Epidemiologie für Dummies. Patrick Brzoska
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Die Bevölkerung von Deutschland umfasste Ende des Jahres 2020 rund 83,2 Millionen Menschen. Trotz Zuwanderung droht sie zu schrumpfen. Mehr dazu erfahren Sie weiter hinten in diesem Kapitel im Abschnitt »Die demografische Formel«.
In der Gesundheitsberichterstattung setzen Epidemiologen die Zahl der Erkrankungen oder Todesfälle ins Verhältnis zur Zahl der Bevölkerung. Die Bevölkerung der Stadt oder des Landes, in dem sich die Fälle ereignet haben, ist dann der Nenner oder »Denominator« eines Bruches (im Zähler stehen dagegen die Fälle). Daher heißt die Bezugsbevölkerung auch Denominatorbevölkerung.
Wer steht auf meinem Fuß? Bevölkerungsdichte
Schon mal zu Semesterbeginn morgens mit der Bielefelder Stadtbahn vom Hauptbahnhof zur Uni gefahren? Falls ja, wissen Sie, was eine hohe Bevölkerungsdichte ist: Auf jedem Quadratmeter drängen sich gefühlte drei Personen, von denen meist eine auf Ihrem Fuß steht. Weitere mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen einer so hohen Bevölkerungsdichte ergeben sich aus der leichteren Übertragung von ansteckenden Krankheiten wie beispielsweise grippalen Infekten.
Demografen geben die Bevölkerungsdichte als Zahl der Personen pro Quadratkilometer an. Deutschland ist ein dicht besiedeltes Land, dennoch ist die Bevölkerungsdichte gering im Vergleich zur Bielefelder Stadtbahn: Bundesweit leben im Schnitt 233 Menschen auf einem Quadratkilometer.
Innerhalb von Deutschland gibt es große Unterschiede in der Bevölkerungsdichte zwischen städtischen und ländlichen Regionen (siehe Tabelle 4.1). Das hat gesundheitliche Folgen: Wenn Sie in Berlin einen Unfall erleiden, finden Sie einen Arzt oder ein Krankenhaus buchstäblich um die nächste Ecke. Anders in Mecklenburg-Vorpommern: Eine geringere Bevölkerungsdichte bedeutet längere Wege zum Arzt.
Tabelle 4.1: Bevölkerungsdichten im internationalen Vergleich, Zahlen für 2019
Gebiet | Personen pro Quadratkilometer |
---|---|
Deutschland (insgesamt) | 233 |
Berlin Friedrichshain-Kreuzberg | 14.235 |
Mecklenburg-Vorpommern | 69 |
Kenia (insgesamt) | 82 |
Kibera (Slum in Nairobi, Kenia, 2020) | 98.570 |
In afrikanischen Entwicklungsländern hat die Bevölkerungsdichte noch größere Auswirkungen auf die Gesundheit, wie das Beispiel Kenias zeigt. Auf dem Land ist die Bevölkerungsdichte gering, die Entfernungen zu den wenigen Gesundheitseinrichtungen sind sehr groß. In vielen Großstädten dagegen entstehen extrem dicht besiedelte Slums, in denen die Menschen unter katastrophalen hygienischen Bedingungen leben. Beide Situationen erschweren die gesundheitliche Versorgung.
Zählen von Anfang an: Geburten
Wie viele Kinder kommen jedes Jahr zur Welt? Diese Frage ist weniger trivial, als es zunächst den Anschein hat. Denn leider gibt es manchmal Fehlgeburten und Totgeburten. Sollen die zu den Geburten zählen? Um wiederholbare Ergebnisse zu erzielen, benutzen Demografen und Epidemiologen eine einheitliche Definition für Geburten:
In der Fachsprache der Demografen zählen Geburten (und Sterbefälle) zur sogenannten natürlichen Bevölkerungsbewegung. Was sich hier bewegt, ist die Zahl der Menschen. Wenn sich die Menschen selbst bewegen, heißt das »Wanderung« oder »Migration«.
Was ist die »reproduktive Leistung«?
Wissenschaftler sind stolz auf ihre eindrucksvollen Wortneuschöpfungen. Unsere Kollegen, die Demografen, sprechen beispielsweise von der »reproduktiven Leistung« oder »Fertilität« einer Gesellschaft (Mütter wissen, dass diese vorgeblich gesamtgesellschaftliche Leistung vor allem ihnen Opfer abverlangt). Ein häufig benutztes Maß der Fertilität ist die Gesamtfruchtbarkeitsrate.
Einfacher gesagt: Die Gesamtfruchtbarkeitsrate gibt die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau an. Damit eine Kindergeneration gleich groß ausfällt wie ihre Elterngeneration, sind in den Industrienationen 2,1 Kinder je Frau erforderlich. Zwei Kinder pro Frau reichen nicht aus, weil geringfügig mehr Jungen als Mädchen geboren werden und einige wenige Kinder sterben.
In Deutschland beträgt die Gesamtfruchtbarkeitsrate rund 1,5 Kinder je Frau. Damit pflanzt sich eine Elterngeneration nur zu zwei Dritteln fort. In ost- und südeuropäischen Ländern liegen die Gesamtfruchtbarkeitsraten ähnlich oder sogar noch niedriger. Anders in Frankreich, dort beträgt sie immerhin fast 1,9. In den westafrikanischen Ländern liegt sie sogar zwischen vier und fünf Kindern je Frau.
Und was ist eine »rohe Geburtenrate«?
Die rohe Geburtenrate ist ebenfalls ein Maß der Fertilität.