Geliebter Schnarcher. Daniel Wilk
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Die Aufmerksamkeit wird auf das Problem gelenkt. Es soll nicht verdrängt oder ausgeschaltet werden, sondern dient als willkommener Anlass, mit dessen Hilfe man lernen kann, anders mit Störungen umzugehen. Dieser andere Umgang mit dem Problem fördert die Entspannung und das gute Miteinander. Dazu wird das Problem als Herausforderung beschrieben, für das es eine Lösung gibt. Als zusätzlicher Gewinn verbessert sich bei den meisten Beteiligten die Laune schon während der gemeinsamen spielerischen Erarbeitung alternativer Reaktionen auf das Schnarchen deutlich.
Die Teilnehmerinnen bringen den Ärger aus ihrem eigenen Schlafzimmer mit in ihr Erleben in der Gruppe und verbinden ihn dort mit dem Schnarchen anderer Teilnehmer. Aus altem Ärger entsteht ein neuer. Während in der Gruppe Lösungen gefunden werden, können diese später auch im eigenen Schlafzimmer ausprobiert werden.
Das Ziel und der Gewinn für den Leiter von Entspannungsgruppen ist es, niemanden auszuschließen, allen den bestmöglichen Lerneffekt zu bieten und das Schnarchen soweit wie möglich zu reduzieren (Win 1). Der Schnarcher verbleibt in der Gruppe (Win 2), und der Teilnehmer, der sich zuvor gestört fühlte, lernt einen anderen Umgang mit dem lauten Atmen des anderen und mit dem eigenen Ärger (Win 3).
Übertragen auf so manche häusliche Situation, wird eine Win-Win-Win-Situation in der Gruppe im besten Fall zu einer Win-Win-Situation im Schlafzimmer (das dritte »Win« spielt hier keine Rolle mehr, weil die Gruppenleiter eher selten das Geschehen im Schlafzimmer der Teilnehmerinnen begleiten werden).
Wie es zu diesem Buch kam
Das Schnarchen ist nicht nur ein Problem in so manchem Schlafzimmer, es stellt auch ein häufiges Hindernis für die Entspannung in der Gruppe dar. Sowohl für denjenigen, der dem Schnarchen eines anderen ausgesetzt ist und sich darüber ärgert, als auch für denjenigen, der schnarcht. Der Schnarcher wird oft ausgegrenzt und fürchtet deshalb die tiefe Entspannung, aus Angst, sich durch sein Schnarchen unbeliebt zu machen.
In einer Entspannungsgruppe gibt es häufig mehrere Schnarcher und noch mehr Teilnehmer, die davon gestört werden können. Ein Gruppenleiter möchte natürlich, dass sich die Menschen, die er zur Entspannung anleitet, darauf auch einlassen können. Störungen werden deshalb verhindert – soweit möglich. Menschen, die in der Entspannung schnarchen, werden oft von Gruppenleitern oder einem anderen Teilnehmer geweckt und nicht selten aufgefordert, die Gruppe zu verlassen.
Dieser Umgang mit der Störung ist nur begrenzt hilfreich. Der Schnarcher wird von der Entspannung ausgeschlossen, die anderen Teilnehmer haben von da an nicht selten Angst davor, zu tief zu entspannen, weil es ihnen dann genauso ergehen könnte, außerdem hat der Gruppenleiter einen Teilnehmer verloren und eine wenig elegante Lösung für das Problem gewählt. Es ist also eine Situation entstanden, bei der viele Beteiligte etwas verloren haben.
Auf der Suche nach konstruktiven Lösungen hat es sich als sehr erfolgreich erwiesen, mit Hilfe der Hypnotherapie spielerisch und effizient mit Störungen umgehen zu lernen. Ein paradoxer Ansatz bot sich fast von selbst an: das Schnarchen als notwendige Voraussetzung für Lernprozesse begrüßen, es sodann mit Interesse beobachten und auf diese Weise der Entspannung einen Weg zu ebnen, der frei von Ärger ist.
Um die Aufmerksamkeit der Gruppenteilnehmer, die meist stark an den Ärger gebunden ist, ausreichend zu motivieren und vielleicht auch ein wenig zu fesseln, wird ein Umgang mit Schnarchen angeboten, der sehr verschieden von normalen Lösungsversuchen ist. So könnte man beispielsweise vermuten, dass Menschen, die eine andere Sprache sprechen, auch anders schnarchen. Vielleicht ist das Schnarchen aber auch eine Form der Kommunikation des Unbewussten, mit deren Hilfe der Schläfer etwas mitteilt, das man nur dann hört, wenn man lernt, sehr genau hinzuhören, um für die Zwischentöne sensibel zu werden, auf die es wirklich ankommt. (Viele weitere Beispiele werden in Kapitel 3 ausführlich beschrieben.)
