Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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hast so etwas nicht erfahren und kannst Dir's folglich auch nicht denken; so schön, so reizend, so geliebt, so liebend und so voll Geist: und nun auf einmal alles im Ruin ohne Zusammenhang; dasselbe nicht mehr dasselbe, es ist gräßlich! Wer sie kennt, vergießt Tränen über ihr Schicksal; ganz Genua trauert. Weide dich, barbarische Moral, Feindin des Lebendigen, mit Wolfsgrimm hier an deinem Opfer!

      Aber auch ich, o Gott, wo werden mich meine heftigen Leidenschaften nicht noch hinreißen! Ach, ich habe ihren Zügel nicht so am sichern Griff, daß sie auf halsbrechenden Wegen nicht einmal mit mir davonrennen, der Wagen überschlägt und Roß und Führer in den Abgrund taumeln, wo man Blut und Gehirn noch lange dem Wandrer an Klippen zeigt, bis die Regengüsse des Himmels die Reste des Verwegnen vom Felsen waschen!

      Ardinghello

      Ich konnt ihm hierauf nicht antworten, weil er mir keine Zuschrift meldete. Die Begebenheit war entsetzlich und ging mir selbst durchs Herz. Je mehr ich darüber nachdachte, desto natürlicher aber kam sie mir vor. Fulvia mochte wohl die größte Schuld haben, und weit weniger Cäcilia und ich; außer der eignen Großmut von Ardinghello. Lucinde war mit allen Reizen bei ihrer Jungfräulichkeit zu beklagen: ein schwacher Feind in der Festung ist fürchterlicher als der stärkste von außen.

      Seine Reise nach Florenz schien mir immer gewagt, ob ich gleich schon längst wußte, daß Cosmus gestorben war.

      Dritter Teil

       Inhaltsverzeichnis

       Inhaltsverzeichnis

      Lucca, Mai.

      Ich sitze hier an den Höhen des Tals von Lucca, wo über mir der Wind durch die Buchen säuselt und unter mir die Quellen rieseln, bewegt in der innersten Seele, wie am Scheidewege meines Lebens. O wer die Zukunft aufhüllen könnte! Aber diese kennt niemand als der, der alles weiß; wir sind nur Funken, unsers Schicksals ungewiß, die in dem Unermeßlichen herumstäuben. Wohl dem, der wie ein Schmetterling sich an den Blumen ergötzt, die er vor sich findet! Hat der, welcher mit Gefahren kämpfte und sein Ziel errang, am End etwas Bessers? Genuß jedes Augenblickes, fern von Vergangenheit und Zukunft, versetzt uns unter die Götter. Was hat der Mensch und jedes Wesen mehr als die Gegenwart? Traum ohne Wirklichkeit alles übrige.

      Doch weg mit dieser Mückenweisheit! Unser Geist hat mehr Tiefe. Nur die Kraft ist selig, die Widerstand nach ihrem Maß überwältigt und ihn nach ihrem Sein ordnet, sei's auch unter Pein und Leiden. Dem Herkules, als er den Antäus bezwang, rannen die Schweißtropfen süßer hervor aus seiner Stirn, als ihm je die Umarmungen einer schwachen gefälligen Dirne waren; und nur Omphale, die ihn die Spindel drehen machte, verdiente die Liebe des Helden.

      Meine Tante schrieb mir nach dem Tode des Cosmus, daß wichtige Veränderungen am Hofe vorgefallen wären und unsre Feinde einen starken Stoß erlitten hätten; ich sollte mich auf den Weg in mein Vaterland machen: sie sei versichert, daß alles gut gehen und ich meine väterlichen Güter wiedererhalten würde; und noch außerdem woll ihr der Kardinal wohl, der alles vermöge.

      Diese Nachricht kam mir nun gelegen und ungelegen, nach Lucindens Verwirrung; ich hatte ganz andre Dinge im Kopfe zur Ausführung: aber niemand kann sich von seiner Wurzel losreißen; und so bin ich auf der Grenze. Der junge Herzog ist wenig Schritte von mir zu Pisa und bei ihm Bianca, von welcher man sagt, daß sie ihm einen Zaubertrank eingegeben habe: so sehr hält sie ihn an sich gefesselt. Beide gebrauchen die Bäder, weil sie gern einen Erben von ihm bekommen möchte.10

      Bianca war mit ihrem Geliebten eingeschlummert, und beide hatten sich verschlafen. Sie fand die Tür verschlossen, ohne zu wissen, wie es zuging, und erschrak. Eine alte Vertraute hörte weder auf Pfeifen von Bonaventuri noch Rufen.

