Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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es abscheulich vor, und ich werde zuverlässig mit ihr keinen Bastarden vom Magus zeugen.

      Ich finde hier eine gute Schule, den Menschen zu studieren, wo er in verschiednen Punkten seine Vorurteile abgelegt hat und bloß nach seiner innern Natur lebt; schier wie unter den Imperatoren Claudius und Nero. So viel ist wenigstens richtig: man trifft unter ein Dutzend Personen von beiderlei Geschlecht beisammen, wie in wohlgeordneten Staaten, kaum drei oder vier an, die jederseits Pein litten, wenn sie sich einander helfen könnten. Sorgten nur die Gesetze für die Folgen, wie in Sparta!

      Mit klopfender Sehnsucht hoff ich auf Nachricht von Euren Gewässern.

      Prospero Frescobaldi

      Ardinghello schien mir schon von dem Wirbel des Hofs ergriffen, und mir war bange vor den Gefahren, die ihn umgaben. Ich glaubte, daß, was ihm so schnell und heftig aufeinander begegnete, sein junges Gemüt in etwas aus seiner Grundverfassung gesetzt habe; und rief ihm zu als warmer Freund von fern unter manchem andern:

      »Kein hoher Geist, der frei sein kann, verpflichtet sich an den Hof eines Despoten; er erwählt lieber Wasser und Brot. Bei einem schlechten Fürsten kann keiner ausdauern, ohne schlechte Streiche zu begehn: es ist platterdings nichts anders zu tun für einen Edeln, der sich retten will, als zu fliehen. So hätte Seneca unter dem schicklichsten Vorwand erst Agrippinen und dann den Nero verlassen, wenn er ein Stoiker, wie sich gebührt, hätte bleiben wollen. Allein es gefiel dem Herren zu herrschen: er blieb bei den Tigern und duckte sich unter ihre Klauen.«

      Ich erinnerte ihn an seine ehemaligen republikanischen Gesinnungen, warnte ihn vor den Ausschweifungen in der Liebe; und beschloß mit der Nachricht, die ihm so freudenvoll sein mußte, daß Cäcilia schon vorigen Monat auf dem Landgut ihres Vaters am Lago di Garda von einem gesunden und starken Knäblein ohne lange Mutterwehen glücklich entbunden worden sei; und ich mich nun wieder in der Nachbarschaft befinde, wo unsre Freundschaft so frisch und mächtig aufgrünte und in unsern Herzen unzerstörliche Wurzeln schlug. Er könne nun alles einlenken, sein Leben in Zukunft sich äußerst angenehm zu machen.

       Florenz, Julius.

      Deine zärtliche Sorge für mein Heil rührt mich bis ins Innerste, und die Nachrichten von Cäcilien freuen mich herzlich: allein die Zeiten meiner Ruhe, des glückseligen Maulwurflebens sind noch nicht gekommen.

      Ich verstehe alles, was Du sagst; nur möcht ich das Blättchen umwenden und behaupten: bei einem trefflichen Fürsten kann keiner ausdauern, ohne schlechte Streiche zu begehen. Die Sokratische Philosophie hat den Fehler, daß sie fast alles auf den Nebenmenschen und die Gesetze des Staats bezieht und nichts an und für sich betrachtet, welches natürlicherweise allemal vorgeht. Nach der Meinung des alten Patrioten, der doch den Schierlingsbecher zu seinem eignen Besten ausleerte, wäre nur der Löwe gut und schön, der seinen Atheniensern Hasen fing. Nero, der zwar immer im Taumel lebte und selten klar sah und bei Überlegung, hat wenigstens damit der wahren Politik ein Ziel gesteckt, daß er sagte: keiner habe so wie er vor ihm verstanden zu herrschen. In der Tat zeigt die Geschichte des Decemvir Appius mit der Virginia die Einfalt der damaligen Zeiten, und Sylla, Augustus und Tiberius sind schon Virtuosen dagegen im Despotismus.

      Mit der Idee von einem vollkommnen Staate kann man leider geschwinder fertig werden als der Wirklichkeit; da legen Grund und Boden, Ursprung und Geschichte des Volks, gegenwärtige Stärke an Leib und Seele, dessen Glauben, Meinungen und Sitten und Nachbarn unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg und kommen lauter unbezwingliche borstige Ungeheuer zum Vorschein. Hier hast Du kurz mein Glaubensbekenntnis; und ich will Dir reinen Wein einschenken.

      Man betrachtet eine Gesellschaft von Menschen, die man einen Staat nennt, am besten als ein Tier, das von innen Kräfte, Proportion aller Teile haben und gesund sein muß, und volle Nahrung, um für sich auf die Dauer zu existieren und glücklich zu sein; und von außen Stärke, Erfahrung und Klugheit, um sich gegen die Feinde zu erhalten; denn alles von außen, wie Kindern bekannt, ist Feind.

