Epidemiologie für Dummies. Patrick Brzoska

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Epidemiologie für Dummies - Patrick Brzoska

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sich für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer als unzumutbar. Die Menschen blieben und gründeten Familien – zunehmend mehr von ihnen bleiben daher auch im Rentenalter in Deutschland. Aus »Gastarbeitern« sind Zuwanderer geworden.

      2020 lebten rund 10,3 Millionen ausländische Staatsangehörige in Deutschland. Aber nicht alle Menschen mit »Migrationshintergrund« sind Ausländer: Es gibt viele Zuwanderer sowie Kinder von Migranten mit deutschem Pass. In Deutschland haben 21,9 Millionen Menschen und somit etwas mehr als ein Viertel (26,7 Prozent) der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. (Migrationsforscher sprechen mittlerweile lieber von »Eingewanderten und ihren direkten Nachkommen«). Dieser Teil der Bevölkerung ist im Durchschnitt wesentlich jünger als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund; der Männeranteil ist etwas höher. Zu den häufigsten Herkunftsländern der Menschen mit Migrationshintergrund zählen die Türkei, die Russische Föderation, Polen, Kasachstan, Rumänien und Italien.

      Menschen mit Migrationshintergrund haben ein höheres gesundheitliches Risiko als die Mehrheitsbevölkerung. Ihr gesellschaftlicher Status ist häufig niedrig, sie verdienen und wohnen schlechter, arbeiten an gefährlichen Arbeitsplätzen und sind häufiger arbeitslos. Der Anteil rauchender Männer und der Anteil von Kindern mit Übergewicht ist höher. Zuwanderer aus ärmeren Ländern leiden häufiger an Tuberkulose, die Säuglingssterblichkeit in kürzlich zugewanderten Familien ist höher.

      

Zuwanderer sind keineswegs von vornherein kränker als die Allgemeinbevölkerung. Es wandern meist besonders gesunde, mutige und aktive Menschen zu. Daher können Zuwanderer zunächst sogar einen gesundheitlichen Vorteil haben. Dieser Vorteil kann durch ungünstige Lebensbedingungen schwinden.

      

»Zuwanderung« oder »Einwanderung«? Streng genommen wissen wir ja erst am Lebensende, ob ein zugewanderter Mensch zum Einwanderer geworden ist – bis dahin kann er ja die Entscheidung treffen, dauerhaft in sein Herkunftsland zurückzuwandern. Ganz ohne Zweifel aber ist Deutschland ein Einwanderungsland, und so nennen wir es auch. Sie merken: Manche Begriffe haben nicht nur eine fachliche Bedeutung, sondern auch eine politische.

      Geburtenrückgang nach der Wende

      Gesellschaftliche Umbrüche können dramatische Veränderungen in der Bevölkerungsentwicklung nach sich ziehen. Das zeigen die Geburtenzahlen in Ostdeutschland nach der Wende 1989 besonders eindringlich.

      Zur Vorgeschichte: Nach Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die durchschnittliche Kinderzahl in beiden Teilen von Deutschland auf 2,5 Kinder pro Frau an. Mitte der 1960er-Jahre kam der »Pillenknick«: Wirksame und leicht zugängliche Verhütungsmittel sowie ein Wandel im Rollenbild der Frauen ließen die Gesamtfruchtbarkeitsrate zunächst im Westen auf etwa 1,3 sinken. Die DDR zog nach. Kurz vor der Wiedervereinigung betrug die Gesamtfruchtbarkeitsrate in beiden Ländern wieder rund 1,5.

      

In der ehemaligen DDR förderte der Staat junge Mütter weit mehr als im Westen. Trotzdem glich sich die Gesamtfruchtbarkeitsrate bis Ende der 1980er-Jahre an die in Westdeutschland an. Die Frauen in der DDR bekamen ihre Kinder in jüngerem Alter, sie hatten aber im Durchschnitt nicht mehr Kinder als die Frauen im Westen.

      Im Zeitraum von der Wende bis Ende 1994 sank die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau in den neuen Bundesländern von 1,5 auf 0,8. Das ist der stärkste je zu Friedenszeiten beobachtete Rückgang (im Laufe der Jahre bis 2019 stieg die durchschnittliche Kinderzahl in Ost und West auf etwas über 1,5 an). Der Geburtenausfall im Osten wird in der nächsten Generation zu einem weiteren Geburtenausfall führen, da ja weniger Frauen geboren wurden, die nun Kinder bekommen könnten. Hinzu kommt eine Abwanderung von Frauen in den Westen.

