MUSIK-KONZEPTE 195: Wolfgang Jacobi. Группа авторов
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»Die zwanziger Jahre in Berlin sind mir unvergesslich. Berlin war damals das musikalische Zentrum Europas; Bartók und Stravinsky spielten ihre Werke, und Klemperer führte die Ballette Stravinskys und die Opern Hindemiths auf. Die berühmtesten Kammermusikvereinigungen, die grossen internationalen Solisten gaben regelmässig ihre Konzerte«,
schwärmte Wolfgang Jacobi rückblickend in einer seiner wenigen Aussagen über diese Zeit.4 Er war 1919 in die Kulturmetropole gekommen, um an der Staatlichen Hochschule für Musik Berlin Komposition zu studieren. Zuvor hatte er Kindheit und Schulzeit in seiner Geburtsstadt Bergen auf Rügen sowie in Stralsund verbracht und war nach dem Abitur als Soldat in den Ersten Weltkrieg gezogen. Während der Somme-Schlacht in französische Kriegsgefangenschaft geraten und schwer an Lungentuberkulose erkrankt, war er 1917 nach Davos ausgetauscht worden, wo sein Wunsch, sich beruflich einmal ganz der Musik zu widmen, konkrete Formen annahm. Ausschlaggebend dafür war die Bekanntschaft mit dem belgischen Musiker und Musikwissenschaftler Paul Collaer, der sich ebenfalls in Davos aufhielt und ihm die Welt des französischen musikalischen Impressionismus erschloss. Begeistert von der Farbigkeit, Rhythmik und plastischen Thematik der Werke, insbesondere von Debussy und Ravel, begann Jacobi mit den ersten eigenen Kompositionsversuchen.5
Sein Studium in Berlin nahm er bei Friedrich Ernst Koch auf und erhielt bis 1922 eine fundierte Ausbildung, die vielversprechend verlief. Jacobi bewarb sich um ein Stipendium der Georg Krakau-Stiftung, das ihm von der Akademie der Künste zu Berlin bewilligt wurde (Abb. 1). Er schrieb Werke verschiedener Gattungen, hauptsächlich Klavier- und Kammermusik, aber auch erste Orchesterwerke, die in Konzerten der Hochschule zur Aufführung kamen. So wurden bei Vortragsabenden mit Arbeiten der Kompositionsklassen im Juni 1921 Jacobis Vier Lieder für Sopran und Klavier, seine Drei Klavierstücke und ein Satz der Sinfonietta für kleines Orchester aufgeführt.6 Im Juli 1922 waren fünf seiner Sechs Gesänge für tiefe Stimme und Klavierquintett op. 87 zunächst bei einem Hochschulkonzert zu hören, wenig später, im November des Jahres, dann in einem Konzert des Verbandes der konzertierenden Künstler Deutschlands. Bei diesem ersten öffentlichen Kompositionsabend Wolfgang Jacobis im Prunksaal der Gesellschaft der Freunde standen außerdem Klavier- und weitere Kammermusiken von ihm auf dem Programm, darunter sein Streichquartett A-Dur op. 7 und als Uraufführung die Sonatine g-Moll für Violine und Klavier op. 11.8 Seine erste Symphonie für großes Orchester op. 2 (1921) war zum Abschluss seines Studiums in der Hochschule aufgeführt worden.
