Blut für Gold. Billy Remie
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Blut für Gold - Billy Remie страница 17
Darcar kam es so vor, als hätte er ihn schon einmal gesehen und da bemerkte er auch die Mühle am Ende des Kanals. Ihr großes Rad stand still, sah morsch und angefressen aus. Vielleicht war er der Junge, der ihn in der Nacht zuvor angesprochen hatte, und vor dem er geflüchtet war. Bei Tag wirkte er wenig bedrohlich, eher wie ein typischer Straßenjunge, ein Bettler, den man leicht ignorieren konnte. Nicht wie ein schattenhaftes Monster, das ihn sofort angreifen und zum Spaß quälen wollte, wie es ihm sein aufgewühlter Verstand in der Dunkelheit zuerst vorgegaukelt hatte. Nein, kein Mörder, nur ein Junge auf Rattenjagd.
Hatte er etwa vor, die Biester zu verspeisen?
Darcar durchzog ein solch großer Ekel, dass er sich innerlich schüttelte. Er wusste über Ratten nur, dass sie allerlei Krankheiten übertrugen. Für ihn kam es einem Selbstmord gleich, eines dieser Biester zu verzehren.
So verzweifelt war er nicht.
Nun ja… noch nicht.
»Das solltest du nicht trinken«, rief ihm der Junge mit honigwarmer Stimme. »Koch es vorher gut ab, sonst wirst du einer von denen.«
Von denen? Darcar hatte keine Ahnung, was er damit meinen könnte, aber er hatte bestimmt nicht vor, das Wasser einfach so zu trinken!
Böse darüber, dass der andere ihn für einen naiven Dorftrottel hielt, rappelte er sich auf und hob den Topf vom Boden.
»Darc?« Veland stand plötzlich auf der Straße hinter ihm, verloren, winzig, er hatte den Fremden bemerkt und blickte unsicher zwischen ihnen hin und her.
»Bleib, wo du bist!«, befahl Darcar ihm streng, wütend vor Sorge.
Der Fremde kam nicht näher, aber er nickte Darcar zu. »Dein Bruder?«
Darcar antwortete nicht darauf, er warf dem anderen nur einen warnenden, drohenden Blick zu, der mehr als deutlich zu verstehen gab, dass er sie ihn Ruhe lassen sollte, und bückte sich dann wieder in den Kanal, um Wasser zu schöpfen.
»Ich weiß, wer ihr seid.«
Darcar schnaubte. »Das bezweifle ich«, erwiderte er, jedoch so leise, dass er es nicht für möglich gehalten hatte, dass der andere ihn verstehen konnte.
»Ihr seid die Neuen. Das Frischfleisch. Die … von Söhne des Barons.«
Verwundert hob Darcar nun doch den Blick. Der Topf war immer noch voller Ruß und wollte beim besten Willen einfach nicht sauber werden. Darcar benötigte einen Filter, ein Baumwoll- oder Leinentuch, irgendetwas in der Art, um das Wasser zu reinigen, bevor er es abkochte. Doch die Worte des Fremden lenkten ihn vom Wasser ab, er starrte ihn verständnislos an. Man hatte sie wohl kaum angekündigt – wer sollte das schon getan haben? Und wozu?
»Woher willst du das wissen?«, gab er deshalb pampig zurück.
Der Fremde lächelte zynisch und legte dabei den Kopf schief, als wollte er sagen ›ich bitte dich!‹. Laut rief er jedoch: »Nur Frischfleisch würde bei Nacht herauskommen, statt sich zu verstecken.«
Darcar mochte es nicht, wenn jemand implizierte, dass er dumm gehandelt hatte – auch wenn diese Tatsache nicht von der Hand zu weißen war – er wurde nicht gern mit der Nase auf seine Fehler hingestoßen. »Du warst doch auch draußen!«, erinnert er sich.
