MUSIK-KONZEPTE 195: Wolfgang Jacobi. Группа авторов
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»Nur über dies letztgenannte Werk lohnt sich in der Oeffentlichkeit ein Wort. Es ist ein belebtes harmonisches Stückchen, im Verhältnis der führenden, dominierenden Geige und der doch niemals zur ›Begleitung‹ herabgedrückten Instrumente, im Verhältnis des konzertierenden und ›gearbeiteten‹ Teils klug und gefühlt abgewogen«.30
Ganze 13 Zeitungsausschnitte zu dem Konzert sind im Nachlass Wolfgang Jacobis erhalten. Waren die Stimmen hier positiv, gab es bei anderer Gelegenheit aber auch kritische Töne, etwa im Falle der erwähnten Suite op. 35, uraufgeführt durch das Taube-Kammerorchester, die zwar offenbar »mit einem flüssigen und rhythmisch frischen Präludium und mit einem durch grotesken Einschlag bemerkbar werdenden Schlussrondo für Anerkennung warb, aber mit einer substanzlosen Serenade und einer leerlaufenden Fuge Gegenteiliges bezeugte«.31 Die überlieferten Pressestimmen – welcher Ausrichtung auch immer – stellen wertvolle Quellen dar, weil sie als einzige Dokumente eine Vorstellung von den verlorenen Werken Jacobis vermitteln. Das gilt nicht nur für die hier genannten Besprechungen, sondern für alle greifbaren Belege, die von Aufführungen nicht erhaltener Jacobi-Frühwerke berichten. Sie bieten Umschreibungen und Einordnungen des Gehörten sowie Bewertungen der kompositorischen Leistung – dies freilich subjektiv und gelegentlich auch deutlich ideologisch gefärbt. Und sie geben Zeugnis davon, wie präsent Wolfgang Jacobi im damaligen Musikleben war.32
Sein Name tauchte nicht nur häufig in der Tagespresse auf, sondern auch in Fachblättern wie der Deutschen Tonkünstler-Zeitung, Melos, in Die Musik oder der Zeitschrift für Musik. Dank seiner Begabung und seiner Erfolge als Komponist wurde er zudem bereits 1926 – vier Jahre nach Abschluss seines Studiums – in verschiedene Lexika aufgenommen, so in Das neue Musiklexikon und das Kurzgefaßte Tonkünstlerlexikon, 1929 auch ins Riemann/Einstein Musiklexikon.33 Im Musiklexikon von Hans Joachim Moser ist er 1935 ebenfalls noch vertreten, »in der erweiterten Auflage von 1943, nun ›jüdisch‹ weitgehend bereinigt, nicht mehr«.34
III Hinwendung zum Saxophon
Wichtige Begegnungen, die Jacobis Schaffen beeinflussten, waren die mit Paul Hindemith und Sigurd Rascher. Jacobi hatte Hindemith Anfang der 1920er Jahre persönlich kennengelernt und bezeichnete dies Zusammentreffen selbst als »sehr entscheidend« für seine weitere kompositorische Herangehensweise: »Seine [Hindemiths] kritische Durchsicht einer meiner Kompositionen hatte zur Folge, dass ich künftighin mit grösserer Strenge und Selbstkritik meine Arbeiten durchführte.«35 Dem jungen Musiker Sigurd Manfred Rascher begegnete er zu Beginn der 1930er Jahre. Rascher, 1907 geboren, hatte in Stuttgart Klarinette studiert, sich dann aber auch dem Saxophon zugewandt. Er war 1931 nach Berlin gekommen und trat ein Jahr später als Saxophon-Solist mit dem Berliner Philharmonischen Orchester auf.36 Rascher hatte die klanglichen Möglichkeiten des Instruments, das bis dato vor allem in Jazzbands zum Einsatz kam und einen eher anrüchigen Ruf hatte, auch im klassischen Bereich für sich entdeckt, avancierte alsbald zu einem renommierten Virtuosen und regte diverse Komponisten dazu an, Werke für das Saxophon zu schreiben – so auch Wolfgang Jacobi.
