Inselromane. Julia Meier

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Inselromane - Julia Meier Beiträge zur nordischen Philologie

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evangelisch-lutherischen Orthodoxie etwas zu lockern und den Blick auf eine uralte, gänzlich andere religiöse Auffassung zu erlauben.

      2.2 Die Inseln im Südmeere

      Die folgenden Angaben zu Inhalt und Aufbau von Oehlenschlägers Roman beziehen sich auf die deutsche Ausgabe von 1826, die in dieser Arbeit im Sinne einer Fokussierung auf die prozessuale Entwicklung des Werks generell als Ausgangstext und Basis für die weiteren Fassungen gewählt wurde. Diese Wahl steht im Widerspruch zu früheren Vorgehensweisen, denn bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts pflegten die Literaturwissenschaftler ihren Analysen die „Ausgabe letzter Hand“ eines Textes zugrundezulegen, die als endgültig abgeschlossene Werkfassung, sozusagen als Repräsentation des „letzten Willens“ eines Autors in Bezug auf sein Werk betrachtet wurde, eine Auffassung, die sich mit den neuen Ansätzen, wie sie z.B. von der New Philology, der Diskursanalyse oder den Intertextualitätskonzepten entwickelt wurden, grundlegend änderte: Die Sicht des Autors als „Herr über seinen Text“ wurde ersetzt durch die Idee einer Autorinstanz, die als Instrument der Textgenerierung fungiert und also keinen Willen, keine Intention besitzt, nach der geforscht werden kann; die gängige Vorstellung vom Werk als geschlossene, alle Vorstufen hierarchisch dominierende „Ausgabe letzter Hand“ wurde geöffnet auf einen Textbegriff hin, der die Dynamik, die Polyvalenz, die Instabilität und Unabgeschlossenheit eines textuellen Produktes in den Blick nimmt.1 Dieser Paradigmenwechsel legt nahe, jeweils den Erstdruck als Textgrundlage zu wählen, da er als Ausgangspunkt für alle späteren Fassungen/Varianten das Prozessuale der Textgenese einleitet und damit deren dynamischen Charakter wahrnehmbar macht. Freilich stellt sich hier die Frage, warum dann nicht auf das Manuskript – soweit noch vorhanden und auffindbar – als allererste, medial fassbare Stufe des Entstehungsprozesses zurückgegriffen wird. In der vorliegenden Arbeit erfolgt die Wahl des Erstdruckes als Grundlage für die durchgeführten Analysen vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit der Rezeption, die in den meisten Fällen erst auf die Druckfassung reagieren kann, d.h. es ist die gedruckte Ausgabe, die eine öffentliche und damit erst literaturwissenschaftlich einzuschätzende Wirkung hervorzubringen vermag.2

      Nimmt man Oehlenschlägers Roman in der Ausgabe von 1826 zur Hand, so fallen zwei Neuerungen gegenüber Schnabel sofort ins Auge: Als erstes der kurze Titel (vgl. dazu Kap. 4.1.1), dann aber auch die Einteilung des Textes in Kapitel, eine leserfreundliche Massnahme, die Übersichtlichkeit schafft. Jeder Teil enthält zwischen zwanzig und dreissig, mit kurzen Überschriften versehene Kapitel von variabler Länge.3Cervantes, Miguel de

      Teil 1 beginnt, wie bei Schnabel, mit dem Auftritt von Eberhard Julius. Bei Oehlenschläger wird Eberhard jedoch in die dritte Person versetzt; ein auktorialer Erzähler führt durch den Text. Dieser Wechsel der Erzählinstanz resultiert in einer wesentlich stärkeren Konturierung der Figur Eberhards; er wird zu einer facettenreichen Person aufgewertet und erhält ein detailliert geschildertes, mit einer grossen Anzahl neuer Episoden und neuer Figuren angereichertes Schicksal, das den ganzen ersten Teil füllt. Auch seine Eltern werden eingehender charakterisiert; über die Mutter heisst es:

      [S]ie war […] aus dem Geschlechte LuthersLuther, Martin, mit seinen Liedern und Gesangsweisen auferzogen, die persönlichen Verhältnisse Luthers, Melanchtons (sic), Bugenhagens u.s.w. kannte sie alle sehr genau und wusste sie in lebhaften Zügen vorzutragen. Eine für ihre Zeit so gebildete Frau hatte auf den Sohn grossen Einfluss gehabt. (IS I: 3)

