Blut für Gold. Billy Remie

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Blut für Gold - Billy Remie

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Er ging vor Veland in die Hocke, stellte behutsam den Topf ab und griff nach seinem Bruder, um ihn zu sich herum zu drehen. Sein Pullover war durch seine Körpertemperatur so wunderbar erwärmt, dass er sofort Darcars eiskalte Finger auftaute. »Sieh mich an, V…«

      Doch Veland schürzte nur die Lippen und spielte, dass er Darcar nicht hörte.

      Darcar seufzte erneut, traurig. »Bitte, sieh mich an.«

      Langsam drehte er den Kopf zu Darcar herum, die Augen viel zu hart und viel zu anklagend für einen Neunjährigen.

      »Es tut mir leid, in Ordnung? Wirklich!«, beteuerte er ihm. »Ich mache das doch nicht zum Spaß, V!«

      »Ich hätte ihm vertraut! Mich hast du nicht gefragt!«

      »Ja, weil…« …du klein und naiv bist… Doch Darcar biss sich auf die Zunge, bevor er diesen hässlichen Satz zu Ende brachte. Er stockte, atmete einmal tief durch. »Weil ich nun mal jetzt für dich verantwortlich bin, V!«, erklärte er dann und suchte in den großen, unschuldigen Augen seines Bruders nach Vergebung. Veland runzelte die Stirn, drohte tatsächlich, einzuknicken.

      »Es tut mir leid, aber ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas passiert, nur weil ich dem falschen Fremden vertraut habe!« Darcar hob eine Hand und streichelte mit dem Daumen über Velands kalte Wange. »Ich hab doch nur noch dich!«

      Veland löste die Verschränkung seiner Arme, aber sein Blick wollte noch nicht auftauen. »Was ist mit Evi, Darc? Warum ist Evi nicht bei uns?«

      »Das weißt du doch.« Darcar konnte nur flüstern, denn es schmerzte auch ihn, dass sie nicht zusammen waren, dass man sie getrennt hatte. Er vermisste den kleinen Fratz so sehr. »Evi hat es gut bei Magda! Sie… sie kümmert sich um ihn. Glaub mir, es ist das Beste für ihn!«

      Veland begann plötzlich zu schniefen und zu beben, aber nicht vor Kälte. »Ich will auch zu Magda«, weinte er, und rieb mit einer winzigen Faust sein rechtes Auge, als wollte er die Tränen mit Gewalt zurück zwingen.

      Darcar fuhr ein heißer Schmerz in die Brust. Er wollte etwas erwidern, doch die Angst und die Trauer seines Bruders machten ihn sprachlos, beinahe ohnmächtig vor Machtlosigkeit. Er zog V in seine Arme, hielt seinen Kopf fest. »Ich weiß«, flüsterte er heiser, da auch ihm die Kehle eng wurde, »ich auch, V, ich auch.«

      »Ich will nach Hause«, weinte Veland, als endlich die Angst aus ihm herausbrach. »Ich will, dass alles wieder so ist wie früher! Ich will zu Evi, ich will zu Vater und Magda! Es ist kalt und nass und ich will in unser Haus, Darc! Ich will heim!«

      »Ich weiß.« Darcar streichelte ihm den Nacken. »Es tut mir leid.« Mehr konnte er nicht sagen, es war überflüssig und wäre grausam gewesen, zu erwähnen, dass all das nicht mehr möglich war. V wusste es, sie wussten es beide. In dieser Sekunde war es nur wichtig, dass Veland sich ausweinte. Darcar würde ihn nicht belehren, ihn nicht zwingen, stark zu sein. Es hatte ihm sogar Angst gemacht, dass Veland die ganze Zeit so tapfer gewesen war. Vermutlich hatte der arme Kleine unter Schock gestanden.

      Darcar hatte seine eigene, innere Starre noch nicht überwunden, er fühlte sich noch wie gelähmt, aber für V da zu sein tat ihm gut, ließ ihn fühlen.

      Einen Moment hielten sie sich aneinander fest, mitten auf der Straße, während winzige Schneeflocken lautlos durch die Luft schwebten wie Staub, der im Lichtschein einer ansonsten dunklen Stube tanzte. Zeit und Ort hatten keine Bedeutung. Dieser Augenblick gehörte nur ihnen. Darcar wartete geduldig, bis Veland aufhörte, zu schniefen.

