MUSIK-KONZEPTE 195: Wolfgang Jacobi. Группа авторов
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Wie mit der Jobsiade schloss sich Jacobi auch mit der Kleinen Sinfonie für Schulorchester dem Bestreben an, für die Jugend spielbare und zugleich an die Moderne heranführende Musik zu schreiben. Überhaupt legte er bei seinen Kompositionen größten Wert auf Fasslichkeit, und das sein Leben lang. Sie sollten anspruchsvoll, aber doch verständlich sein. Eine von Jacobis Maximen war, auch seine »schwierigste Musik unterhaltend zu machen und mit plastischen, fasslichen Einfällen zu versehen«.16 Er wollte den normal kultivierten Menschen erreichen und sprach sogar von der »Erkenntnis einer ethischen Verpflichtung«, in bestimmten Bereichen der Laienmusik das Niveau zu heben.17 In den 1950er/60er Jahren versuchte er das insbesondere auf dem Gebiet der Akkordeonmusik18, in den 1930ern auch in Bezug auf Musik für die erwähnten Arbeiterchöre.
Aus dem Interesse an sozialpolitischen Entwicklungen und der Sympathie für linksorientierte Positionen sowie die damalige Arbeiterchorbewegung schrieb Jacobi u. a. die Werke Der Heilige Gipfel für Arbeiterchor (Text von Otto Rombach) sowie das Bergwerksoratorium Der Menschenmaulwurf für gemischten Chor, Bariton-Solo, Sprecher und (Blas)Orchester. Das 1932 entstandene Werk nach einem Text des Arbeiterdichters Bruno Schönlank beschreibt den harten Alltag von Bergmännern unter Tage und sollte durch den Arbeiter-Sängerbund in Hannover uraufgeführt werden, was jedoch durch die Nationalsozialisten verhindert wurde. In einem Brief des Chorleiters an Jacobi vom 4. April 1933 heißt es:
»Das, was seit langem zu befürchten war, ist nun leider eingetreten: Der Gauvorstand hat gestern abend beschlossen, die Jubiläumsfeier und damit auch die Uraufführung des ›Menschmaulwurfs‹ auf unbestimmte Zeit zu verschieben! (…) Das Notenmaterial habe ich dem Gauvorstand übergeben und wird Ihnen von dort Nachricht zugehen.«19
In den Fokus des Hitler-Regimes geraten, wurde Wolfgang Jacobi zunächst kunstpolitisch geächtet, da seine Werke nicht den Vorstellungen der neuen Machthaber entsprachen. Dann folgte auch eine »rassische« Verfolgung: Aufgrund der jüdischen Abstammung seines Vaters wurde Jacobi im NS-Terminus als »Halbjude«20 eingestuft. Er verlor seine Stelle am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium, durfte nicht mehr für die Funk-Stunde arbeiten und sah sich als nun verfemter Komponist vor dem Aus seiner hoffnungsvoll begonnenen Karriere. Auch durften seine Werke nicht mehr aufgeführt werden. Er wurde 1935 von Joseph Goebbels in seiner Funktion als Reichskulturkammer-Präsident unter dem Betreff »Keinesfalls erlaubte musikalische Werke« auf eine Liste von Komponisten gesetzt, deren Werke fortan nicht mehr im deutschen Musikleben erklingen sollten.21
II Vernetzt und positioniert
Der Befehl, die benannten Komponisten nicht weiter zu berücksichtigen, ging an alle Einrichtungen, die an der Gestaltung von Musikprogrammen im NS-Staat beteiligt waren. So verschwanden deren Werke aus den Spielplänen von Opernhäusern, Konzerthallen und aus Rundfunkprogrammen. Jacobis Musik war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland aber bereits zum Verstummen gebracht. In seinem frühen Werkverzeichnis brechen seine Eintragungen zu Aufführungen seiner Kompositionen 1933 ab. Ende März war noch seine Grétry-Suite in der Funk-Stunde zu hören gewesen und im Juni das Hörspiel Tageszeiten der Liebe, zu dem er die Musik geschrieben hatte, im Deutschlandsender. Danach sind keine weiteren Aufführungen mehr belegt – abgesehen von einer, die im Rahmen einer jüdischen Kulturveranstaltung stattfand, welche von den Nazis zunächst noch geduldet wurden. Hierüber gibt ein Brief der jüdischen Musikmäzenin Gertrud Weil Auskunft, die bis 1938 in Berlin-Charlottenburg zu Hauskonzerten mit Werken Berliner Komponisten einlud und im November 1935 an ihren »alten Bekannten« Jacobi schrieb:
