Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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anmutigem Schatten letzen, als er unter dem Johann von Austria mit der Galeere, die er anführte, gegen die Ungläubigen mußte. Die Flotte der Feinde von zweihundertsechszig Schiffen wurde zwar geschlagen und von den Christen bei den Echinadischen Inseln der größte Sieg seit langen Zeiten erlangt, den sie sich nur jämmerlich zunutze machten: allein Ulazal, der tapfre Korsar, entkam, mit dreißig Dreiruderigen, und führte den Florio mit sich nach Konstantinopel gefangen; welcher unter dem Doria beim ersten Angriffe sich befand und nach vielen Wunden nicht mehr imstande war, von den Scharen umzingelt, sich durchzukämpfen. Sie kennen ihn dort wie die Reiger den schnellen gewandten Falken; und werden ihn nicht loslassen. Er dient als Sklave beim Großvezier selbst; ich hab ihn gesprochen und ein Briefchen von ihm seiner traurigen Geliebten hier überbracht, worin er sie beschwört, ihn zu vergessen und einen Glücklichern zu wählen, wenn er noch ein Jahr lang ausbleibt.«

      Diese Nachricht wühlte mir das Herz auf, und Florio dauerte mich; ich seufzte heftig bewegt und im Gesichte glühend: »Armer Schelm!«

      Der Alte fuhr fort: »Wenn du ihn sähest, mein Sohn, du würdest ihn lieben; er ist ein gar guter junger Mann bei soviel rauher Tapferkeit. Wie oft haben wir vor wenigen Jahren zusammengesessen und einander erzählt! Wenn ich ihm vom Kaukasus und Atlas sprach, so beschrieb er mir, wieviel höher die Gebirge von Amerika wären; und wir gerieten dann in einen freundschaftlichen Streit. Ich hatte die unendlich schönern Weiber, Männer und Tiere von weit edlerer Natur für mich: und er pries und rühmte zum Scherz die reichen Gold- und Silberminen, womit man die ganze Alte Welt erkaufen könnte, wenn man alle Beute herausholte.« Wir tranken alsdenn auf seine Gesundheit und baldige Befreiung.

      Ich fragte den Gabriotto noch, ob er vielleicht den Ulazal von Person kenne; und er sagte mir, daß er ihn einmal zu Rhodi gesehen habe, und schilderte mir ihn als einen andern Hannibal auf der See. Er machte hierbei die Beobachtung, würdig eines solchen Graubarts: »Colonna zog zu Rom im Triumph ein wegen seines Drittelsiegs; wenn einer aber die Taten beider in jenem Treffen genau abwiegen könnte, in welchem Glanze würde da noch der flüchtige Kalabreser vor ihm erscheinen! Ein solcher sichrer Rückzug eines einzelnen Mannes mit seinen Freunden, nachdem er Wunder des Verstandes und der Tapferkeit für die Flotte der andern Admirale getan hatte, aus der vollen Macht der Überwinder, bezeugt die größte Unerschrockenheit, Übersicht und Erfahrung. Schade, und ewig schade, daß er unserm Glauben abtrünnig geworden ist.«

      »Zumal«, setzt ich hinzu, »da ihn der Heilige Vater Pius wieder zu Gnaden annehmen wollte und Philippen beredete, alles anzuwenden, dem Helden Herrschaften und Reichtümer zu schenken, wo er sie nur immer haben möchte, in Spanien, seinem Vaterlande oder Sizilien, wenn er die Heiden verließe. Doch gefällt mir nicht, daß man denselben mit solchen Anträgen bei dem Sultan wenigstens verdächtig machen sollte, damit er ihn selbst aus der Welt schaffte: weil man keine andre Mittel dazu vor sich sähe. Ulazal aber war zu klug für solche Versprechungen, scheute überdies die künftige feige schale Rolle und trat folgenden Frühling nun selbst als Admiral auf, mit einer neuen Flotte.

      Es ist närrisch, daß man von den Kalabresern verlangt, sie sollen nicht zu den Türken übergehn. Die Türken plündern ihre Gegenden und führen sie selbst in Sklaverei; und ihre Fürsten sehen gelassen zu, ohne sie zu verteidigen, und saugen sie noch obendrein mit allerlei Auflagen aus. Sie werden also mit doppelten Ruten gezüchtigt. Was hat ein Mann, der Kopf hat und Mut im Herzen, anders zu tun, da er allein sich nicht wehren kann gegen beide Feinde, die ihn berauben? Er schlägt sich zur Partei der Sieger.«

      »Ich will doch lieber in dem Glauben leben und sterben, worin ich geboren und erzogen bin, und ein wenig Unrecht leiden«, erwiderte der Alte; »das Dulden ist auch süß, wenn man das Vermögen noch in sich fühlt, auszudauern, und große Belohnung dereinst unter seinen Geliebten dafür erwartet.«

      »Ein guter Glaube überwindet freilich alles«, antwortet ich ihm darauf; und dachte im Herzen, wer damit nur immer in der glückseligen Dunkelheit herumtappen könnte!

