Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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verwunderte mich über den Schritt, den sie getan hätte; freute mich ihrer Liebe und pries ihre Reize; gestand ihr aber aufrichtig, wie närrisch der Mensch sei, und daß mein Herz auch beim lebendigsten Genuß der Wonne noch nach Lucinden schmachte.

      »Und warum sollen wir dich nicht als Freundinnen lieben können? O du bist ein so teuer Gut, daß wir beide an dir überflüssig genug haben; und ihrer mehrere, wenn du willst. Du sollst als der edelste Wein nur zum höchsten Fest aufgespart werden, der mit seinem Balsam allen köstlichen Geschmack überflügelt. Warum sollen vernünftige Schwestern nicht friedlich miteinander an dir Teil nehmen? Warum sollen wir uns von Gewohnheiten und Gesetzen im Zaum halten lassen, die bloß für den Pöbel sind, eben weil er Pöbel ist, der sich nicht selbst regieren kann?«

      Du siehst hieraus, daß ich doch mit einem gutartigen Geschöpfe noch zu tun habe. Ich mußte über ihre Aspasienberedsamkeit und feinen Lobsprüche lächeln; band ihr aber aufs Gewissen, behutsam zu sein; und so war der neue Liebeshandel fertig.

      Es läuft mir heiß über den Leib, da ich mit Dir von Cäcilien sprechen will, und ich erröte wie ein Unheiliger; sie bleibt immer die Krone von Venedig. Möchte sie und Lucinde nur so Schwestern sein, wie Fulvia sagte! Aber ich bin ein Tor und unersättlich. Ach, die Arme wird verlangen, Nachricht von mir zu hören; und dies ist noch nicht einzulenken. Wie, bin ich strafbar, daß ich mich mit dem Schönen zu vereinigen suche, wo ich's finde? Ist dies nicht der edelste Trieb unsers Geistes? Ist der nicht ein Elender, ein von Gott Verworfner, der diesen Trieb nicht hat, nicht ausübt? In was für einer Welt bin ich, wo dies Naturlaster sein soll? Den Menschen zerrüttende bloße bürgerliche Ordnung ist es. Komm, göttlicher Plato, und stürz alle die barbarische Gesetzgebung über den Haufen, und führe deine Republik ein, wo wenigstens Mann und Weib mit ihrer Liebe heilig und frei sind.

      Ardinghello

      Kapitel 14

       Inhaltsverzeichnis

      Ich erhielt mit diesem Briefe fast zur selben Zeit ein Kästchen von Smyrna an Ardinghellon und konnt es ihm sogleich durch einen Veroneser, einen alten Bekannten von unserm Hause, welcher in Handlungsgeschäften nach Genua abreiste, übersenden. Dabei meldete ich ihm die völlige Befreiung seiner Cäcilia. Im Februar schrieb er mir wieder wie folgt, mit dem von Verona bei dessen Zurückkunft.

       Genua, Februar.

      Sieh, teurester Schatz meines Lebens, edles Herz, hoher Geist, gute Taten bleiben nicht unbelohnt! Lies dieses kostbare Zettelchen: für Dich hab ich kein Geheimnis.

      »Du hast den Sohn des Kalabresers Ulazal gerettet, ein Kind der Liebe, das er mit einer Griechin aus Rhodos erzeugte. Nimm hier einen kleinen Dank dafür und reiße Dich los und komm in meine Arme. Bei meiner Mutter Platane Stephani zu Smyrna kannst Du mich immer ausfinden; dahin richte auch Deine Antwort. Ich versichere Dich, daß kein besser Leben ist, als vom Archipelagus bis an die Säulen des Herkules auf den klaren Wassern in beständiger Bewegung zu sein und durch seine Tapferkeit die Schönheit aller der reizenden Küsten zu genießen. Königlicher Jüngling, erquicke bald mit Deinem mutigen Anblick meine Seele!

      Diagoras Ulazal«

      In dem Kästchen sind Edelsteine und Ringe und einige andre orientalische Kostbarkeiten von großem Wert.

      Alle diejenigen, die wir ihm gefangennahmen, hat er schon frei gemacht und meistens mit andern Christensklaven ausgewechselt. Er versprach es ihnen, wenn sie ihn nicht entdecken würden; und die auserlesene Schar war entschlossen genug dazu: solche Zuneigung hatte jeder für den jungen Helden.

      Nun höre meine andre Begebenheiten! Den Antrag des Diagoras müssen wir weiter überlegen; ich kann mich noch nicht entschließen, das schöne Italien zu verlassen, da ich noch so wenig davon gesehen habe.