»(…) meine Veranstaltungen, die sich alle 14 Tage wiederholen, haben ein aussergewöhnlich gutes Renommée; (…) immerhin verläuft kein Konzert ohne wenigstens 80 bis 90 Teilnehmer, und die gesamte jüdische Presse – es sind 7 Zeitungen, interessiert sich sehr (…). Natürlich werde ich mich sehr freuen, wenn Herr Fischer Ihre Sonate bei uns spielt«.22
Der jüdische Pianist Heinz Fischer hatte bereits mehrfach Werke von Jacobi aufgeführt. Welche Sonate er genau in dem Hauskonzert im Januar 1936 spielte, ist ungewiss. Während seines Studiums an der Berliner Musikhochschule hatte er schon Jacobis Klaviersonate op. 22 zur Aufführung gebracht und im Rahmen seiner Reifeprüfung am 15. Juni 1927 die Tanzsuite op. 28 uraufgeführt.23 Auch war er beteiligt an einem Konzert im November 1929, bei dem Jacobis Suite für Bratsche und Klavier op. 35 zur Uraufführung kam, dies allerdings durch Egon Siegmund, Klavier, und Heinz Herbert Scholz, Bratsche.24 Das Konzert war eine Veranstaltung des Vereins ehemaliger Hochschüler der Staatlichen akademischen Hochschule für Musik in Berlin, den Wolfgang Jacobi von 1926 bis 1933 leitete. Durch seine vielfältigen Kontakte, die er als Vereinsvorsitzender mit einstigen Mitstudierenden, Interpreten wie Komponisten, aufrechterhielt oder auch neu knüpfen konnte, sowie durch seine Beziehungen zu Musikern und Kollegen vom Klindworth-Scharwenka-Konservatorium und der Funk-Stunde war er breit vernetzt – was ihm letztlich zu der vergleichsweise hohen Zahl von Konzert- und Rundfunkaufführungen25 seiner Werke verhalf.
In einem Ende der 1920er Jahre von Jacobi selbst veröffentlichten Werbefaltblatt listet er, neben einer Auswahl von Pressestimmen, einige für ihn bedeutende Aufführungen und Interpreten seiner Werke in Berlin im Winter 1928/29 auf (Abb. 2). An erster Stelle erwähnt er dort die Konzertsängerin Lula Mysz-Gmeiner als Interpretin seiner Fünf Lieder aus dem »Siebenten Ring« von Stefan George für Mezzosopran und Kammerorchester op. 29.26 Mysz-Gmeiner war Jacobi durch die Musikhochschule bekannt, wo diese als Professorin für Gesang lehrte. Sie hatte die Lieder bereits 1927 uraufgeführt und sich auch bei Verlagen für Jacobi eingesetzt. Ferner nennt er Michael Taube und sein Kammerorchester, das im Berliner Musikleben eine Institution war und sowohl die Uraufführung von Jacobis Suite für Kammerorchester op. 35 besorgte als auch die der Italienischen Serenaden für Sopran und Kammerorchester op. 34 – dies zusammen mit der Sopranistin Maria Toll.27 Außerdem in der Auflistung vertreten: der Violinist und Komponist Stefan Frenkel, mit dem Jacobi zeitlebens befreundet war. Die beiden hatten gemeinsam die Kompositionsklasse von Friedrich Ernst Koch besucht, und Frenkel war als Violinist ein regelmäßiger Jacobi-Interpret.28
Abbildung 2: Werbefaltblatt Wolfgang Jacobi, vermutlich 1929. Ohne Abbildung ist das dazugehörende Einlegeblatt mit ausgewählten Pressestimmen aus den Jahren 1927/28.
Besondere Beachtung kam Frenkels Uraufführung von Jacobis Concertino für Violine und Orchester op. 27 in der Berliner Singakademie Ende November 1927 zu. In dem Kammerorchester-Abend von Hans Bullerian wurde nur uraufgeführt, doch war sich der Großteil der versammelten Presse einig, dass Jacobis Werk »das Beste des Abends« war: »mit der gewandten Schreibweise und der bedeutenderen musikalischen Sprache. (…) Besonders im Bewegteren zeigt das Werk Erfindung, gewürzt mit humoristischem Einschlag«, so Musikkritiker Fritz Brust.29