Zwei Städte. Charles Dickens

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Wenn Sie z. B. jetzt gütigst sagen wollten, wie viel neun mal neun Pence sind oder wieviel Schillinge zwanzig Guineen geben, so würde das für mich sehr erfreulich sein. Ich würde dann viel ruhiger sein über Ihren Gemüthszustand.“

      Ohne unmittelbar diese Ansprache zu beantworten, saß sie so still, als er sie sehr sanft aufgehoben hatte, und die Hände, welche immer noch krampfhaft die seinigen umklammerten, zitterten so viel weniger, als vorhin, daß sich Mr. Jarvis Lorry etwas beruhigter fühlte.

      „So ist’s recht, so ist’s recht. Muth! Geschäft! Sie haben ein Geschäft zu verrichten; ein nützliches Geschäft. Miß Manette, Ihre Mutter machte das so mit Ihnen. Und als sie starb — ich glaube an gebrochenem Herzen — nachdem sie nie müde geworden war, ihre vergeblichen Nachforschungen nach Ihrem Vater fortzusetzen, ließ sie Sie, ein zweijähriges Kind, zurück, daß Sie zu einer blühenden, schönen und glücklichen Jungfrau heranwüchsen, ohne die düstere Sorge, in beständiger Ungewißheit zu leben, ob Ihr Vater bald im Gefängniß verkümmerte oder lange, lange Jahre traurig dahinsiechte.“

      Wie er diese Worte sprach, blickte er mit bewunderndem Mitleid auf das reiche, goldene Haar herab, als ob er bei sich dächte, daß es schon mit Grau durchzogen sein könnte. „Sie wissen, daß Ihre Eltern nicht sehr reich waren und daß das, was sie hatten, Ihrer Mutter und Ihnen gesichert wurde. Geld oder anderes Vermögen ist nicht entdeckt worden, aber —“

      Er fühlte, daß die Händchen sich krampfhafter schlossen und hielt inne. Der Ausdruck auf der Stirn, der seine Aufmerksamkeit so sehr auf sich gezogen hatte, hatte sich zu einem Ausdruck der Seelenqual und des Schreckens vertieft.

      „Aber er — er ist gefunden worden. Er lebt. Sehr verändert, wie nur zu wahrscheinlich ist; möglicherweise nur ein traurigster Rest von dem, was er war, obgleich wir das Beste hoffen wollen. Aber er lebt doch noch. Ihr Vater hat eine Zuflucht in dem Hause eines alten Dieners in Paris gefunden und dorthin gehen wir: ich, um ihn womöglich zu identificiren; Sie, um ihn dem Leben, der Liebe, der häuslichen Pflege und dem häuslichen Glück wiederzugeben.“

      Ein Schauer überlief ihren Körper und ging auf ihn über. Sie sagte mit leiser, deutlicher, von feierlichem Grauen gedämpfter Stimme, als ob sie es in einem Traume sagte:

      „Ich soll seinen Geist sehen! Es wird sein Geist sein — nicht er selbst!“

      Mr. Lorry rieb in stiller Fassung die Hände, welche sich an seinen Arm klammerten. „So, so! Nur ruhig, nur ruhig! Sie wissen jetzt das Beste und das Schlimmste. Sie sind unterwegs zu dem armen Dulder und bei glücklicher See- und Landreise werden Sie bald an seiner geliebten Seite sein.“

      Sie wiederholte mit derselben, von feierlichem Grauen gedämpften Stimme. „Ich bin frei, ich bin glücklich gewesen, aber sein Geist hat mich nie heimgesucht!“

      „Nur noch Eins,“ sagte Mr. Lorry, mit besonderem Nachdruck, um damit in wohlthuender Weise ihre Aufmerksamkeit auf etwas Anderes zu lenken; „man hat ihn unter einem andern Namen gefunden; sein eigener ist seit langer Zeit vergessen oder verborgen gehalten worden. Es wäre schlimmer als nutzlos, danach zu forschen; schlimmer als nutzlos, zu fragen, ob er selbst seit Jahren vergessen oder absichtlich als Gefangener festgehalten wurde. Es wäre schlimmer als nutzlos, jetzt überhaupt Nachforschungen anzustellen, weil es gefährlich wäre. Besser kein Wort weiter von der Sache zu sagen und ihn wenigstens auf einige Zeit aus Frankreich zu entfernen. Selbst ich, so sicher ich als ein Engländer bin und selbst Tellsons, so wichtig sie für den französischen Credit sind, vermeiden, die Sache nur mit Einem Worte zu erwähnen. Ich habe auch kein Zettelchen Schriftliches, was sich darauf bezieht, bei mir. Es ist ganz und gar eine Sendung im geheimen Dienst. Meine Beglaubigungsschreiben, Notizen und Aufzeichnungen sind alle in der Einen Zeile zusammengefaßt „Wiederauferstanden“; was sonst wer weiß was sagen kann. Aber was ist das! Sie hört kein Wort! Miß Manette!“

