MUSIK-KONZEPTE 195: Wolfgang Jacobi. Группа авторов
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»Die letzten Aufführungen [der Sonate] sind: 12.1.37, Bradford, Konzert. 27.1.37: Warschau, Konzert der IGNM, 25.2. London, British Music Movement, 2.11. Strassbourg: Hauskonzert, 19.1.38: Malmö, Vereinskonzert, 25.1. Oxford University Music Club, 7.6. Pert[h]: Konzert, 11.6. studio Perth, 21.6. studio Adelaide, 28.6. studio Hobart (Tasmania), 15.7. studio Melbourne. (Gesamtzahl der Aufführungen bis jetzt: 38)«.45
Sigurd Rascher hatte Deutschland bereits 1933 den Rücken gekehrt. Die Nationalsozialisten assoziierten mit dem Instrument Saxophon die verpönte »Neger-Musik«, den Jazz, den es zu bekämpfen galt. Und der junge Virtuose war auf Widerstand und persönliche Anfeindungen gestoßen.46 Er emigrierte zunächst nach Dänemark, zog dann weiter nach Schweden und bereiste bis zu Kriegsbeginn und seiner Auswanderung in die USA 1939 von dort aus die Welt. Seine Aufführungen von Werken Jacobis außerhalb Deutschlands waren für den verfemten Komponisten ein Segen – brachten sie Jacobi doch ein paar Tantiemen ein und das gute Gefühl, noch gehört zu werden. Die Einforderung von Zahlungen nicht verrechneter Auslandsaufführungen lieferte der STAGMA (Staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte) 1938 allerdings letztlich einen willkommenen Vorwand, Wolfgang Jacobi aus der Gesellschaft auszuschließen (Abb. 5).47
Abbildung 5: Kündigungsschreiben der STAGMA an Wolfgang Jacobi vom 22. Februar 1938
Damit und mit dem Ausschluss aus der Reichsmusikkammer waren ihm jegliche Existenzgrundlagen und Möglichkeiten der weiteren Berufsausübung als Komponist genommen.48
IV Komponieren in innerer Emigration
Jacobi trafen diese repressiven Maßnahmen nicht mehr in Berlin. Wie viele seiner Freunde und Bekannten hatte auch er Deutschland verlassen und in der Fremde Zuflucht gesucht. Sein Ziel hieß Italien: Auf Vermittlung von Musikerkollegen hin konnte er 1934 mit seiner Familie nach Malcesine am Gardasee übersiedeln. Jacobi interessierte sich schnell für Sprache, Musik und Kultur des Landes und entwickelte eine tiefe Verbundenheit zu Italien. Der Versuch, in Florenz ansässig zu werden, scheiterte jedoch aufgrund der Devisensperre und einer erneuten Erkrankung Jacobis an Lungentuberkulose. Die Familie hatte auch daran gedacht, eventuell weiter nach Mittel- oder Südamerika auszuwandern, was sich nicht realisieren ließ. Schließlich ging es im Winter 1935 zurück nach Deutschland, allerdings nicht nach Berlin, sondern nach München, wohin es verwandtschaftliche Verbindungen gab. In der neuen Wahlheimat lebten die Jacobis zurückgezogen bis zum Ende des NS-Regimes. Die Liebe zu Italien aber blieb, und der einstige Zufluchtsort wurde für Wolfgang Jacobi zu einer bedeutenden Inspirationsquelle für sein späteres kompositorisches Schaffen.49
Die Münchner Jahre bis 1945 verbrachte Jacobi in innerer Emigration. Ausgegrenzt und diffamiert litt er unter den gegebenen Lebensumständen und komponierte nur wenig. Die Sonaten für Klavier Nr. 2 (1936) und Nr. 3 (1939) sind aus dieser Zeit erhalten – außerdem weitere Kammermusikwerke, die er für Sigurd Rascher schrieb: So entstanden 1936 zum einen verschiedene Bearbeitungen von Lully-Stücken, zum anderen die Cantata für Sopran, Altsaxophon und Klavier. Die Lully-Bearbeitungen konnten erst in den letzten Jahren Jacobi zugeschrieben werden, als sie im Nachlass Raschers auftauchten.50 Jacobi hatte sie weder in seinen Werkverzeichnissen aufgeführt noch waren Manuskripte davon zu finden. Bei den Werken handelt es sich um die Tanzstücke von Lully, bearbeitet für Saxophonquartett (Besetzung hier wieder Alt-Alt-Tenor-Bariton), sowie um die kürzer gefassten Studien nach Lully für Altsaxophon und Klavier. Letztere stellen ebenfalls Bearbeitungen einiger der Tänze aus den Tanzstücken dar – wie etwa die Sätze Sarabande en Rondeau oder Gavotte.
