Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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über sich erkennt? Wie ist einer Bedienter, der nach Gutbefinden Gesetze macht und gibt und keins annimmt? nach Willkür ohne Gesetze straft? Gesetzt auch Ruh und Ordnung: ist dies Glückseligkeit? Im Kerker ist auch Ruh und Ordnung.

      Behende Stärke? Xerxes erfuhr sie anders von den Themistoklessen der Griechen; und die Diktatoren der Römer, die Camille, sind andre Leute, als vielleicht je einer unter ihnen war, und kosteten sicherlich weniger zu unterhalten. Doch wenden wir unsre Ohren ab von diesem Larifari, die Sache springt von selbst in die Augen. Kein Tyrann wird wohl je so ein Narr sein und sein Sklavenreich einem freien Rom, Athen oder Sparta vorziehen, strahlende Namen durch alle Zeitalter; allein wenn er gescheit ist und mit einem Gescheiten unter vier Augen spricht, ganz etwas anders behaupten; etwa folgendes:

      »Jedes Wesen darf von Natur um sich greifen, soviel es Macht hat, es sei unter seinesgleichen oder andern Dingen. Du zürnst, daß du gehorchen mußt? Gehorche nicht, wenn du kannst! und du erhältst ein ander Recht. Daß ich, Sultan, zu Konstantinopel herrsche, da es mir Millionen und Millionen Sklaven erlauben, wie nimmst du das mir übel? Willst du über nichts herrschen? Ist nicht jeder Mensch ein Sultan, wenn er kann, nicht jeder Stier und Hirsch? Die Verständigen werden freilich nie gehorchen, wenn sie nicht müssen. Gehorchet nicht, wenn ihr könnt, solange bis ihr alle Herren seid! und euer Staat ist die Vereinigung des reinsten Ganzen, eine Sonne, wo jeder Teil Licht hat und flammt und brennt, und einer den andern verstärkt und entzückt, und alle insgesamt dann fremde träge Erdenkörper zum Leben erwecken wie jetzt allein ich.«

      Es ließ sich vielleicht hierauf noch immer antworten: »Daß der Löwe minder starke Tiere zerreißt und ihr Blut aussaugt, ist nun freilich einmal so in der Natur und erhält ihn und macht ihn glücklich. Daß du Sultan aber über Millionen herrschest, ist Stelzenwerk und macht dich im Grunde unglücklich; denn du lebst nur im Traum und Nebel, ohne eigentlichen Genuß. Der Zufall hat dich obenan geschleudert und nicht deine Kraft hingestellt. Du füllst deine Sphäre nicht aus und bist immer in einem ohnmächtigen Streben, Gefühl von Schwäche; hast den Anschein von Held und Sieger und das Innre von einem niedergetretnen Überwundenen!« und so weiter, wenn man ohngeachtet aller Traulichkeit Lust hätte, auf der Stelle gespießt zu werden.

      Um zum Beschluß hiervon nach der Schule noch zu reden: so teilt man die Staaten ein in Demokratien, Aristokratien und Monarchien; und sagt, jede Verfassung sei schier gleich vortrefflich, wenn die Menschen gut da wären, das ist: wenn jeder, oder doch diejenigen, welche regieren, die andern lieben wie sich selbst und ihr Wohlsein nur in dem des Ganzen finden; und führt zu Beispielen an Athen nach dem Pisistrat, Rom nach der Vertreibung der Könige und den Theseus und Cyrus und Romulus aus den dunkeln Zeiten der Fabel.

      Kapitel 20

       Inhaltsverzeichnis

      Weil aber ein böses principium im Menschen stecke und der reine Geist nicht allein in ihm herrsche, welches alle die Schlechtigkeiten bewiesen, die sonst unerklärlich blieben: so habe jede von diesen glückseligen Verfassungen nur äußerst kurze Dauer und arte bald entweder in Tyrannei aus, denn fast allemal folge auf einen raren weißen Raben Mark Antonin eine Menge Commodusse, oder in Oligarchie, wie nach den Scipionen und Gracchen in Rom unter dem Marius und Sylla, Pompejus und Cäsar; oder Anarchie und zügellose Frechheit. Und in Betrachtung der Natur dieser Dinge schmieden sie denn einen Staat zusammen, der aus allen dreien Verfassungen zugleich besteht, und erhalten ihn unsterblich und ewig vollkommen durch ihre Gesetze, als ob das Leben sich festhalten ließe, besser als Metall und Holzwerk bei Maschinen! Inzwischen sind solche Ideale der Vollkommenheit von scharfsinnigen und erfahrnen Männern äußerst ersprießlich und verdienen warmen Dank und hohen Ruhm und Preis, ob ich mich gleich lieber an Rom und Sparta halte, den edelsten und vollkommensten Greisen unter allen Staaten, die wir kennen und die vielleicht je gelebt haben. Jeder, der in der bürgerlichen Welt sich herumschlägt und da und dort groß und herrlich und menschenfreundlich wirken will oder irgendwo an der Spitze steht, les' ihre Geschichte und denke sie tief durch mit einer Seele voll Erfahrung: und sie wird ihm ganz ander Licht gewähren als auch die besten Maßregeln eines einzelnen Politikers.

