Epidemiologie für Dummies. Patrick Brzoska
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Der neugierige Staat: Volkszählungen
Die Frage »Wie viele sind wir?« bewegt Regierungen seit dem Altertum. »Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste …« So steht es in der Weihnachtsgeschichte (Lukas 2, 1-2). Tatsächlich gab es in China schon früher Volkszählungen.
Bei einer Volkszählung (auch »Zensus« genannt) erfassen die Bevölkerungsstatistiker alle in einem Land lebenden Personen und befragen sie nach ihrem Alter, Geschlecht und weiteren Angaben. Nach einer Volkszählung schreiben die statistischen Ämter den Bevölkerungsstand bis zum nächsten Zensus jährlich fort.
Die statistischen Ämter erhalten die für die Fortschreibungen erforderlichen Daten zu Geburten, Sterbefällen und Eheschließungen sowie zu Wanderungsbewegungen von den Standesämtern und den Einwohnermeldeämtern. Ergänzt werden diese Informationen durch den jährlich stattfindenden Mikrozensus. Dazu besuchen Interviewer 1 Prozent aller Privathaushalte und erheben aktuelle Daten zu Bevölkerungsstruktur und wirtschaftlicher Lage (siehe Kapitel 24).
Veraltete Bevölkerungszahlen sind nicht verlässlich
Je länger eine Volkszählung zurückliegt, desto ungenauer werden die Fortschreibungen. Im Juli 2008, also etwa 20 Jahre nach der letzten Volkszählung in (West-)Deutschland, veröffentlichte das Statistische Bundesamt eine Pressemitteilung mit dem Titel »Bevölkerungszahl vermutlich um 1,3 Millionen zu hoch«.
Bei einem Vergleich von Daten der Melderegister und einer Stichprobenbefragung von Haushalten hatten die Bevölkerungsstatistiker etwa 3,2 Millionen Übererfassungen (das sind zu viel erfasste Personen) und 1,6 Millionen Untererfassungen (das sind zu wenig erfasste Personen) gefunden. Daneben stellten sie weitere »kleinere Abweichungen« fest. Zusammengenommen tauchen 1,3 Millionen Menschen in der Fortschreibung auf, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Das verursacht Fehler in gesundheitsbezogenen und anderen Statistiken.
Die letzte Volkszählung fand im Jahr 2011 statt. Die Bevölkerungsstatistiker haben erstmals ein neues, registerbasiertes und stichprobengestütztes Verfahren angewandt. Eine Befragung aller Einwohner wie bei früheren Volkszählungen ist bei diesem Verfahren nicht erforderlich. Mehrere Tausend Interviewer haben etwa 10 Prozent der Bevölkerung (etwa 7,9 Millionen Menschen) befragt. Der Schwerpunkt der Befragungen lag in Gemeinden ab 10.000 Einwohnern, weil dort die Melderegister häufiger ungenau sind. Die nächste Volkszählung ist für das Jahr 2022 geplant.
Bevölkerungsstruktur: die Bevölkerungspyramide
Wenn Sie eine Bevölkerung nach Alter und Geschlecht gliedern, können Sie Alterungsprozesse und Folgen dramatischer Ereignisse wie beispielsweise Kriege erkennen. Besonders gut sichtbar werden sie in einer grafischen Darstellung. Dazu erstellen Demografen eine Bevölkerungspyramide, auch Alterspyramide genannt (obwohl sie häufig gar nicht pyramidenförmig ist).
Für die Darstellung von Bevölkerungspyramiden gibt es verbindliche Vorgaben. Die männliche Bevölkerung steht auf der linken Seite, die weibliche Bevölkerung auf der rechten. Die jüngste Altersgruppe bildet die Basis der Pyramide, die höchste Altersgruppe deren Spitze. Die Pyramiden können entweder die Größe der einzelnen Altersjahre oder Fünf-Jahres-Altersgruppen zeigen.
Idealtypische Bevölkerungspyramiden
Bevölkerungspyramiden bilden die Veränderungen der Bevölkerungszahlen durch Geburten, Sterblichkeit und Wanderung in den vergangenen Jahrzehnten ab. Es gibt mehrere idealtypische Formen von Bevölkerungspyramiden (siehe Abbildung 4.1).
Abbildung 4.1: Idealtypische Formen der Bevölkerungspyramide (weiß: Männer, grau: Frauen)
Pagodenform: Junge, schnell wachsende Bevölkerung mit geringer Lebenserwartung durch sehr hohe Kindersterblichkeit. Über 40 Prozent der Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre. Beispiele: ärmere afrikanische Entwicklungsländer heute, Deutschland um 1840.
Dreiecksform: Junge, schnell wachsende Bevölkerung mit geringerer Kindersterblichkeit, aber noch hoher Sterblichkeit im mittleren Alter. Beispiele: Ghana heute, Deutschland um 1910.
Glockenform: Stabile (stationäre) Bevölkerung, kaum Bevölkerungsrückgang oder Bevölkerungswachstum. Rückgang der Kindersterblichkeit und stabile Geburtenzahl. Beispiel: Deutschland um 1980.
Urnenform (Bischofsmütze): Schrumpfende und alternde Bevölkerung durch Rückgang der Geburten und/oder Abwanderung junger Menschen. Beispiele: Italien, voraussichtlich Deutschland um 2030.
Blattform: »Aussterbende« Bevölkerung durch dramatischen Rückgang der Geburtenzahl. Beispiel: einzelne ländliche Gebiete mit starker Abwanderung.
Real existierende Bevölkerungspyramiden
In der Realität finden Sie diese Idealtypen nur selten, denn die Pyramiden werden durch veränderte Fertilität, Wanderungsbewegungen oder katastrophale Ereignisse wie Kriege deformiert. In den Abbildungen 4.2 und 4.3 zeigen wir Ihnen die Bevölkerungspyramiden von Indien und Deutschland. Anhand der Form können Sie die Besonderheiten der jeweiligen Bevölkerungsentwicklung ableiten.
Abbildung 4.2: Bevölkerungspyramide, Indien 2020
Die indische Bevölkerungspyramide (Abbildung 4.2) weist ab der Altersgruppe 20-24 Jahre eine nahezu idealtypische Dreiecksform auf. Indien hatte also bis vor 20 Jahren eine schnell wachsende, junge Bevölkerung. Die Basis verschmälert sich aber, denn seither nehmen die Geburtenzahlen ab. Hält diese Entwicklung