Von der Cantata existieren insgesamt drei Versionen. Neben der erwähnten Fassung mit Altsaxophon51 schrieb Jacobi auch eine für Sopran, Violine und Klavier. Außerdem schuf er 1957 eine Orchesterfassung mit dem Titel Cantata per soprano ed orchestra da camera. Angeregt durch die italienische Barocklyrik vertonte er in dem Werk Texte von Pietro Michiele (Amori) und Francesco della Valle (Pastorale), die als solche in der Partitur aber nicht kenntlich gemacht sind, sondern zusammenhängend komponiert wurden.52 Singstimme und Saxophon stehen für ein Liebespaar, dessen Liaison in erotischen Texten beschrieben wird.
Aus Briefen von Rascher ist zu entnehmen, dass Jacobi diesem bereits 1936 ein Manuskript des Werks zuschickte, Anfang 1937 aber noch weiter daran arbeitete. Auch wird in den Briefen im Zusammenhang mit Fragen zu Aufführungsmöglichkeiten der Cantata »Frau Diehl« erwähnt.53 Hierbei handelt es sich um die Sängerin Karoline (Nini) Diehl, für die Jacobi auf Vermittlung von Sigurd Rascher das Werk komponierte. Diehl war die Geliebte von Raschers Bruder Sigmund und stand wie dieser in engem Kontakt mit führenden Vertretern des Hitler-Regimes.54 Für Jacobi, der davon nicht wusste, führte der baldige Bruch mit Sigmund Rascher zu einer bedrohlichen Situation, die glücklicherweise ohne Folgen blieb.55 – Die Cantata wurde von Nini Diehl wohl nie aufgeführt.
V Kontinuität auf verschiedenen Ebenen
Mit Sigurd Rascher blieb Jacobi in Verbindung. Dieser machte nach seiner Emigration in die USA nun jenseits des Atlantiks Karriere. Er fand einen großen Kreis von Anhängern und Schülern und sorgte dank seiner Aufführungen von Jacobi-Werken nun auch auf diesem Kontinent für einen gewissen Bekanntheitsgrad des Komponisten.56 Zwar war der Kontakt der beiden in den Kriegsjahren bis in die 1950er Jahre hinein eingeschlafen, doch wurden die freundschaftlichen Bande dann wieder neu geknüpft, und Jacobi schuf 1961 auf Wunsch des Saxophonisten ein virtuoses, Rascher gewidmetes Konzert, indem er sein Concertino für Akkordeon und Orchester, Serenade und Allegro (1958), bearbeitete und uminstrumentierte. Neben diesem Konzert für Altsaxophon und Orchester57 entstand außerdem noch für Rascher und seine Tochter Carina die Barcarole für zwei Altsaxophone und Klavier (1964).
So wie sich Jacobi Anfang der 1930er Jahre als einer der ersten deutschen Komponisten für die neue Ästhetik des Saxophons begeistert und diesem den Weg in den klassischen Konzertbetrieb mit geebnet hatte, machte er sich in den 1950er/60er Jahren für die Anerkennung des als »Schifferklavier« missachteten Akkordeons verdient. Auch im Akkordeon erkannte er das Potenzial eines vollwertigen Konzertinstruments und avancierte zu einem Pionier für das klassische Akkordeon. Zeigte er sich hier experimentierfreudig und offen für Neues, blieb er hinsichtlich seiner Kompositionstechnik und der Verwendung von Formen und Gattungen traditionsgebunden. Auffällig in seinem Frühwerk sind die vielen Suiten und Tänze, seine Anlehnungen an barocke Meister sowie seine Nähe zum Impressionismus. Jacobi legte großen Wert auf eine »einprägsame Melodik, fesselnde Rhythmik und farbige Harmonik«58