Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder страница 129

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

Скачать книгу

und sie ließen nicht ab, bis ich versprach, mit Anteil an ihren Spielen zu nehmen. Öffentlich konnte man mir nichts zuleide tun; ich war weder verbannt, noch hatt ich etwas gesündigt.

      Ein Teil von ihnen machte darauf mit mir einen Spaziergang; und ich suchte, durch eingeleitete Gespräche mit diesem und jenem, nach und nach geschwind kennenzulernen, was sich seit meiner Abwesenheit verändert hatte.

      Zu Mittage speist ich in großer Gesellschaft; und bemerkte bald ein paar Spürhunde, die auf mich ausgesandt waren; und führte ihre Nasen auf allerlei Abwege. Das Völkchen war überaus lustig und witzelte und sang und scherzte; aber überall fehlte der edle Kern der Selbständigkeit, bis auf einen meiner alten Freunde, Mazzuolo, der seinen Geist wunderbar gestärkt hatte: und wir teilten einander unsern Seelenjubel mit im Winkel durch Blick und Kuß und Händedruck und kurze abgebrochne Reden.

      Nach einundzwanzig Uhr kam der Herzog an mit seinem Gefolge von Pisa in den zu dem Feste besonders aufgepflanzten Zelten; und gleich darauf wurden die Spiele mit Trompeten und Paukenschall eröffnet. Das erste war ein Pistolenschießen und der Preis ein herrlicher spanischer Hengst aus seinem Marstall. Der Mitstreiter waren mit mir sechszehn, lauter junge Leute aus den besten Häusern im Florentinischen, der älteste nicht über dreißig Jahre und der jüngste nicht unter siebzehnen.

      Sie baten insgesamt für mich um Erlaubnis mitzustreiten, zumal da einer an der geraden Zahl fehle, der plötzlich krank geworden war. Der Herzog ließ mich in meinen Reisekleidern vor sich und sagte, nachdem ich ihm einen Lobspruch wie einem andern Herkules gemacht hatte: es gefall ihm, daß ich eben bei dieser Gelegenheit von meiner langen Reise zurückkomme. Bianca, die zugegen war, blickte mich an mit einer großen Neugierde, und tausend Fragen schwebten auf ihren Lippen.

      Du wirst Dich verwundern über meine Kühnheit und mich vielleicht für unbesonnen halten: allein fürs erste reizten mich die Spiele selbst, und mein ganzer Mut sagte mir, daß ich wenigstens in einem den Preis davontragen würde, da ich meine Gegenstreiter so vor mir sah; und dann scheint es mir allemal zuträglicher, von ohngefähr mit den Tyrannen der Welt Bekanntschaft zu machen, als durch lange Vorbereitungen, wo die Zeremonien alle Natur ersticken.

      Ich will Dich nicht lange mit der Erzählung aufhalten. Wir schossen mit Pistolen zu Fuß und zu Pferde, und ich traf allemal bei weitem das Ziel, vierzig Schritt entfernt, am besten. Es war ausgemacht, daß im andern Falle die zwei ersten Schützen noch einmal um den Preis kämpfen sollten; dies unterblieb also, und die adriatische Zauberin überreichte mir den Zügel des stolzen jungen Rosses mit diesen Worten: »Seid auch so trefflich im Streite, wo es das Leben gilt, fürs Wohl des Vaterlandes.« Ich sah sie an mit einem kühnen Blick und wieder schamhaft, und berührte ihre schöne Hand wie in der Zerstreuung zärtlich mit den letzten Fingern der meinigen, und antwortete: »O wäre schon die Gelegenheit da, Euch, o Wunderfrau, und demselben meinen Eifer zu zeigen!«

      Darauf wurde aus freier Hand mit Büchsen nach der Scheibe geschossen, zweihundert Schritt weit, und Mazzuolo kam dem Mittelpunkte vor mir näher; ich hatte hier mein eigen Gewehr nicht. Der Preis bestand in einem andern neapolitanischen Hengst und einem schönen Jagdhunde.

      Den andern Tag waren die Fechterspiele. Erst fochten acht Paar nach dem Lose, einzeln jedes Paar. Die den Stoß beibrachten, machten dann wieder vier Paar; diese vier alsdenn zwei, bis endlich eins und einer allein der Sieger blieb.

      Die Herrchen fochten mit vieler Zierlichkeit und sagten ihre Lektionen her; ich aber gewann ihnen mit einem gegenwärtigen Auge und fast lauter geraden Stößen, womit ich in ihre Gaukeleien hineinfuhr, den Preis ab; dem letzten und geschicktesten schlug ich zweimal mit starken unhöflichen Paraden das Rapier aus der Hand und setzte ihm alsdenn noch obendrein nach einer Sekundenfinte eine Quart über den Arm, gerad auf den rechten Piez, so daß der schwarze Fleck eine vollkommne sichtbare Finsternis auf seiner weißen Weste machte.

