ihre größte Galeere, und ich war unter den erstern, mit einem starken Dolch in der Linken, und in der Rechten den Degen, und im Gurt noch eine geladne Pistole. Bevor ich übersprang, stieß ich einen ihrer Kecksten darnieder, der schon im Zuge war, dem Doria mit seinem sichelförmigen Damaszenersäbel den Unterleib durchzuschneiden, und rettete diesem so das Leben. Mit einem andern auf der feindlichen Barke, der auf mich einhieb, wurd ich hernach bald fertig; doch konnt ich mit dem Dolch seinen Streich aus beiden Fäusten nicht so ganz abhalten, daß er mir nicht ein wenig im Herunterschellern den linken Arm streifte: ich traf ihm darüber gerade die Kehle, daß er die Zunge herausstreckte.

      Sie wichen und ergaben sich; nur der, welcher der Anführer schien, sprang unters Verdeck: und ich ihm nach. Und sieh! hier steckte die Braut mit der andern Beute. Er holte mit dem Säbel weit nach ihr aus, um ihr den Kopf vom Rumpfe zu hauen: ich aber kam ihm zuvor und stach ihm die Klinge mit ganzem Leibe unter dem aufgehobnen Arm ins Haarwachs, daß er auf die Seite stürzte, zog sie heraus und gab ihm dann vollends den Rest.

      Die Hauptgaleere war nun übermannt, allein die andre wehrte sich desto fürchterlicher. Ein junger Mann, noch ohne Bart, focht wie ein Verzweifelter und hatte neben sich viele Toten liegen; und er würde sich frei gemacht haben, wenn wir andern nicht den Unsern zu Hülfe gekommen wären. Auch diese mußte sich dann ergeben. Inzwischen flüchteten die zwei andern, nachdem sie unser drittes Fahrzeug eroberten, mit diesem. Wir setzten ihnen nach, verloren sie aber in der Dunkelheit: und den Morgen darauf waren sie uns aus dem Gesichte, und wir konnten ihren Weg nicht entdecken.

      Doria kehrte ärgerlich nach Hause, daß die Sache nicht besser abgelaufen war. Vielleicht hätt er gar nicht angegriffen, wenn nicht einer seiner Verwandten aus dem Tanzsaal mit wäre weggeschleppt worden, den er nun doch wieder frei machte. Es ging hier Not an Mann, und die äußerste Gefahr war in der Säumnis. Die zwei andern Schiffe hätt er freilich nicht nach Sizilien ausschicken sollen; aber wer kann alles vorhersehen? Wer wußte, daß die Räuber so stark waren? Nach geschehener Tat ist jeder Tropf klüger als Hannibal und Cäsar.

      Ich hingegen war glücklich wie ein Gott; mich dünkte, daß ich erst das wahre Leben recht geschmeckt hätte. Doria, der Strenge, machte bei allem seinem Verdruß mir große Lobsprüche und sagte öffentlich: »Du hast einen schönen Anfang gemacht, Junge; wenn du länger lebst und so fortfährst, wird ein berühmter Held aus dir werden.« Fulvia, deren Schutzengel ich gewesen war, dankte mir mit Tränen voller Zärtlichkeit. Aber mehr als alles, auch die schöne Provenzalin Lucinde befand sich unter den Geretteten; die nur noch jämmerlich an der Seekrankheit litt und bis aufs Blut von sich gab. Ich hatte nicht die geringste Anwandlung davon gespürt; und es erquickt mich durch Mark und Bein, daß ich dieses Element und dessen lebendige Bewegung noch immer von meinem Knabenalter an so wohl vertrage.