      Schon auf der dritten Seite wird also die Abstammung von LutherLuther, Martin erwähnt, eine Verwandtschaftsbeziehung, die für Eberhard und besonders für seinen Urgrossonkel Albert Julius von entscheidender Bedeutung ist, wie im Verlauf des Romans noch deutlich wird. Der Student Eberhard wird gleich zu Beginn vom Tod der Mutter und dem Bankrott des Vaters getroffen. Trotz der Unterstützung durch Hanna Hellkraft, eine aus der Schweiz stammende mütterliche Freundin, die – offenbar aufgrund ihrer schweizerischen Herkunft – ihrem sprechenden Namen zufolge als Inbegriff bodenständiger Vernunft und Tüchtigkeit erscheint, fällt es ihm schwer, sich in seiner neuen Lage zurechtzufinden. In dieser Situation trifft, wie bei Schnabel, ein Brief ein, mit dem ihn ein gewisser Kapitän Wolfgang4 nach Amsterdam einlädt. Eberhard entschliesst sich zur Reise, auf der ihn Hanna Hellkraft begleitet. Unterwegs besichtigt er den Kölner Dom und lernt dabei zwei Personen kennen, die schon in den WF eine grössere Rolle spielten: Litzberg und Lademann. Eberhard trifft sie bei der Ausübung künstlerischer Tätigkeiten: Litzberg zeichnet das Domportal und Lademann spielt Bach’Bach, Johann Sebastiansche Orgelmusik. Ein „Künstler“ ganz anderer Art ist Obadias Schlenk, der Eberhard aus einer misslichen Lage in der Krypta des Doms befreit und ihn gleichzeitig bestiehlt, dank Eberhards Grossmut aber einer Verhaftung entgeht. Da auch Litzberg und Lademann nach Amsterdam unterwegs sind, schliesst man sich zu einer kleinen Reisegesellschaft zusammen und führt auf der Rheinfahrt nach Holland mit den übrigen Passagieren, zu denen später auch LeibnizLeibniz, Gottfried Wilhelm stösst, lebhafte Streitgespräche.

      An dieser Stelle löst sich der auktoriale Erzähler von seinen Figuren: „Wir lassen jetzt unsere Reisende segeln oder fahren, wie es ihnen gefällt“ (IS I: 121), und wendet sich explizit an den Leser, indem er über die Möglichkeiten der Dichtung reflektiert, Landschaft in Worten wiederzugeben. In einer ironischen Wendung bemitleidet er den Leser, der in Romanen immer wieder dieselben Landschaftsbeschreibungen lesen müsse, und spottet über die romantischen Topoi der Naturschilderung: „wie grün die Wälder, wie majestätisch die Berge, wie rauschend die Wasserfälle […]. Wie die Lerchen des Morgens im Felde sangen, und die Nachtigallen am Abend im Haine flöteten“ (IS I: 122). Er hält nichts von „Wortgemälden“ (IS I: 123), da dem Dichter ausser der schwarzen keine Farben zur Verfügung stünden, und damit liessen sich nur Begebenheiten erzählen oder „den inwendigen Menschen“ malen. Dann führt er den Leser durch die holländische Landschaft, beschreibt ihm eine ganze Reihe von Szenen holländischen Lebens, die er sich ansehen könnte, doch rät er ihm von solchen Besichtigungen ab, denn all das sehe der Leser weit besser auf den Bildern der „grossen Meister der niederländischen Schule“ (IS I: 127).5 Da sich die holländischen Szenen wie Beschreibungen von Genrebildern der flämischen und niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts lesen,6 scheint hier ein Medienwechsel stattzufinden, der mit dem Phänomen der romantischen Ironie spielt, indem gemalte Szenen wiederum mit Worten gemalt werden, wodurch die Kritik gegen die „Wortgemälde“ ironisch subvertiert wird. Der Vorgang lässt sich aber auch als Hinweis auf ein Wechselspiel, eine gegenseitige „Befruchtung“ von Malerei und Dichtung verstehen.

      Bezeichnenderweise ist es ein prosaischer Einwurf Hanna Hellkrafts, der den Kunstdiskurs des Erzählers beendet, so dass der Leser von der Höhe der kunsttheoretischen Reflexionsebene abrupt auf die „flache seichte Ebene“ stürzt, wie Hanna Hellkraft die holländische Landschaft bezeichnet, welche sie als „Schweizerin, auf dem Rigi geboren“ (IS I: 128), geradezu verabscheut; ihr Urteil führt bei den Gefährten zu einem Gespräch über die Lebens- und Wesensart der Holländer, wobei die Anhäufung teilweise kruder Holländerklischees wie eine Antithese zu den erwähnten romantischen Topoi wirkt.

      Auf der Weiterreise werden Eberhard und seine Freunde Zeugen der Hinrichtung ihres Bekannten Obadias Schlenk, der wegen Diebstahls gehängt wird. Wie in einer biblischen Traumvision sieht Eberhard in der folgenden Nacht Obadias auf dem Regenbogen, den der Dieb einst als unnütze „Schnurrpfeiferei der Natur“ bezeichnet hatte (IS I: 88–99), gegen den Himmel klettern. Des Regenbogens bedienen sich in dieser Vision auch die nordischen und germanischen Götter, genannt werden Thor und Heimdall (IS I: 200–201). Der Regenbogen verbindet hier also nicht nur Himmel und Erde, sondern auch heidnische und christliche Mythologie. Mit der Integration der ursprünglichen Religion seines Landes in den biblischen Kontext führt der dänische Autor in gewisser Weise LeibnizLeibniz, Gottfried Wilhelm’Leibniz, Gottfried Wilhelm Vorstellung des alles in sich aufnehmenden Weltganzen fort. Synkretistische Tendenzen verschiedener Art lassen sich im Roman immer wieder feststellen, wie noch zu zeigen sein wird.

      Obadias’ Leiche soll als anatomisches Anschauungsmaterial seziert werden, was Eberhard

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