      Fulvia nahm über sich, Lucinden zu bekehren; meine Leidenschaft gegen dieselbe schwoll immer mehr an, je härter und unerbittlicher sie wurde. Vor vierzehn Tagen ohngefähr ließ sie endlich etwas von ihrer Strenge nach; da sie vorher immer alle Gesellschaft mied, wo sie wußte, daß ich zugegen war. Eine gewisse Heiterkeit und Frühlingsrosenröte ging in ihrem himmlischen Antlitz auf, das sonst ein innrer Gram mit einer melancholischen Lilienblässe überzog, die mir so das Herz zusammenklemmte, daß ich aus der Haut fahren mochte, um dem Engel zu helfen. Sie gestattete sogar, daß ich auf einem vermummten Ball eine Menuett mit ihr tanzte. Gott! welcher hohe Reiz enthüllte sich in jeder Bewegung ihres schlanken Körpers! wie heiß die Augen in mich sonnten, und sich doch so selbst überlassen! wie süß die zarten Lippen in so frischer feuchter Röte lächelten und die festen glänzenden Brüste von der Ebbe und Flut der Jugend wallten! Ich ward umflochten von einem unzerreißlichen Liebesnetz; und die Berührung ihrer Finger entflammte mich, als ob ich lauter Salpeter und Schwefel wäre. Wo ich den Blick hinrichtete, entstanden neue Zaubereien; so hatten mich ihre behenden sichren Füße nie entzückt, und nie so ihre braunen sich hebenden Locken über den schönen weißen Hals, samt aller ihrer Kleidung. Wir schwebten umeinander wie klare lichte Empfindung; sie schien zu fühlen, was ich fühlte, und zitterte auf die Letzt vor Bangigkeit, so daß wir plötzlich aufhören mußten.

      Noch dieselbe Nacht ward eine Verräterei gegen sie ausgedacht und vollführt. Ich stahl mich mit Fulvien vom Ball weg, und diese verbarg mich in einen großen Schrank, der in Lucindens Schlafzimmer stand, worin einige alte Familienkostbarkeiten hingen; Fulvia ließ mich allein und kam unbemerkt wieder zurück.

      Lucinde machte sich gleich darauf vom Tanzsaal; ich erbebte vor Schrecken und Lust, wie ich sie hereinrauschen hörte. Sie sang alsdenn beim Auskleiden ein provenzalisch Lied, mit einer Stimme, woraus die Töne so gefühlig und rein wie Perlen hervorkamen, die ich noch nie vernommen hatte: nur befremdete mich äußerst dessen Inhalt. Es war der Seelenjubel einer Jungfrau, die ihren Geliebten wiederfindet, frei von Not und Drangsal, worin er lang geschmachtet hat, und ihn mit tausend Küssen, Liebkosungen und Zärtlichkeiten empfängt. Doch vielleicht, dacht ich, ist es etwas auswendig Gelerntes, und es fällt ihr eben so ein; aber es machte mir heftige Unruhe, als sie beim Schluß in die Hände klatschte und ausrief: »O hätt ich dich schon, mein Florio! aber wie weit bist du noch entfernt! doch Flügel wieder meiner Hoffnung, daß du noch lebst. O du heilige Magdalena, beschere mir den Holden, die du auf deinem Felsen zu Marseille schon oft über ihn gewaltet hast und den Verwegnen aus den Fluten des Meers und tödlichen Gefahren nach meinen Bitten errettet! O du liebe heilige Magdalena, ich falle hier vor dir nieder und fleh dich an, überlaß, o Freundin des Erlösers, mein Gemüt nicht immer dem bittern Kummer! Mache mein Herz leicht und wieder froh, und stehe bei meiner Liebe! Ardinghello, der Flüchtling, heuratet mich doch nicht. Was hilft mir's, wenn ich seine Qual auch noch so hoch treibe: er machte mich endlich unglücklich. Wohlwollen muß ich ihm, ach ja! er ist ein verführerischer Bube. O Florio, erscheine bald! Heilige, gib mir ihn!«

      Ich wurde fast zum Narren, so griffen mich diese Reden der Unschuld in meinem Schrank an; und mußte alle meine Kräfte zusammenspannen, um auszuhalten. Noch war ich unentschlossen, was ich tun wollte, Tumult und Aufruhr in allen Nerven und Adern. Und so harrte ich, bis sie sich zu Bette legte, und harrte noch hernach über eine Stunde; und lange und lange, bis ich endlich in der Verzweiflung, mit meinen Gedanken und Gefühlen ins reine zu kommen, leise die Tür eröffnete und heraustrat.

      Den Mantel hatte ich schon vorher abgeworfen und die Schuh ausgezogen; ich ging auf den Zehen und hielt mich mit den Händen im Gleichgewicht. Sie lag vom Schlaf aufgelöst mit dem Kopf über den rechten Arm und den linken sanft ausgestreckt, mit den Knien jungfräulich ein wenig zusammengezogen, die Decke von sich geworfen, und nur den Unterleib mit dem leinenen Tuche verhüllt; es war eben eine laue Nacht.

      Ich besah alsdenn ihr Zimmer. Vor einer Madonna mit dem Kinde, nach

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