      Noch denselben Abend lief ein französisches Schiff im Hafen ein, mit dem neuen Gesandten und Konsul für Konstantinopel und Smyrna, das nur Wasser einnahm und mit dem ersten guten Wind wieder absegeln wollte. Ich bediente mich der Gelegenheit, eilte sogleich nach Hause und schrieb an den Diagoras, so rein und frei, wie's in meinem Geiste lebte, frisch von der Hand weg; und bat hernach den Edeln inständig, den Florio Branca zu befreien, wenn er könnte, oder mir wenigstens die Art zu melden, wie es möglich wäre, ohn ihm jedoch etwas von mir zu sagen; und dann nach Genua zu schicken.

      Die Aufschrift macht ich an seine Mutter, damit der Brief desto sichrer möchte abgegeben werden. Der Patron des Schiffs erhielt von mir schon zum voraus eine Belohnung; und ich versprach ihm mehr, wenn er mir gute Antwort bringen würde, und sagte ihm zugleich, was es beträfe. Er gelobte mir heilig an, ihn aufs beste zu besorgen.

      Den andern Morgen gegen Mittag ging das Jagdboot auch wieder ab, und mir schwoll das Herz von verschiednen Leidenschaften, so wie der Wind die Segel schwellte. Ich muß selbst über das Gleichnis lächeln, und doch ist's wahr und gefällt mir; ach, unsre Gedanken und Empfindungen sind so zart und veränderlich, und heiter und wild und stürmisch wie die Lüfte.

      Ardinghello

      Kapitel 16

       Inhaltsverzeichnis

      Hierauf gab ich dem Ardinghello keine Antwort und erhielt im März wieder folgenden Brief von ihm.

       Genua, März.

      Sie hat mich zum ersten Mal geküßt, freiwillig; und meine Lippen schmachten in einem fort nach ihrem süßen Munde. Schüchtern, jungfräulich und doch naturnotwendig, wie der Magnet sich zieht, flog unerwartet plötzlich der himmlische Kuß auf mich. Wie selbst darein verwandelt schlief ich die Nacht, ein wollüstig stechend Feuer, und bin nun erwacht wie ein seliger Engel. O ein glücklicher Tag der gestrige! wie der neue Frühling ging die Sonne auf und unter. Wir saßen gegen Abend oben allein im Garten, unten hatte Fulvia und ihr Gemahl Gesellschaft; und die See spielte in kleinen Wellen, um, wie zärtliches Leben, sich in die Lüfte zu verbreiten.

      Ich zeigte Lucinden erst einige Griffe auf der Laute, alsdenn sangen wir zusammen, und unsre Herzen ergossen sich endlich ineinander durch Gespräch und Blicke. »Ein Weib ist doch das armseligste Ding auf Erden!« seufzte sie auf die Letzt wehmütig, nach mancherlei Reden über Welt und Dasein und Bestimmung, und kehrte die Augen von mir ab gen Himmel; »gefesselt auf allen Seiten, dürfen wir keinen freien Schritt tun, wo uns der Geist hinleitet, ohne Schmach und Schande. Nicht über die Straße können wir gehn allein und sonder Mama und Base, wenn man uns für wohlgebildet hält, ohne daß die Lästerzungen auf uns stechen. Natur und Leben und Sitten und Gebräuche in andern Gegenden zu sehen und zu hören ist uns gänzlich versagt: wir müssen auf einer Stelle bleiben, wie die Pflanzen, und glauben, was man uns vorlügt, ohne sinnlichen Begriff; Wahn und Traum und Gehorsam unser Eigentum: kein Tropfen Wahrheit, die Seele zu erquicken.

      Wenn eine schön ist, so legt man ihr überall Schlingen; und derjenige selbst, welchem sie in einer gewitterhaften Stunde gefällig war, verleumdet sie oft hernach am ärgsten und tritt zum schimpfenden Pöbel über, wenn er einen andern vorgezogen glaubt; oder sie wird von unvernünftiger Eifersucht noch fester eingekerkert.

      Sind wir nicht schön, so erwerben wir keine Liebe mit aller Weisheit und allen Künsten der Musen und der Minerva; und außerdem heißt's immer noch: sie ist doch nur ein Weib und kann und darf nichts recht sehen, wie es ist; Pedanterei und Ziererei ohne Zweck und Nutzen! Ein Weib hat weder Stärke noch Überlegung, etwas Großes in irgendwo zu erlangen und zu fassen; die Guten und Verständigen haben Mitleiden mit dessen Schwäche, und die Boshaften verspotten es und suchen es mit ihrem Lobe vollends zur Närrin zu machen. So geht man mit

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