      Kapitel 13

       Inhaltsverzeichnis

      Wir liefen gegen Abend in dem Hafen von Villafranca ein, nachdem wir den ganzen Tag vergebens herumgekreuzt hatten, um die Verwundeten zu pflegen, unsre Toten zu begraben (die gebliebnen Feinde warfen wir gleich über Bord) und den abgehärmten Frauenzimmern einige Ruhe genießen zu lassen; nur ein Paar Vermählte unter denselben waren von Kanonenkugeln zerschmettert worden, die übrigen alle blieben unversehrt. Wir führten sie den Berg hinauf in das Städtchen, das hinten im Kessel unter dem gähen Felsen mit wenigen Häusern nur wie eine Einsiedelei liegt zwischen Ölbäumen. Ich nahm Lucinden in Arm, die auf dem festen Boden gleich wieder zu sich kam, und sprach ihr Mut ein nach überstandner Gefahr. »Ach«, antwortete sie seufzend, »warum leb ich noch, um auf immer unglücklich zu sein! Niemand weiß mein Leiden. O wär ich nur dort oben bei den Auserwählten unter den Heiligen und Engeln!« Und hier tat sie einen schmachtenden Blick aus ihren großen schwarzen Augen gen Himmel und zerschmelzte mir ganz mein Herz damit. »So viel Schönheit ist nicht gemacht«, versetzt ich ihr, »um hienieden sich zu quälen; wirf allen Kummer weg; und sei selbst so selig, als du andere selig machst.« Sie schwieg und neigte das Haupt wie eine welke Blume und ging, ohne auf meine Reden achtzugeben, mit mir voran; ihre traurige Miene und blasse Farbe, ihr verwirrtes Haar und losgegangnes Gewand vollendeten das Bild einer bezaubernden Heiligen. Wir quartierten sie zusammen in ein Haus ein, und sie wurden gut verpflegt und gewartet. Ich selbst blieb in dem Städtchen und ruhte die Nacht aus; meine Streifwunde hatte zwar nichts zu bedeuten.

      Den andern Morgen nach der Messe unterhielt ich mich noch ein paarmal auf den Raub wenige Augenblicke allein mit Lucinden, die nun wieder zu Kräften gekommen war; und erfuhr, daß der Anführer der Räubergaleeren, den ich niedergestoßen hatte, ein Liebhaber von Fulvia gewesen sei, ein Genueser, der gefangen seinen Glauben verleugnete und alsdenn unter dem berühmten Ulazal diente, größtem Seehelden unsrer Zeiten. In sie entbrannt, ohne daß seine Leidenschaft je ihr Ziel erreichte, unternahm er die Tat nach hinlänglich eingezogner Nachricht von allen Umständen der Hochzeit, und hätte sie bald glücklich ausgeführt. Er war Bastard von einem Adorno, und man nannte ihn zu Genua Biondello. Jungfräulich versicherte sie mir, daß die Braut noch ihre Ehre bewahrt hätte mit heißen Bitten und Beschwörungen, daß er sie nur so lange verschonen möchte, bis er ans Land käme, bei ihrem üblen Befinden; und sie sei rein bis auf einige Küsse, die sie dem Verdammten unterdessen habe gestatten müssen. Die andern wären meistens noch viel ärger als die Braut von der Seekrankheit befallen gewesen, so daß die Barbaren selbst Mitleiden und Barmherzigkeit gegen sie gehabt hätten, ohne sie weiter noch zu martern. Außerdem habe die Not, in Sicherheit zu kommen, die Räuber zu äußerster Geschäftigkeit angetrieben, und die Menge die Begierden jedes einzelnen im Zaum gehalten; und so seien sie noch glücklich der Schand entrissen worden, und eine könne für die andre zeugen. Biondello habe denn in der Verzweiflung Fulvien aus Eifersucht niedersäbeln wollen, als ich sie errettet hätte. »Heilloses Geschenk der Schönheit«, rief sie aus, »in wie viele Drangsale stürzest du uns! Und wenn wir andre damit glücklich machen, so geraten wir dadurch selbst in das äußerste Elend. Wie die Könige, die alles vermögen, nur daß unsre Herrschaft kurze Zeit dauert, haben wir durch dich keinen Freund; und die vortrefflichsten Männer, mit allen Vollkommenheiten ausgerüstet, wie zum Exempel Ihr seid, legen uns häßliche Fallstricke.«

      Diese Apostrophe ging mir wie eine Kugel vor den Kopf, und ich fiel in Staub vor der Himmlischen nieder.

      Nachmittags drehte sich der Wind, und wir fuhren mit Rudern und Segeln wieder ab. Auf unser Schiff war mit einigen andern Gefangnen der junge Held gebracht worden, der auf der zweiten eroberten Galeere so tapfer kämpfte, so daß wir unser drittes Fahrzeug darüber einbüßten. Ich hörte ihn hernach im Neugriechischen mit einem seiner Gefährten sprechen; und er stampfte noch mit dem Fuße vor Zorn, daß die zwei andern Galeeren sie im Stiche gelassen hatten; jedoch mit Unrecht: denn jene wurden gleich im Anfang des Gefechts von unserm Geschütz sehr übel zugerichtet. Er sprach inzwischen so frei und ohne Furcht in der Gefangenschaft, und seine Gestalt war so schlank und edel in der wilden Farbe von Meer und Sonnenbrand, daß mein Herz gegen ihn

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