Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder страница 42

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

Скачать книгу

      *

      Um uns ein Glück, das uns gleichgültig scheint, recht fühlbar zu machen müssen wir immer denken, daß es verloren sei, und daß wir es diesen Augenblick wieder erhielten, es gehört aber etwas Erfahrung in allerlei Leiden dazu um diese Versuche glücklich anzustellen.

      *

      Die Entschuldigungen, die man bei sich selbst sich macht wenn man etwas unternehmen will, ist ein vortrefflicher Stoff für Monologen, denn sie werden selten anders gemacht, als wenn man allein ist und sehr oft laut.

      *

      Wenn man einen guten Gedanken liest, so kann man probieren, ob sich etwas Ähnliches bei einer andern Materie denken und sagen lasse. Man nimmt hier gleichsam an, daß in der andern Materie etwas enthalten sei das diesem ähnlich sei. Dieses ist eine Art von Analysis der Gedanken, die vielleicht mancher Gelehrter braucht ohne es zu sagen.

      *

      Es ist etwas Unbegreifliches, daß es uns schwer wird, in Komödien natürlich zu schreiben, da uns doch das Natürliche am natürlichsten ist. Es kommt bloß daher, daß wir das Natürliche mit einem Ausdrucke zuweilen verbinden müssen, der nicht so ganz gemein ist, und man ist sehr geneigt, wenn der Geschmack sich nicht auf Philosophie und Vernunft und das menschliche Herz gründet, die Grenzen zu überschreiten.

      *

      Ein allgemeines Maß für das Verdienst oder für die Wichtigkeit einer Verrichtung, das allen Ständen sogleich die wahre Größe einer Tat angäbe, wäre eine Erfindung, die eines moralischen Newton würdig wäre. Z.E. eine Compagnie vor des Kommandanten Haus zu exerzieren, ist gewiß nicht so schwer als ein paar Schuh zu sohlen (ich weiß es freilich, daß die Ehre eine Besoldung ist, sie auszuzahlen legt der Fürst eine Steuer auf die Hüte und den Nacken der Untertanen. Wenn ein Handwerkspursche vor dem Offizier den Hut zieht, so denke ich immer, dieser Pursche ist eine Art von Kriegszahlmeister. Und wie ungeschliffen sind die Offiziers die sie ohne Quittung annehmen, ich meine die nicht wieder an den Hut greifen) und ich behaupte ein Kleid gut zu schneiden ist zuverlässig schwerer als Hof-Kavalier zu sein, zuverlässig schwerer, ich meine den Hof-Kavalier in abstracto. Eine solche Rangordnung, die aber gewiß dem Verfasser und dem Verleger den Kopf kosten würde, wünschte ich gedruckt zu sehen, sie existiert gewiß in dem Kopf jedes rechtschaffenen Mannes. Man könnte zu einem solchen Maß das Balancieren auf der Nase nehmen, weil dieses ohngefähr alle Menschen mit gleicher Geschwindigkeit lernen, und durch die Länge der Tabakspfeife in Zollen die Grade der Schwierigkeit messen.

      *

      Wenn wir so vollständig sprechen könnten als wir empfinden, die Redner würden wenige Widerspenstige, und die Verliebten wenig Grausame finden. Unser ganzer Körper wünschet bei der Abreise eines geliebten Mädgens, daß sie dableiben mögte, kein Teil drückt es aber so deutlich aus als der Mund: wie soll er sich aber ausdrucken, daß man auch etwas von den Wünschen der übrigen Teile empfindet, gewiß das ist sehr schwer zu raten, wenn man noch nicht in dem Fall würklich ist, und noch schwerer wenn man nie darin war.

      *

      Bei einem Verbrechen ist das was die Welt das Verbrechen nennt selten das was die Strafe verdient, sondern da ist es, wo unter der langen Reihe von Handlung womit es sich gleichsam als mit Wurzeln in unser Leben hinein erstreckt diejenige ist, die am meisten von unserm Willen dependierte, und die wir am allerleichtesten hätten nicht tun können.