      Ost-West-Wanderung und ihre Folgen

      Das Gebiet der ehemaligen DDR hat seit 1948 massive Abwanderungen erlebt, Zuzüge fanden kaum statt. In den Jahren nach der Wende sind über 1,5 Millionen Menschen in den Westen verzogen. Konkret bedeutet das:

       Die neun größten ostdeutschen Städte (ohne Berlin) verloren zwischen 1990 und 2000 im Mittel 9,4 Prozent ihrer Bevölkerung. In Rostock betrug der Rückgang 20 Prozent beziehungsweise rund 50.000 Menschen. Viele Städte konnten die Bevölkerungsverluste bis 2020 wieder kompensieren oder verbuchten sogar Zugewinne, wie beispielsweise Leipzig. Aber zehn ostdeutsche Landkreise und kreisfreie Städte sind zwischen 1990 bis 2019 um über 30 Prozent geschrumpft, beispielsweise Suhl.

       In Mecklenburg-Vorpommern wird laut Bevölkerungsvorausberechnungen das Medianalter der Bevölkerung bis 2030 auf 52,6 Jahre steigen. Zum Vergleich: In Deutschland insgesamt wird das Medianalter von derzeit 47,8 Jahren auf 48,1 Jahre im Jahr 2030 steigen.

      Es wanderten vor allem junge, gut ausgebildete Menschen ab, darunter besonders viele Frauen. Ältere und Pflegebedürftige sowie niedrig Qualifizierte blieben zurück, was zu hohen Arbeitslosen- und Sozialhilfequoten beitrug. So kam es regional zu einem relativen Mangel an jungen Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren. Im ehemaligen Landkreis Uecker-Randow im südöstlichen Mecklenburg-Vorpommern kamen im Jahr 2006 rechnerisch nur noch 74 junge Frauen auf 100 junge Männer. Das kann nicht gut für die Gesundheit sein.

      Die Folgen des Bevölkerungsrückgangs sind für die Menschen in schrumpfenden Städten und Kreisen deutlich spürbar. Die Kommunen nehmen weniger Steuern ein und können daher weniger Leistungen bieten. Manche kommunalen Aufgaben wie die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung lassen sich nicht einfach proportional zu einem Bevölkerungsrückgang abbauen, ihre Qualität droht zu leiden. Auch Ärzte wandern ab, was zur Folge hat, dass die gesundheitliche Versorgung in ländlichen Gebieten der neuen Länder immer schwieriger aufrechtzuerhalten ist.

      Wo sind die indischen jungen Frauen geblieben?

      Ein zahlenmäßiges Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen gibt es nicht nur im Osten von Deutschland und als Folge von Abwanderung. Blättern Sie noch einmal zurück zu Abbildung 4.2, die Ihnen die Bevölkerungspyramide von Indien zeigt. Wenn Sie die beiden Altersgruppen 15 bis 24 Jahre ansehen, fällt Ihnen eine deutlich größere Zahl von jungen Männern (133 Millionen) als von jungen Frauen (117 Millionen) auf. Es fehlen rund 16 Millionen junge Frauen. Woran liegt das?

      Normalerweise kommen etwas mehr Jungen als Mädchen zur Welt. Im Kindesalter sollte aber nur noch ein kleiner Unterschied sichtbar sein, so wie in Deutschland. Sie können das in der Bevölkerungspyramide in Abbildung 4.3 sehen.

      In einigen asiatischen Ländern genießen Söhne eine höhere Wertschätzung als Töchter (unter anderem wegen der hohen Kosten für die Mitgift). Manche Eltern versorgen männliche Säuglinge besser als weibliche, sodass die Sterblichkeit der Mädchen oft höher ist als die der Jungen. Zudem boten über Jahre hinweg skrupellose Mediziner in Ländern wie Indien und China Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft an, mit dem (illegalen) Ziel, weibliche Föten abzutreiben. So wächst in Indien eine Generation heran, in der innerhalb einer 10-Jahres-Altersgruppe 16 Millionen Männer keine Frau finden werden. Die sozialen und gesundheitlichen Folgen sind schwer abzuschätzen.

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