Abbildung 1: Bewilligungsschreiben für ein Stipendium der Georg Krakau-Stiftung vom 21. April 1921
I Auf Erfolgskurs in Berlin
Motiviert von bestärkenden Konzertkritiken und einem hervorragenden Studienabschlusszeugnis, startete Jacobi seine Laufbahn als freischaffender Komponist. Darüber hinaus übernahm er 1922 eine Stelle als Lehrer für Musiktheorie am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin. Er heiratete die Schweizerin Eveline Rüegg, mit der er in den folgenden Jahren zwei Kinder bekam. Die junge Familie bewohnte ein eigenes Haus im Berliner Stadtteil Lichterfelde, und Jacobi genoss zum einen das pulsierende Leben der Großstadt, zum anderen die Behaglichkeit im kleinen privaten Kreis. Als aufstrebender Komponist konnte er sich zusehends einen Namen machen und auch bald einen Verlag für einige seiner Werke gewinnen. So veröffentlichte der Berliner Musikverlag Ries & Erler 1924 seine Klavierstücke Passacaglia und Fuge op. 9 und Suite im alten Stil op. 10. Beide sind die frühesten erhaltenen Kompositionen Jacobis.9
Den ersten maßgeblichen Erfolg erzielte Wolfgang Jacobi mit seinem Cembalo-Konzert op. 31. »Meine besondere Vorliebe für die Barockmusik und das Cembalo veranlassten mich, ein Werk in dem für das Ende der zwanziger Jahre bezeichnenden Stil des Neoklassizismus zu schreiben«, erinnerte er sich später.10 Als Concertino für Cembalo und Kammerorchester 1927 entstanden, wurde das dreisätzige Werk im Oktober 1928 im Rahmen einer Matinee im Alhambra-Kino am Kurfürstendamm durch das Alhambra-Kammerorchester unter der Leitung von Paul Dessau und dem Cembalisten Eigel Kruttge uraufgeführt. Daneben waren Werke von Georg Pisendel und Leopold Mozart sowie Filmmusiken, u. a. zu zwei Trickfilmen, von Dessau zu hören. Die Veranstaltung wurde von »weltbekannte(n) Repräsentanten Musik-Berlins, wie Otto Klemperer und Professor [Artur] Schnabel« besucht und brachte Jacobi Aufmerksamkeit, positive Kritiken und das Lob ein, als »starkes kompositorisches Talent« bereits mehrfach aufgefallen zu sein.11 Er selbst betrachtete diese Aufführung jedoch mehr als eine Art Voraufführung und sah in der zwei Jahre später am 6. Oktober 1930 stattfindenden Darbietung durch die Dresdener Philharmoniker unter Paul Scheinpflug und der Solistin Lotte Erben-Groll die eigentliche Uraufführung. Diese war Teil eines Konzerts der Festtagung des Reichsverbandes Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer in Dresden, bei dem ebenfalls ein prominentes Publikum, darunter Richard Strauss, zugegen war.12 – Jacobi hatte seinen Platz in der Musikwelt gefunden und begann sich allmählich fest zu etablieren. Sein Cembalo-Konzert, das in Dresden von der Presse noch wohlwollender aufgenommen worden war, beließ er aber letztlich nicht in seiner frühen Fassung. Über den Krieg gerettet, instrumentierte er es 1947 noch einmal um und veröffentlichte diese Version im Verlag C. F. Kahnt.13
Ein anderes Orchesterwerk, das erhalten blieb, ist die Grétry-Suite op. 44. 1932 komponiert, wurde die fünf Tänze umfassende Suite ein Jahr später in der Berliner Funk-Stunde durch das Funk-Orchester unter Bruno Seidler-Winkler uraufgeführt. Jacobi war bis dato bereits vielfach im Programm des ersten deutschen Rundfunksenders präsent. Als freier Mitarbeiter der Funk-Stunde hatte er zahlreiche Kompositions- und Bearbeitungsaufträge erhalten, so etwa für das musikalische Hörspiel Die Jobsiade – später umgearbeitet zu einer Schuloper. Auch schrieb er im Auftrag des Senders mehrere Werke für elektrische Instrumente wie Theremin oder Neo-Bechstein.14 Diese zeugen von seiner Offenheit für ungewöhnliche Instrumentierungen und neue Klangformationen, was auch an anderer Stelle noch deutlich werden wird.
Die Jobsiade zählte laut Jacobi »zu einer von Hindemith angeregten Gattung, der ›Gebrauchsmusik‹«. Und er führte weiter aus:
»Dieser unschöne Titel besagte, dass Musik auf breitester Basis geschrieben werden sollte, die