Geliebter Schnarcher. Daniel Wilk
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Geliebter Schnarcher - Daniel Wilk страница 6
Der Hinweis, dass sie durch ihre Formulierung »mein Mann schnarcht auch immer« den augenblicklich körperlich spürbaren Ärger aus der häuslichen Vergangenheit in die Gegenwart holt (in der tatsächlich nicht ihr Partner, sondern ein Fremder geschnarcht hat) und sogar auch in die Zukunft projiziert, stört bereits die Automatik, dass man eben gestört sein muss, wenn jemand schnarcht.
Diese Musterunterbrechung wird ungern sofort angenommen. Es wird »argumentiert«, dass es bisher »immer« so war, dass er also jede Nacht unerträglich geschnarcht hat, und es folglich auch in der Zukunft wieder so sein wird. Was auf Nachfragen meist auch nicht stimmt, denn er schnarchte nicht jede Nacht – jedenfalls hat sie es nicht immer gehört. Darüber hinaus störte es auch nicht jedes Mal.
Der ebenfalls das Muster störende Hinweis, dass auch andere Geräusche zu hören waren, die häufig sogar lauter als das Schnarchen waren (das Krächzen von Krähen, Stimmen auf dem Flur), wird ungern akzeptiert. Sie wurden vielleicht nicht einmal wahrgenommen, wohl aber das Atemgeräusch, selbst wenn es in dem Moment leise war, über das man sich aufregen muss, wenn man nicht einmal hier seine Ruhe hat.
Will man die nicht hinterfragte Überzeugung, dass ein jedes Schnarchen die eigene Ruhe stören muss, auflockern oder sogar auflösen, braucht es geduldige Überzeugungsarbeit, die geeignet ist, alte Muster in ihre Bestandteile zu zerlegen und durch alternative Reaktionen zu ersetzen. Neben dieser Arbeit mit dem bewussten Verstand ist die Erfahrung, dass man sich eben nicht ärgern muss, sondern sogar über das Schnarchen lachen kann, ein kaum zu übersehender Hinweis auf alternative Gefühle und Reaktionsmöglichkeiten.
Macht Ärger einen Sinn?
Das ist eine interessante Frage. Andere, den Körper ebenfalls aktivierende Gefühle haben einen leichter erkennbaren Nutzen. Angst erhöht die Aufmerksamkeit für eine Gefahr und bereitet den Körper auf eine entsprechende Antwort vor. Wut mobilisiert Energie gegen jemanden oder etwas im Körper und bereitet ihn auf Aktivität vor. Beide Gefühle bewirken im Körper eine Reaktion, die zu einer Antwort auf den Auslöser führen soll, damit sich etwas verändern kann.
Ärger dagegen führt ebenfalls zu einer Aktivierung des Körpers, die aber zunächst wenig konstruktiv in Erscheinung tritt. Ärger begleitet uns oft lange und fühlt sich nicht nur unangenehm an, sondern kann auch körperliche Schäden begünstigen, wie die Redewendung »der Ärger frisst mich noch auf« anzeigt.
Ärger kommt dann, wenn ich mich von etwas in mir oder außerhalb von mir Liegendem beeinträchtigt fühle, und führt zu körperlicher Unruhe und psychischer Anspannung. Je intensiver oder häufiger der Ärger mit der körperlichen Unruhe auftritt, desto dringlicher ist die Notwendigkeit, eine Reaktion zu entwickeln, die dazu führt, dass die (reaktive) Unruhe nicht mehr auftritt. Ärger führt zu Unwohlsein und Aggression (häufig nicht gegen den Auslöser, sondern gegen jemanden, bei dem man sich traut, weil von dort keine allzu negativen Reaktionen zu erwarten sind, und gegen sich selbst).
Angst führt im besten Fall zu Veränderungen, die in einen kompetenten und souveränen Umgang mit dem Auslöser münden, wodurch der Körper sich wieder entspannen und die Aufmerksamkeit auf andere Dinge richten kann. Wut führt häufig zu einer unmittelbaren Reaktion und verändert die Situation im guten Fall ebenfalls positiv.
Der Ärger dagegen hat selten die gleiche Energie wie die Wut und ist wie eine besonders empfindliche Stelle in uns, die mal mehr und mal weniger Aufmerksamkeit fordert, jedoch stets Energie verbraucht. Er kann als Vorläufer der Wut gesehen werden und sie mit ihrem unter Umständen gefährlichen Ausbruch verhindern, indem er eine Veränderung frühzeitig einleitet.
