Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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meist zum Tode verdammte Sklaven; und die Tragödien der erstern zeigten ihnen, wie Menschen untergehen, die nicht vollkommen genug sind, und wie Held und Heldin bei Ausübung hoher Tugenden leiden soll oder sich weise mit ganzem Bewußtsein unter das Gesetz der Notwendigkeit, den ungefähren Zusammenstoß der Begebenheiten, beugt. Dies ergreift männliche Seelen, und ein solch ausgewählt Leben, von trivialen Lumpereien fern, dringt in nichtsdestoweniger rein und scharf fühlende Herzen; es ging nach dem großen paradoxen, unsrer empfindelnden Welt unbegreiflichen Grundsatze der Stoiker: der Weise erbarmt sich, hat aber kein Mitleiden.

      Die Pyramide ist ein gar herrlich Werk, hundert und etliche Fuß hoch. Sie steht ewig jung da, obgleich das Grüne von Gesträuchen sich hineingenistet hat, wie ein gediegner Feuerwurf aus der Erde, so scharfflammend; grade gegen die vier Weltteile mitten zwischen den Ringmauern, die Seite nach der Stadt gegen Norden. Üppig fest trotzt sie der Luft, dem Himmel und seinen Wolken. Eine dauerhaftere Form gibt's nicht: alles, was von oben herunterfällt und in der Erde anzieht, macht sie stärker, die mächtigste Feindin der Zerstörung. Aber was hilft's? Der Geist und das Leben ist doch weg aus dem Menschen, der darunter begraben liegt; sein Name bleibt indessen immer etwas. Wie das zarte Schwarz dem innen blendendweißen Marmor so lieblich läßt! Sie steigt hervor so natürlich wie ein Gewächs, und die ägyptische Nachahmung schlägt alle römische Grabmäler, selbst die der Metella, des August und Hadrian, darnieder.

      Da ich so nahe mich befand, wandelte ich noch zum Tore hinaus über die alte Via Ostia nach der Sankt-Pauls-Kirche, die Konstantin der Große angelegt haben soll. Welch ein Eindruck von verschiednen Empfindungen! Schönheit und Pracht in ihrer größten Herrlichkeit entzückt Augen und Phantasie: und die Armseligkeiten darum her setzen einem das Messer an die Kehle wie Diebsgesindel. Man hat hier Roms ungeheure Macht und Ruin beisammen.

      Sie ist von innen wie ins Kreuz gebaut, doch merkt man's kaum, und sie bleibt ein Oblongum; nachher erst hat man die Verehrung vom Kreuz ins Alberne getrieben. Die vierzig gestreiften haushohen korinthischen Säulen und die vierzig kleinen glatten unter dem Schiffe machen, mit den über doppelt breiten mittlern, fünf Gänge, die ihresgleichen in der Welt nicht haben. Unter den gestreiften sind zwei Dutzend von parischem Marmor in höchster Schönheit. Das Scheurendach und Obergebäude darüber mit den acht Fenstern macht damit einen wunderbaren Kontrast, der aber doch einfach ist und gewissermaßen dem Untern entspricht, und dies gibt dem Ganzen eine furchtbare Größe; die entzückendste griechische Schönheit muß, vom Schicksal unwiderstehlich genötigt, den wilden Barbaren dienen.

      Der Boden ist aus Marmortrümmern, worin hier und da noch Fetzen von Inschriften sich befinden. Im Kreuzgange, wenn ich ihn so nennen darf, sind sechs große und zwei kleine Altäre mit dreißig Porphyrsäulen, alle, zwei oder drei etwa ausgenommen, aus einem Stück, wie die achtzig weißen Marmorsäulen; und noch tragen da die Decke sechs ungeheure von ägyptischem Granit und vier ebenso große von Marmor. Der herrliche freie Raum tut einem ungemein wohl zwischen den Säulen, samt der uneingeschränkten Höhe.

      Diese Kirche bleibt die höchste Pracht der Welt, und nichts übertrifft sie. Man mag von den gefangnen rührenden Schönheiten nicht weggehn, wie von lauter Iphigenien in Tauris, und die ganze Seele stimmt sich daran rund und geschmeidig.

      Man sagt, die Säulen wären vom Grabmale Hadrians, der jetzigen Engelsburg, genommen, und es ist sehr wahrscheinlich. Die Asche des Kaisers muß dort wie in Blumen gelegen haben; unglückliche Manen! Übrigens ist es den Römern wieder ergangen, wie sie es den Griechen machten; und derjenige, welcher diese Kirche baute, hat vielleicht, wie Mummius bei Fortschaffung der geplünderten Statuen von Korinth den Schiffern, ebenso den Baumeistern gedroht, sie sollten andre Säulen machen lassen, wenn sie etwas daran verdärben oder zerbrächen.