      Für dieses Probstück gab mir Isabella, die Geliebte meines Vaters, einen goldnen mit Steinen besetzten Degen; und mir schwellte die Hand von Grimm, wie ich ihn am Griffe faßte: »Tapfrer«, sprach sie leise zu mir mit blitzenden Augen und Honiglippen, »ziehe stolz damit wieder in Florenz ein, und trag ihn mir zum Angedenken.«

      Den dritten Morgen, nachdem Bianca sich gebadet hatte, war Wettlauf in sandiger Bahn, und abends Ringen, wovon Mazzuolo und ich ausschieden, um weder aus Höflichkeit uns überwinden zu lassen, noch den andern vielleicht auch diese Preise wegzunehmen und so die allgemeine Freude zu stören. Und damit es uns kein stolzes Ansehen gab, schieden noch mehrere davon aus. Zu Elis hätten wir dieses nicht nötig gehabt; aber man merkte noch außerdem, daß wir uns nicht in Griechenland befanden: der Olivenkranz wäre mir lieber gewesen als Roß und Degen; sie blieben immer eine kindische, tyrannische und sklavische Belohnung.

      Mir überlief die Galle, wie ich abends zu Pisa einritt und sehen mußte, daß man mehr das Pferd und den Degen als mich betrachtete; und wahrlich nicht etwa deswegen, weil ich auf meine Person eitel wäre, sondern daß die Nation seit weniger als hundert Jahren so den großen Sinn verlor, wodurch sie sich in den Zeiten der Freiheit auszeichnete.

      Mit einem Wort: eine Weiberanstalt. Bianca wollte dem Herzog eine Kurzweil machen und zugleich den jungen Adel von Florenz sich verbinden; an einen andern Zweck wurde wenig dabei gedacht; denn wenn man im Ernste daran gedacht hätte, so wär alles unterblieben.

      So sieht man oft bei einer Ausführung ohne Gedanken, daß Fürstin und Fürst etwas Gutes in einem Buche mag gelesen haben.

      Ardinghello

      Kapitel 19

       Inhaltsverzeichnis

      Pisa, Junius.

      Ich werde die Güter meines Vaters wiedererhalten, Bianca hat es mir versprochen, mit welcher ich oft im Gespräch bin; und dies ist mir sichrer, als ob es mir der Herzog selbst versprochen hätte. Sie ist wirklich ein reizendes Weib, voll Schlauheit und Verstellung, weiß das Leben zu genießen und führt bei ihrem Honig einen scharfen Stachel. Sie macht Venedig, der hohen Schule der Weiber, gewißlich vor einer großen Anzahl Ehre; und es ergötzt sie, daß ich dies so gut kenne. Das gefällige Wesen, das sie dabei hat, wie alle vorzügliche Personen ihres Geschlechts, wärmt und erheitert mich sehr angenehm. Sie weiß sich wie die meisten ein wenig viel mit ihrem Spiegel; und dies muß man benutzen.

      Auch der Herzog will mir wohl, vermutlich durch sie. Ich habe schon verschiednemal mit ihm Schach spielen müssen, worin er sich einbildet, ein großer Meister zu sein. Ich verlor mit Fleiß das erste Spiel und gab ihm Gelegenheit zu feinen Zügen, die meine Stellung sehr spannten; doch macht ich ihm seinen Sieg noch sauer, welcher ihn dann höchlich freute. Das zweite Spiel dreht ich so lange, bis keiner mehr gewinnen konnte; und überließ ihm wieder das dritte. Beim vierten und fünften aber macht ich den Herrn schachmatt in einer Reihe von Kettenzügen, rühmte seine Geschicklichkeit und entschuldigte ihn mit kleinen Versehen. Bis an den zehnten und zwölften Zug und in die Mitte spielt er in der Tat vortrefflich, hat pünktliche Erfahrung, und man muß bei jeder Art von Spiel wohl auf seiner Hut sein; aber bei den Ausgängen, was eigentlich nur Freude macht und tief verwickelte Mannigfaltigkeit hat, hapert's.

      Soweit ging es nun alles gut; aber Isabella ist in mich verliebt! Mir sagen es ihre wollüstigen Augen und das Herneigen ihrer Seele, wenn ich in ihre Gesellschaft komme. Sie hält wie ein Lämmchen und scheint zwischen Blutsfreundschaft und andrer Liebe, gegen die Gesetze des Judenlykurgs, keinen Unterschied zu machen; oder die erstre dünkt ihr vielleicht ohne diese ein leerer Name, wobei niemand vom Ursprung an einen sinnlichen Begriff habe. Und ihr Vater und ihre drei Brüder lebten so mit ihr nach der allgemeinen Rede. Stammen sie etwa wie Alexander der Sechste und dessen Söhne

Скачать книгу