Ärger ist dann durchaus sinnvoll, wenn er beachtet und als Antwort eine konstruktive Reaktion eingeleitet wird.
Der Ärger darf sein
Ein erster Ansatz zur Veränderung ist es, sich selbst zu erlauben, sich ärgern zu dürfen. Dadurch fällt es leichter – oder wird überhaupt erst möglich –, nach Ursprung und Sinn des Ärgers zu suchen.
Das fällt zunächst oft schwer, aber es lohnt sich unbedingt. Schließlich ist Ärger nicht nur psychisch belastend, sondern auch körperlich unangenehm. Deshalb möchte man ihn selbst und auch seine Ursache loswerden.
Aber die Anregung, sich zu erlauben, sich zu ärgern und sogar den Ärger sich ausbreiten zu lassen – ihn dabei mit seinen Auswirkungen anzuschauen, ihm eine Gestalt und/oder eine Stimme zu geben –, kann leicht als Spott aufgefasst werden. Dadurch würde der Ärger eher noch verstärkt werden. Die Anregungen des anderen Umgangs würden nicht ernst genommen (ausführliche Erläuterung mit Beispielen s. Kapitel 2).
Es ist aber kein Spott, sondern ein Angebot, sich dem Problem von einer anderen Seite zu nähern. Da Ärger bekanntermaßen den Blick verschleiert und das Denken wesentlich einengt, sollte als Erstes diese die Kreativität einschränkende Wirkung aufgelöst werden. Das gelingt recht einfach mit der Akzeptanz des eigenen Ärgers. Kann er als einem Sinn dienend angesehen werden, fällt es leichter, sich ihm zuzuwenden und ihn nach eben diesem Sinn zu fragen. Die akzeptierende Zuwendung zum Ärger bedeutet auch die Suche nach seiner Verbindung mit dem Auslöser – da beide eng miteinander verknüpft sind.
Wird man bei dieser Suche fündig, lassen sich Lösungsansätze für das zugrundeliegende Problem entwickeln, das den Ärger auslöst. Die notwendigen Aktivitäten, um den bekannten Lösungsweg auch zu beschreiten, werden durch die Erlaubnis, sich zu ärgern, nicht mehr verhindert oder gehemmt.
Vor der Veränderung steht die Verneinung des unbedingten Zusammenhangs zwischen Problem und Ärger. Sie gehören nicht in der gleichen Weise zusammen wie Donner und Blitz oder nasser Boden und ein Regenschauer.
Dadurch dass ein nicht auflösbarer Zusammenhang zwischen dem Schnarchen und dem eigenen Ärger hergestellt wird, entstehen mehrere ungünstige Voraussetzungen für eine Veränderung:
die Schuld für die eigene Reaktion wird dem Schnarcher zugeschoben
der sich Ärgernde macht sich zum hilflosen Opfer
das selbst keine Kontrolle über die eigenen Reaktionen hat und deshalb versucht, den anderen zu beeinflussen.
Aber:
Schuld ist in Beziehungen selten ein hilfreiches Konstrukt. Eine Schuldzuweisung birgt viele ungute Gefühle mit all ihren negativen Auswirkungen auf die Beziehung und blockiert zusätzlich Ansätze für Lösungen. Gibt man dagegen den Schuldbegriff auf und betrachtet lediglich ein Geräusch auf der einen Seite, das Unruhe auf der anderen Seite zur Folge hat, fällt es leichter, auf beiden Seiten nach Änderungsmöglichkeiten zu suchen.
Hilflosigkeit bedeutet auch Passivität. Der andere soll etwas ändern, schließlich ist er der Schnarcher. »Ich bin das Opfer, mich sollte man bedauern, mir sollte man helfen.« Was aber tun, wenn keine Hilfe kommt und das Schnarchen andauert?
Die Annahme, keine Kontrolle über den eigenen Ärger zu haben, führt zu der Überzeugung, ohne Einflussmöglichkeiten zwischen den eigenen Gefühlen (Ärger, Wut, Frustration etc.) zu treiben. Wenn man diese Annahme loslässt, indem man sich seine Gefühle mit Abstand anschaut, löst sich der Blick von der eingeengten Sichtweise, und Alternativen werden sichtbar. Letztlich nimmt der Einfluss auf das Geschehen also zu.
Es ist erstaunlich, wie lange es oft dauert, bis die Teilnehmer einer Entspannungsgruppe bewusst erkennen,