Zur Gliederung des Buches
In Kapitel 1 wird der Ärger behandelt. Es wird betrachtet, was ihn auslöst, wie wir darauf kommen, dass er unabänderlich mit dem Schnarchen – und manch anderen Anlässen – verbunden sei, und dass er von dem ihn auslösenden Problem gelöst werden kann. In Kapitel 2 werden Wege zur Problemlösung beschrieben – als Grundlage für ein paradoxes Herangehen, das in Kapitel 3 auf das Schnarchen bezogen in praktischen Beispielen dargestellt wird. Dieser paradoxe Ansatz hat sich in Gruppen als erfolgreich erwiesen und hat dort nicht nur für Heiterkeit und Akzeptanz gesorgt, sondern auch für eine geringere Störbarkeit – natürlich in unterschiedlichen Ausprägungen. (Einer meiner persönlichen Favoriten ist übrigens, das Schnarchen als wohltuende Vibration im eigenen Körper einzusetzen, um Verspannungen zu lockern oder Schmerzen wegzuvibrieren.)
Schließlich runden in Kapitel 4 Trancegeschichten das Buch ab, mit denen die Wirkungen der vorhergehenden Anregungen auf unbewussten Ebenen unterstützt werden können.
Obwohl es auch weibliche Schnarcher gibt, die in der Lautstärke manchmal schon auch mit ihren männlichen Konkurrenten mithalten können, ist die Mehrzahl der schnarchenden Mitmenschen – jedenfalls soweit ich das erlebt habe – innerhalb des männlichen Geschlechts zu finden. Um das Schreiben des Buches nicht zu kompliziert zu gestalten, gleichzeitig aber weder Männer noch Frauen zu diskriminieren – und um auch in diesem Punkt im Sinne des ganzen Buches etwas provokativ zu bleiben – bezeichne ich den Schnarcher meistens männlich und die gestörte Teilnehmerin meistens weiblich. Nicht immer wähle ich ansonsten die gebräuchliche männliche Form, um das Lesen zu vereinfachen. Ein wenig entspricht dieses Vorgehen dem Thema – mit einem Problem anders umzugehen als gewohnt. In diesem Fall, um eine Auflockerung des einen wie des anderen starren Musters zu erreichen. Irritationen sind also durchaus erwünscht.
1 Der Ärger
Muss ich mich ärgern, wenn jemand schnarcht?
Schnarchen ist eine häufige Begleiterscheinung der tiefen Entspannung. Es kann Heiterkeit auslösen oder auch Ärger, wenn jemand dadurch gestört wird. Ärger und die damit einhergehende Anspannung, Unruhe und vielleicht sogar Wut oder Verzweiflung können dann entstehen und sich im Menschen ausbreiten, wenn er selbst entspannen möchte und durch das Atemgeräusch des anderen davon abgehalten wird.
Aber nicht jeder Mensch reagiert mit Ärger. In meinen Entspannungsgruppen habe ich viele verschiedene Schnarchgeräusche und auch sehr unterschiedliche Reaktionen darauf gehört und erfahren. Am auffälligsten war Unmut, der sich in offene Aggression steigern konnte und sowohl den Schnarcher (meist, aber keineswegs immer Männer) als auch die Verärgerte (meist waren es Frauen, die sich unangenehm an das eigene Schlafzimmer erinnert fühlten) bei der Entspannung störte. Dieser Unmut war der Anlass, nach Lösungen für das Problem zu suchen, die für alle Beteiligten zu einem möglichst positiven Ergebnis führen sollten. Besonders wenn die Wut groß war und vielleicht sogar mehrere Teilnehmerinnen forderten, dass das aufzuhören habe, gerieten die schnarchenden Mitmenschen unter Druck. Sie fühlten sich schuldig, fürchteten, nicht nur aus der Entspannungsgruppe ausgeschlossen, sondern insgesamt gemieden zu werden.
Neben dem Unmut wurde seltener auch Verständnis für das Ruhebedürfnis gezeigt. Eine Teilnehmerin erinnerte sich an ihren kürzlich verstorbenen Mann. Sie äußerte traurig, dass sie sich freuen würde, wenn er noch schnarchen würde. In diesem Sinne fanden es manche