Der fremde Junge grinste und entblößte eine Reihe gerader Zähne, die wie aus Marmor gemeißelt aussahen. Zu perfekt, zu gerade, wie von einem Bildhauer aus Stein gehauen, der Wert auf reine Symmetrie gelegt hatte. »Ich bin ja auch kein Frischfleisch.«
Gutes Argument, da musste Darcar kapitulieren. Er wandte sich wieder dem Topf und dem Wasser zu, kratzte noch etwas Ruß ab und beschloss dann, es zu filtern, sobald sie im Lager waren.
Da sagte der Fremde plötzlich ernst, warnend: »Ihr solltet aufpassen und euch gut verstecken. Die suchen euch!«
Erneut blickte Darcar voller Verwunderung auf und runzelte dann düster die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Dass du auf dich und den Kleinen da« - der andere Junge deutete mit dem Finger in Velands Richtung - »besonders aufpassen musst.«
Darcar schüttelte den Kopf, verwirrt, genervt. »Wer sucht nach uns?« Das ergab doch alles keinen Sinn, niemand hatte gewusst, dass sie hier landen würden. Und wer sollte schon etwas gegen sie haben? Sie hatten nichts verbrochen – und ihren Vater konnten sie nicht mehr retten.
»Na die eben.« Der Fremde ging nicht weiter darauf ein, doch er beäugte einen Moment den Topf in Darcars Händen, blickte von diesem in Darcars noch immer argwöhnendes Gesicht. Der andere schien innerlich mit etwas zu ringen, nagte an seiner Lippe und starrte flüchtig in die Ferne.
»Wollt ihr was zu trinken?«, fragte er dann, als er sich durchgerungen hatte, seine Hilfe anzubieten. »Und Essen?« Er wies auf die zwei toten Ratten, die neben seinen Füßen auf dem Floß lagen und das dunkle Holz vollbluteten. »Ist genug für alle da und mich belästigten sie für gewöhnlich nicht.«
Darcar zog es den Magen zusammen, er schluckte schwer. »Nein, danke.« Er tunkte den Topf ins eiskalte Wasser und erhob sich. »Wir brauchen keine Hilfe.«
Veland sah das anders, er rief leise tadelnd: »Aber Darc…«
»Wir brauchen keine Hilfe«, betonte er, als er zu seinem Bruder auf die Straße trat. »Komm«, flüsterte er scharf, packte V am Arm und drehte ihn herum, schob ihn vor sich her.
Natürlich wusste er, dass sie Hilfe dringend nötig hatten, doch er befürchtete, dass sie hier niemandem trauen durften. Niemandem!
*~*~*
»Warum hast du das getan?«, fragte Veland verständnislos, als sie einige Straßen weiter um eine Kurve bogen, als hätte er erst in diesem Augenblick und durch die Entfernung zu dem Fremden den Mut gefasst, den Mund aufzumachen.
»Wir konnten ihm nicht vertrauen.« Darcar achtete akribisch darauf, dass kein Tropfen kostbares Wasser über den Rand des Topfes schwappte, während er ihn mit einem Arm an die Brust gepresst transportierte.
»Woher willst du das wissen?«, zischte Veland und riss sich aus seinem Griff. »Du hast es ja nicht einmal versucht!« Er blieb stehen, und Darcar sah sich gezwungen, ebenfalls stehen zu bleiben.
Seufzend drehte er sich zu seinem kleinen Bruder um, der voll Unverständnis und Verzweiflung zu ihm aufsah, Tränen glitzerten in seinen schönen, warmen Whiskyaugen. Dieser Blick machte Darcars Gewissen unheimlich schwer.
Seufzend ließ er die Schultern hängen und sah nachsichtig auf seinen Bruder hinab. »Es tut mir leid, V. Wirklich! Ich würde ja auch lieber Hilfe annehmen, glaub mir das! Aber ich kann und werde nicht riskieren, dass dir jemand wehtut!«
»Hmpf!« Veland verschränkte die Arme vor der Brust und sah trotzig zur Seite, weiße Atemwolken verhüllten sein Gesicht.
Er war süß, wenn er schmollte. Immer schon. Darcars Herz schmolz. Diese Wirkung hatte nur sein kleiner Bruder auf ihn, konnte ihn mit seinem niedlichen Schmollmund immer