      Einem Tyrannen den Dolch ins Herz: ändert allein noch keinen Staat um, wenn er nicht reif zu einer bessern Verfassung ist; das göttliche Wesen, und wenn es sich auch lauter und rein erkennt, als es von seinem Ursprung gekommen ist, muß sich überall nach der Materie bequemen, wohinein es vom unerbittlichen Schicksal getrieben fuhr. Einer, der aus beiden Brutussen zusammengesetzt wäre, würde nun bei uns immer als Pöbel herumgehen, wenn er ohne Hoffnung sich selbst immer gram bleiben könnte.

      Unsre Tarquine hatten wir schon verjagt, allein sie wurden uns von einer unendlich größern Macht als der des Porsenna wieder aufgebunden, und unsre innerliche Einrichtung war bei weitem noch nicht so wie die römische zur Republik gediehen; und noch außerdem war der heidnische toskanische König gewiß ein beßrer Mensch als der orthodoxe Karl der Fünfte. Dieser, voll Ehrgeiz und kalter List und Schlauheit ohne eigentlichen weitsehenden Verstand, kam zu früh zur Regierung von großen Reichen, um ein Mann von natürlichem Gefühl bleiben zu können. Er ging übrigens noch auf dem Welttheater mit den Menschen um wie hernach in der Einsamkeit mit seinen Uhren; und es gehörte ein Sturm von Leben wie beim Rückzug von Algier dazu, und Untergang und Verderben mußten gräßlich vor Augen liegen und seine eigne Person ergreifen, bevor sein Herz in wärmere Wallung gebracht und gegen fremde Not empfindlich wurde. Geboren zu Anfang des Jahrhunderts, hat er mit wunderbarem Glück die ganze erste Hälfte desselben durchgeherrscht, und alles mußte gewissermaßen sich in seinen Ton stimmen. Unsre Freiheit und die Glückseligkeit von Millionen künftiger Seelen vernichtete er so ganz ohne Gefühl, wie ein Vogelsteller einem Gramsvogel im Garn die Brust eindrückt.

      Es bleibt uns nun nichts anders übrig, nachdem der eiserne Arm mit Gericht und Beil über uns vereinzeltem buntem Haufen schwebt, der sich nicht mehr vereinigen kann, als daß einer des andern innerliche Kraft im Vertrauen klüglich anrege und wenigstens den einen großen Grundsatz auf die sinnlichste Weise ausbreite, daß der Staat der beste sei, wo alle überhaupt und die Bessern und der ausbündig Vortreffliche bei den Vorfallenheiten ihre Rechte genießen; und daß man dabei nicht allein auf glücklichre Zeiten hoffe, sondern dieselben herbeileite. Unter dem Cosmus hat der Despotismus schon zu tiefe Wurzeln gefaßt, und sein Sohn mag so schwach sein und immer mehr schwach werden, als er will: so läßt er sich sogleich nicht ausrotten.

      Ich für mein Teil darf mich jedoch wenig über Franzen beklagen: er hat mir nun meine väterlichen Güter wiedergegeben, in besserm Stand, als sie waren, und, um mich sich desto mehr zu verbinden, noch eine kleine dichterische Villa dazu geschenkt, nahe bei Cortona, mit der reizenden Aussicht über das fruchtbare Tal der Chiana und den Trasimenischen See; und mich zugleich zum Oberaufseher aller seiner Kunstsachen, Schlösser und Gebäude angestellt. Freilich, wenn ich Isabellen sehe, flammen nichtsdestoweniger immer aufs neue rächerische Blitze von meinem Herzen.

      Meine Tante und der Kardinal Ferdinand, der ein ganz andrer Mann ist, scheinen sich das Leben sehr froh zu machen; so wunderbarlich laufen die Begebenheiten ineinander.

      Wegen meiner Ausschweifungen in der Liebe brauchst Du nicht sehr bange zu sein: der hat gewiß ein verwahrlostes Haupt, der nicht beizeiten erkennt, daß die Gesundheit der Grund und Boden aller unsrer Glückseligkeit ist, ohne welchen kein Vergnügen bestehen kann; und überhaupt, daß volle Existenz das höchste Gut in der Welt ist und alles andre dagegen nur Freude von kurzer Dauer.

      Ohnerachtet dieser Grundsätze schweb ich vom neuen in Götterwonne, mehr als jemals. Ich war noch keine funfzehn Jahr, als ich mit einem kleinen Engel aus der Nachbarschaft, noch unter meinem Alter, eine Tochter zeugte. Meine Eltern vermittelten, verbargen und bemäntelten die Sache mit der Schwiegermama, der hinterlaßnen Witwe von einem Buchhändler, so gut als es geschehen konnte. Meine Geliebte ward in ein Kloster getan und den Augen der Leute so entrückt, und die Frucht der

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