      Mich überfiel der Mittagsbrand, wie ich wieder in der freien Sonne war, als ob ich aus einem kühlen Bade käme; und ich verdoppelte meine Schritte nach dem Tore, wo die zwei wilden Türme aus den mittlern Kriegszeiten und die mit Efeu dicht behangne alte Stadtmauer neben der Pyramide mit ihrem Schatten mich erfreulich an sich zogen. Mir schien der Weg zu weit bis auf den Spanischen Platz, und ich begab mich unter die Pinien, Zypressen, grüne Eichen und Maulbeerbäume, nach den frischen Weinkellern des Monte Testaccio; ließ mir's köstlich bei einem alten Wirt, einem Sizilianer und Sohn des Ätna, schmecken und legte mich nach wohlgehaltnem Mahl und angenehmem Geschwätz in ein Zimmer gen Norden zur süßen Ruh nieder und fiel in einen erquickenden Schlaf.

      Gegen Abend erwacht ich wieder und hörte in einem Saale neben mir: Michelangelo, Raffael und Antiken; und unten Trommel und Geige. Ich sprang auf, und sah zwischen den Bäumen Fest und Tanz und Schönheit, und trat in den Saal. Der Streit war so heftig, daß man mich nicht bemerkte. »Michelangelo«, sprach ein reizender junger Mensch, »gehört gar nicht unter die Maler, so wenig als einer, der bloß den Kontrapunkt versteht, unter die großen Sänger und Geiger. Was hat er denn hervorgebracht? Seine Capella Sixtina, und weiter nichts als seine Capella Sixtina. Ist dies gemalt? Ist dies Natur? Wer kann sich erinnern, irgend etwas in der Welt gesehen zu haben, das seinen Herrgöttern, Propheten und Sibyllen und vollends seinen Seligen und Verdammten gliche? Geschöpfe einer ungeheuren Einbildungskraft, die zwar erstaunlich viel für Studium den Künstlern, aber wenig für Volksverstand und nichts für Auge und Herz sagen.

      Der elende Florentinerschmeichler Vasari hat mit dem Dampf von seinem Weihrauchkessel, den er dem alten Kunstdespoten unter der Nase herumschwenkte, damit er durch dessen Empfehlung etwas zu malen bekäme, den Leuten das Gehirn benebelt. Und ist dies groß im Geiste, wie er die gütige himmlische Seele, den Raffael, verfolgt hat? Weil er selbst sein Unvermögen in der Farbe erkennen mußte, so zeichnete er mit aller seiner Gelehrsamkeit die Umrisse dem Venezianer Bastian, und dieser sollte mit seinem Kolorit den Pfeil vergiften. Aber was kam zum Vorschein in Pietro Montorio? Ein Zwitterding, welches seiner Einsicht wahrlich wenig Ehre macht, und der Göttliche blieb, wer er war. Raffael hingegen, der edle reine Jüngling, der nur die Vollkommenheit der Kunst im Auge hatte, sonder Neid, strebt in Unschuld, das zu dem Seinigen noch zu gewinnen, was der weit Ältere, der Mann in Rücksicht seiner, Vortreffliches besaß; und wahrlich meistens aus kindlicher Gutherzigkeit: denn die Antiken sind doch auch hierin ganz andre Muster, und Michelangelo ist dagegen ein Wilder. Und endlich konnte Raffael wohl von Michelangelo lernen, aber Michelangelo nicht von ihm; denn was den Raffael zum ersten Maler macht, lehrt und lernt sich nicht.«

      Kapitel 22

       Inhaltsverzeichnis

      Ein Landsmann von mir, der eigentlich mit diesem im Klopfgefechte begriffen war, wurde darüber vor Ärger grün und gelb, und die Nase schwoll ihm zusehends: doch konnt er vor Zorn nichts hervorbringen, so wortreich er auch sonst ist, und hätte bald wie Marcus Tullius Cicero vor dem schönen Clodius, dem rebellischen Tribun, das Hasenpanier ergriffen, wenn ich nicht einigermaßen seine Partie aufnahm. Ich antwortete:

      »Die Herrgötter von Michelangelo könnt Ihr freilich nicht in der Welt gesehen haben: aber gibt's in der neuern Kunst erhabnere Gestalten? und entsprechen sie nicht doch alle dem, was der gemeine Mann bei uns sich als Zauberer vorstellt? Eure Gestalt selbst, Freund, ist zu edel und Eure Blicke zu hochgeistig«, fuhr ich fort, »als daß der Gott, der die Sonne schafft, und der, welcher die Eva schafft, Euch nicht ergriffen haben sollten. Das Erhabne schlägt ein wie ein Wetterstrahl und berührt am ersten die großen Seelen. Die Propheten und Sibyllen sind lauter mächtige Charakter im Feuer, Eifer und Begeisterung. Und im ›Jüngsten Gericht‹ verdammt Christus streng, droht die Sünder majestätisch mit aufgehobner Rechten fort: indes die zärtliche Mutter mit angelegten Armen und Händen an die Brust die Seligen heraufwinkt; und es ist ein Spiel der Phantasie, wo der menschliche Körper in allen möglichen Stellungen wunderbar sicher ausgezeichnet ist.

      Ich habe vor wenig Tagen«, fügt ich hinzu, »ein kleines Gemälde von ihm gekauft, welches vorstellt Christum am Kreuz, wo der Erlöser gesagt

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