      Das Wohl des Ganzen ist das erste Gesetz, wie bei jedem lebendigen Dinge; und jede Staatsverfassung, wo nur ein Teil sich wohl befindet oder gar abgesondert wäre, ist ein Ungeheuer, eine Mißgeburt.

      Ein Despot also, das ist ein Mensch, der ohne Gesetze, die aus dem Wohl des Ganzen entspringen, über die andern herrscht, bloß nach seinem Gutbefinden, ist kein Kopf am Ganzen des Staats, sondern ein Ungeziefer, ein Bändelwurm im Leibe, eine Laus, Mücke, Wespe, das sich nach Lust an seinem Blute nährt; oder will man lieber: ein Hirt, weil doch dies das beliebte Gleichnis ist, der seine Schafe schiert und melkt und die jungen Lämmer schlachtet und die fetten Alten, wahrlich nicht zu ihrem Besten, sondern zu seinem Besten.

      Der Staat ist endlich ein Tier, das seine Gesetze hat, weder von Kühen noch Schafen, sondern von der Natur des Menschen, weil er aus Menschen besteht; und kein Mensch ist so über andre wie ein Hirt über seine Herde. Ein vollkommner Staat muß ein Tier sein, das sich selbst nach seiner Natur, seinen Bedürfnissen und Erfahrungen regiert, wie ein Ulysses für sich nach den Umständen und gegen andre.

      Eine reine Aristokratie, wo mehrere beständig herrschen nach ihrem Gutbefinden, ohne Gesetze aus dem Wohle des Ganzen, nur mit Gesetzen für ihr Wohl, die sie nach Belieben ändern, ist eine vielköpfige Hyder von Despotismus, viel Ungeziefer auf dem Leibe statt eines.

      Ein Staat von Menschen, die des Namens würdig sind, vollkommen für alle und jeden, muß im Grund immer eine Demokratie sein; oder mit andern Worten: das Wohl des Ganzen muß allem andern vorgehn, jeder Teil gesund leben, Vergnügen empfinden, Nutzen von der Gesellschaft und Freude haben; der allgemeine Verstand der Gesellschaft muß herrschen, nie bloß der einzelne Mensch.

      Diese Lage aber zu erhalten, dazu gehört ein durchgearbeitetes Volk, das sich selbst, seine Kräfte und sein Intresse kennt und sich in einen Punkt vereinigen kann; und selten ist einer, der an der Spitze steht, aus Liebe oder Gewalt, imstande, eine andre Verfassung in eine solche umzuändern, geschweig ein Philosoph auf seinem Studierzimmer. Die ursprüngliche Ungleichheit der Menschen und die daraus entspringende äußerliche Ungleichheit der Besitzungen und der Gewalt und des Ansehens machen noch überdies den gordischen Knoten, der durch keine Vernunft an und für sich, ohne Rücksicht auf die jedesmalige Verfassung, aufzulösen ist. Nur ein Dichter kann auf einmal Tausende und Millionen von Menschen wie überein gedrechselte Maschinen in einen Raum, wo kein Grad der Breite von Europa, Afrika, Asien und Amerika ist, hinstellen und in beliebige Ordnung bringen.

      Was für Mühe kostete es nicht dem römischen Volke, das in dieser ersten Kunst über alle Nationen hervorragt, ehe es sich von der Gewalt der Könige losmachte und hernach durch seine Tribunen die Aristokraten bändigte! O es ist dem Menschen so süß, über andre zu herrschen, deren Knaben und Töchter und Weiber sich aufwarten zu lassen, ihren besten Wein zu trinken, ihre besten Früchte, ihr bestes Gemüs und Fleisch zu schmausen, sie im Sonnenbrand arbeiten zu sehen und selbst in kühlen Schatten faulenzen, sie unter den Schwertern und dem donnernden Geschütz der Feinde zu wissen, wenn junge zarte Dirnen ihm sorgsam die Fliegen wegwedeln! Jeder will dazu Recht haben, und göttliches Recht haben, sobald er im Besitz ist, und ließ eher den letzten Kopf von allen seinen Untertanen, Vater und Sohn, Mutter, Bruder, Schwester, Tochter, über die Klinge springen, die es rebellisch leugneten, und befände sich lieber allein in einer Wüste zwischen der Pest der Hingerichteten, als daß er zum Exempel einem Rom gestattete, außer seiner Unterjochung das erste Volk der Welt zu sein. Dies ist in der Natur; so elend ist der Mensch; alle unsre Moral ist gemacht und steht nur in Büchern: lehrt es nicht alle Geschichte?

      Dasselbe tut man, um Herrschaft zu erlangen, und düngt die Felder mit Bürgerblute; Du kennst die Verse des Euripides, die Cäsar im Munde führte.

      Sie haben allerlei Blendwerk von Beschönigung ausersonnen, worunter das täuschendste ist, dem Staate Ruh und Ordnung zu verschaffen und behende Stärke zu geben; und sie stellen sich an, als

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