      *

      Es ist ein Fehler in unsern Erziehungen, daß wir gewisse Wissenschaften so früh anfangen, sie verwachsen so zu sagen in unsern Verstand, und der Weg zum Neuen wird gehemmt. Es wäre die Frage ob sich die Seelenkräfte nicht stärken ließen ohne sie auf eine Wissenschaft anzuwenden.

      *

      Wenn die Substanzen Eigenschaften besitzen die sich andern vergegenwärtigen lassen, so können wir zugleich Glieder in verschiedenen Welten sein ohne uns jedoch in mehr als einer bewußt zu sein, denn Eigenschaften der Substanzen sind so zu reden durchdringlich. So können wir sterben und in einer andern Welt fortleben.

      *

      Es gibt eine gewisse Art Menschen, die mit jedem leicht Freundschaft machen, ihn eben so bald wieder hassen und wieder lieben, stellt man sich das menschliche Geschlecht als ein Ganzes vor, wo jeder Teil in seine Stelle paßt, so werden dergleichen Menschen zu solchen Ausfüll-Teilen die man überall hinwerfen kann. Man findet unter dieser Art von Leuten selten große Genies, ohneracht sie am leichtesten dafür gehalten werden.

      *

       Die wahre Bedeutung eines Wortes in unsrer Muttersprache zu verstehen bringen wir gewiß oft viele Jahre hin. Ich verstehe auch zugleich hiermit die Bedeutungen die ihm der Ton geben kann. Der Verstand eines Wortes wird uns um mich mathematisch auszudrücken durch eine Formul gegeben, worin der Ton die veränderliche und das Wort die beständige Größe ist. Hier eröffnet sich ein Weg die Sprachen unendlich zu bereichern ohne die Worte zu vermehren. Ich habe gefunden, daß die Redens-Art: Es ist gut auf fünferlei Art von uns ausgesprochen wird, und allemal mit einer andern Bedeutung, die freilich auch oft noch durch eine dritte veränderliche Größe nämlich: die Miene bestimmt wird.

      *

      Die Geschöpfe machen nicht sowohl eine Kette aus wie die Poeten (Pope) öfters sich ausdrücken, sondern ein Netz, denn sie kommen auch öfters von der Seite wieder zusammen. Wie die Übergänge der Tiere und Steine aus einer Species in die andere und aus einem Genus in das andere deutlich zeigen. Büttner.

      *

      Die Worte sind eine Art von Buchstabenrechenkunst für die natürlichen Zeichen der Begriffe, welche in Gebärden und Stellungen besteht, die Casus der Substantiven sind die Zeichen.

      *

      Jedermann gesteht, daß schmutzige Historien, die man selbst aufsetzet, lange nicht die gefährliche Würkung auf uns tun, als die von Fremden.

      *

      Das Maß des Wunderbaren sind wir, wenn wir ein allgemeines Maß suchten, so würde das Wunderbare wegfallen und würden alle Dinge gleich groß sein.

      *

      Geister ohne eine Welt außer ihnen müssen seltsame Geschöpfe sein, denn da von jedem Gedanken der Grund in ihnen liegt, so sind die seltsamsten Verbindungen von Ideen allzeit recht. Leute nennen wir rasend, wenn sich die Ordnung ihrer Begriffe nicht mehr aus der Folge der Begebenheiten in unsrer ordentlichen Welt bestimmen läßt, deswegen ist gewiß eine sorgfältige Betrachtung der Natur, oder auch die Mathematik das sicherste Mittel wider Raserei, die Natur ist so zu sagen das Laufseil, woran unsere Gedanken geführt werden, daß sie nicht ausschweifen.

      *

      Die Einrichtung unserer Natur ist so weise, daß uns so wohl vergangener Schmerz, als vergangene Wollust Vergnügen erweckt; da wir nun ferner eher eine zukünftige Wollust voraussehen als einen zukünftigen Schmerz, so sehen wir daß wirklich nicht einmal die traurige und angenehme Empfindung in der Welt gleich verteilt sind, sondern daß würklich auf Seiten des Vergnügens ein Größeres statt findet.〉

      *

      Der Krämer der etwas abwiegt schafft so gut die unbekannten Größen auf die eine Seite und die bekannten auf die andere als der Algebraist.

      *

      Der Streit über bedeuten

Скачать книгу