      Sie trug die Frucht der Liebe schon unter ihrem Herzen; auf freie Einwilligung ihrer Eltern durfte sie nicht hoffen: Bonaventuri mußte mit ihr plötzlich sogleich nach Florenz durchgehen, wo sie zu Anfang ein kümmerlich Leben führte und die niedrigsten Arbeiten beim Vater ihres Gatten verrichtete; sie hatten sich nun vermählt.

      Hier wurde hernach der junge Herzog gegen sie entzündet, als er ihre Reize von ohngefähr auf einem Spazierritt am Fenster erblickte; und sein Hofmeister Mondragene, ein Spanier, und dessen Frau machten die Unterhändler.

      Der neue Liebhaber ernannte den Bonaventuri zum Guardaroba maggiore und schenkte ihm einen prächtigen Palast in Via Maggio, wo er mit der Bianca in allem Überfluß lebte.

      Als dieser aber sich bald zu übermütig betrug, so ließ ihn der Herzog bei Nacht auf der Straße ermorden, wo er sich noch tapfer wehrte.

      Ihr einzig Kind, eine Tochter mit Bonaventuri, wurde mit Ulyß Bentivoglio verheuratet und reich ausgestattet.

      Keine zwei Monate nach dem Tode der Johanne von Österreich, seiner Gemahlin, (einige Jahre nach dem gegenwärtigen Lauf dieser Geschichte) vermählte sich der Herzog mit Biancen in geheim; welches er ein Jahr darauf allen Höfen bekanntmachte. Nach Venedig sandt er den Grafen Sforza von Santa Fiore: und sie läuteten alle Glocken der Stadt, brannten die Kanonen ab und erklärten die Bianca für vera e particolar figliola della Republica; e cio in considerazione di quelle preclarissime e singolarissime qualita, che degnissima la fanno di ogni gran fortuna. Das ist: erklärten sie für eigentliche und besondre Tochter der Republik; und dies in Betrachtung der glänzenden und außerordentlichen Eigenschaften, die sie vollkommen würdig jedes Thrones machten.

      Sie wurde darauf als Tochter von Sankt Markus noch einmal öffentlich ihm angetraut.

      Aus einer gleichzeitigen Handschrift.

      Es geht mir hart an, daß ich in diese Sphäre hinein soll; wenn ich hineinkomme, so erlieg ich vielleicht unter den Trümmern.

      Ardinghello

      Pisa, zu Ausgang des Mai.

      Da sieh mich nun schon am Hofe! Noch aber bin ich wie ein fremdes Tier hier, wie ein Sperber unter dem zahmen Federvieh, das mit aller Macht herbeigelaufen und geflattert kömmt, wenn man ihm Futter hinwirft, und seine Eier legt.

      Ich hörte von einer neuen Art olympischen Spielen, die in den Bädern sollten gehalten werden; und ging den Tag, der zum Fest anberaumt war, bei guter Morgenzeit von Lucca durch das fruchtbare Tal über den Berg.

      Unentschlossen, wie von einem andern Wesen geleitet, wandelt ich herunter und langte bei den Häusern an: mir widerstand die Luft, und ein geheimer Ekel hielt mich so ab, daß ich zusammenschauderte und mir die Ohren brausten: doch aber drang ich durch.

      Ich hatte mich kaum im Wirtshause zu einem Frühstücke niedergesetzt, als zwei von meinen ehemaligen Kameraden hereintraten, mich anstaunten und mir um den Hals fielen; wir waren wie in einer neuen Welt beieinander, und mein Blut stürmte in Katarakten von meinem Herzen. »Willkommen! willkommen, Prospero!« riefen sie; »bleibst du bei uns? O du mußt bei uns bleiben! Es soll dir wohl gehen, du hast uns immer gefehlt.«

      Mich freuten die natürlichen Aufwallungen, ihre Blicke schienen nicht erlogen, und ich vergaß gleich zum erstenmal das απιστει̃ν des Sizilianers.11

      Ich antwortete ihnen bloß auf ihre Fragen, daß ich nach Rom reisen wolle und jetzt von

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