Als Rascher in der Metropole eintraf, war der Weg aufs Podium für ihn schon bereitet: Der Komponist und Pädagoge Gustav Bumcke hatte sich bereits darum bemüht, das Saxophon als konzertantes Instrument in Berlin einzuführen.37 Er hatte Ende der 1920er Jahre am Stern’schen Konservatorium eine eigene Saxophonklasse gegründet, das erste deutsche Saxophon-Orchester formiert sowie ein Saxophon-Quartett, in dem er selbst mitspielte und das Anfang der 1930er Jahre das Berliner Konzertleben bereicherte. Auch Rascher wirkte kurzzeitig in dem Quartett mit. Ansonsten war der Kontakt der beiden Pioniere des klassischen Saxophons aber begrenzt.38 Ob eine Verbindung zwischen Jacobi und Bumcke bestand, ist nicht belegt. Bumcke lehrte auch am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium, jedoch wohl nicht zeitgleich mit Jacobi. Letztlich wird dieser aber über Bumckes Wirken informiert – vielleicht auch davon inspiriert – gewesen sein, und indem er sich ebenfalls für das klassische Saxophon einsetzte, reihte sich Jacobi in den Kreis derjenigen ein, die zu dessen Etablierung als Konzertinstrument beitrugen.
Jacobi war, wie bereits erwähnt, an innovativen Klangästhetiken interessiert. Es reizte ihn, sich mit neuen oder ihm fremden Instrumenten zu beschäftigen und deren Klangpotenziale auszuloten. Neben seinen Experimenten mit elektrischen Instrumenten befasste er sich nun auch mit den Möglichkeiten des Saxophons und gehörte zu den ersten Komponisten in Deutschland, die für das klassische Saxophon schrieben. Sein frühestes und zugleich bekanntestes Werk in diesem Bereich ist die Sonate für Altsaxophon und Klavier39, die er Sigurd Rascher in Freundschaft widmete. Zum Entstehungsjahr der Sonate gibt es unterschiedliche Angaben. In Jacobis Werkverzeichnis aus der Berliner Zeit findet sich die Notiz »komp. II. 32« – dazu der Zusatz »op. 42«. In seinen beiden späteren Werkverzeichnissen ist die Opuszahl weggelassen und als Entstehungsjahr einmal angegeben »komp. 1930?«, dann »1930«.40 Auch auf den in den Nachlässen von Jacobi und Rascher überlieferten Notenmanuskripten differieren die Angaben, hier zwischen »1931« und »1932«. Zu vermuten ist, dass die früheste Werkverzeichnis-Eintragung korrekt ist, Jacobi ab 1931 an dem Werk arbeitete und es 1932 fertigstellte. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Sonate sehr wahrscheinlich durch Rascher angeregt wurde, dieser ja aber erst ab 1931 in Berlin wirkte. Außerdem ist belegt, dass Jacobi längere Zeit an der Sonate arbeitete – wie es überhaupt für ihn typisch war, sich Kompositionen immer mal wieder vorzunehmen, gelegentlich auch nach Jahren noch umzuarbeiten oder neu zu instrumentieren.41
Abbildung 3: Programm eines Konzerts von Sigurd M. Rascher mit der Aufführung von Jacobis Saxophonsonate in Turin, 1935
Abbildung 4: Konzertprogramm von Rascher, Kopenhagen, 1936
Abgesehen von der Sonate entstanden 1932 auch zwei Saxophonquartette von Jacobi, Niederdeutscher Tanz und Skizze, die ebenfalls Sigurd Rascher gewidmet sind. Bei diesen kurzen Stücken fällt die Besetzung Alt-, Alt-, Tenor-, Bariton-Saxophon auf, abweichend von der klassischen Besetzung mit Sopran-Saxophon. Hier ist davon auszugehen, dass sich Jacobi an dem erwähnten Bumcke-Saxophon-Quartett orientierte, das in eben dieser Besetzung auftrat.42 Darüber hinaus stammen noch die Kleinen Stücke oder Trio für Violine, Bratsche (Altsaxophon) und Klavier aus dem Jahr 1932, die lange als verloren galten, im Nachlass Raschers jedoch ausfindig gemacht werden konnten.43 Rascher nahm all diese Werke in sein Repertoire auf, wobei er die Sonate besonders favorisierte.
Jacobi komponierte seine dreisätzige Saxophonsonate formal im klassisch-romantischen Stil. Der erste Satz, Allegro, ma non troppo, steht in der Sonatenhauptsatzform, der zweite ist eine Sarabande mit sanglichen Linien, während der letzte Satz ein virtuoses Allegro in Rondoform darstellt. Rascher hielt die Sonate für überaus gelungen und bestätigte Jacobi 1937 in einem Brief, dass »sie immer noch das beste Stück