      »Hey!« Er nahm ihn an den Schultern und drückte ihn sacht von sich, sah ihm auf Augenhöhe ins Gesicht und stupste ihn mit einem Lächeln aufmunternd an das schmale Kinn. »Wir haben uns, in Ordnung? Und wir sind doch van Bricks! Wir schaffen das, wir lassen uns nicht unterkriegen. Richtig?«

      Veland nickte, jedoch wirkte er alles andere als überzeugt. »Richtig.«

      Zärtlich nahm Darcar das kleine Gesicht seines Bruders zwischen seine Hände und wischte mit den Daumen die feuchten Tränenspuren von der kalten Haut, bevor sie festfroren. »Solange wir uns haben, V, haben wir alles! Und ich verspreche dir, dass alles gut wird. Ich werde dafür sorgen. Wir werden Vater stolz machen!«

      »Aber er … er wird doch... niemals mehr stolz sein können«, flüsterte Veland kummerschwer.

      »Doch!«, widersprach Darcar ernst. »Er wird es wissen, Veland. Denn auch, wenn er nicht körperlich bei dir ist, ist er niemals fort. Das weißt du doch noch, oder? Menschen gehen nie gänzlich fort. Heute wird die Sonne einen neuen Lichtstrahl zu dir herabschicken, und du wirst wissen, dass es Vater ist.«

      Darcar glaubte selbst nicht an die Geschichten, die Magda sich nach dem Tod von Darcars Mutter ausgedacht hatte, doch er wusste, dass sie V geholfen hatten.

      Veland senkte den Blick, er begann zu nicken und atmete ein wenig befreiter aus. »Ich habe Hunger«, klagte er dann und suchte Darcars Blick. »Und mir ist kalt.« Er versuchte regelrecht, in seinem Pullover zu verschwinden, wie eine Schildkröte in ihren Panzer.

      Darcar nickte. »Mir auch.« Liebevoll strich er über Velands seidiges Haar. »Wir finden schon was!«

      »Ich hätte da etwas!«

      Sie fuhren zum Ende der Straße herum. Darcar gefror das Blut in den Adern, seine Nackenhaare stellten sich warnend auf. Wo kamen die denn auf einmal her? Eine Gruppe Jugendlicher, verpickelt und lumpenhaft, reihte sich in der Gasse auf. Es waren fünf. Der in der Mitte trug einen verrosteten Schürhaken, an dem eindeutig getrocknetes Blut klebte, über der Schulter, und leckte sich lasziv die rissigen Lippen.

      Darcar umklammerte Velands Arm, als er sich langsam erhob und ihn dabei so eng an seine Seite zog, dass sich nicht einmal mehr ein Lufthauch zwischen sie pressen konnte. Stolz und abweisend starrte er den Älteren entgegen. Sie waren schätzungsweise achtzehn oder neunzehn Jahre alt, vielleicht auch älter.

      »Was wollt ihr?«, fragte er unfreundlich.

      Kollektives Lachen ging durch die Gruppe, sie schlenderten lässig auf ihn zu. »Warum denn so unfreundlich?«, fragte der Redensführer und schwang den Schürhaken nach vorne, der hell auf dem Bodenpflaster klackte, als er ihn wie einen Gehstock führte. Er hatte stumpfes, braunes Haar – eher Graubraun – und dunkle, seelenlose Augen, die gefährlich funkelten. »Hab euch noch nie hier gesehen«, betonte er wie beiläufig, beinahe freundlich. »Man wird ja wohl noch seine neuen Nachbarn begrüßen dürfen, oder?«

      Darcar wich vor ihm zurück, zog Veland an sich. Eine Duftmischung aus Süße und Säure schlug ihm von der Gruppe entgegen. Ihre Mäntel waren mottenzerfressen, ihren Handschuhen fehlten die Finger, die Wollhemden unter ihren Jacken besaßen kaum noch Knöpfe und waren fleckig, ihre Hosen ebenso, ihre Stiefel schlappten wie Sandalen und ihre blasse Haut war überall gezeichnet durch Unreinheiten, Kratzer und andere Blessuren, als ob dieser Ort sie langsam von innen heraus auffressen würde. Fünf völlig unterschiedliche Gesichter – von Hager bis aufgedunsen – fixierten Darcar und Veland mit hinterhältigen Blicken. Die Luft knisterte augenblicklich.

      Darcar wich noch ein weiteres Stück zurück, dann wandte er sich an Veland, legte ihm eine Hand auf die Schulter und wartete, bis sein Bruder unsicher zu ihm aufblickte. Er schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

      »Geh«, sagte er dann zu ihm, »lauf weg und versteck dich!«

      Veland schüttelte panisch den Kopf, krallte sich an seinen Ärmel.

      Die

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