      Ganz regungslos und stumm und nicht einmal in ihren Stuhl zurückgesunken saß sie gänzlich gefühllos da, mit offenen und auf ihn gehefteten Augen und mit dem letzten Ausdruck auf ihrer Stirn wie eingeschnitten, oder wie eingebrannt. So krampfhaft hielt sie noch seinen Arm umklammert, daß er aus Furcht, ihr wehe zu thun, gar nicht wagte, sich von ihr los zu machen; deshalb rief er, ohne sich zu bewegen, laut um Hülfe.

      Eine wild aussehende Frau, von der Mr. Lorry sogar in seiner Aufregung bemerkte, daß sie über und über roth war und rothes Haar hatte, und nach einer merkwürdigen, knapp anliegenden Mode gekleidet war und auf ihrem Kopf einen höchst wunderbaren Hut hatte, ungefähr von der Form eines hölzernen Metzenmaßes, oder eines großen Stiltonkäses, kam der Bedienung des Wirthshauses ein gut Stück voraus in das Zimmer gelaufen und schlichtete bald die Frage seiner Loslösung von der armen jungen Dame dadurch, daß sie eine muskulöse, sonnenverbrannte Hand auf seine Brust legte und ihn mit einem Schub an die nächste Wand warf.

      („Ich denke wirklich, das muß ein Mann sein!“ sagte Mr. Lorry athemlos bei sich, während er an die Wand flog.)

      „Wo habt ihr denn die Augen!“ herrschte diese Gestalt die Bedienung des Gasthauses an. „Warum lauft ihr nicht und holt das Nöthige, anstatt hier zu stehen und mich anzustarren? Ich bin doch nichts so Merkwürdiges? Warum lauft ihr nicht und holt, was nöthig ist? Ihr sollt es schon kriegen, wenn ihr nicht auf der Stelle Riechsalz, kaltes Wasser und Essig bringt, und rasch!“

      Sofort zerstreute sich die Dienerschaft, um diese Wiederbelebungsmittel herbeizuschaffen und sie legte sanft die Kranke auf ein Sopha und behandelte sie mit großer Geschicklichkeit und Zärtlichkeit. Sie nannte sie nur „mein Schäfchen!“ und „mein Täubchen!“ und breitete mit großem Stolz und großer Sorglichkeit ihr goldnes Haar auf ihren Schultern aus.

      „Und Sie Brauner da!“ sagte sie, sich voller Zorn gegen Mr. Lorry wendend; „konnten Sie ihr nicht, was Sie ihr zu sagen hatten, sagen, ohne sie zum Tod zu erschrecken? Sehen Sie sie nur an, mit ihrem hübschen blassen Gesichtchen und ihren kalten Händen. Nennen Sie das ein Banquier sein?“

      Mr. Lorry kam so ganz außer Fassung durch eine so schwierig zu beantwortende Frage, daß er nur von Weitem mit viel schwächerer Theilnahme und Demuth zusehen konnte, während die starke Frau, nachdem sie die Dienerschaft des Gasthauses durch die geheimnißvolle Androhung „es sie kriegen zu lassen,“ wenn sie neugierig und unthätig dablieben, davongescheucht hatte, durch ihre geschickten Bemühungen die Jungfrau nach und nach wieder zu sich brachte und zuletzt liebkosend ihr mattes Haupt an ihren Busen legte.

      „Ich hoffe, sie wird sich jetzt erholen,“ sagte Mr. Lorry.

      „Sie Braunem hat sie’s nicht zu danken, wenn sie sich wieder erholt. Mein Herzensschatz!“

      „Ich hoffe,“ sagte Mr. Lorry, nach einer neuen Pause schwacher Theilnahme und Demuth, „daß Sie Miß Manette nach Frankreich begleiten?“

      „Sehr wahrscheinlich, nicht wahr?“ entgegnete die starke Frau. „Wenn es jemals beabsichtigt gewesen wäre, daß ich über’s Salzwasser gehen sollte, glauben Sie dann, daß die Vorsehung mir meine Heimath auf einer Insel angewiesen hätte?“

      Da dies eine andere schwer zu beantwortende Frage war, so zog sich Mr. Jarvis Lorry zurück, um sie sich zu überlegen.

       Der Weinschank.

      Ein großes Faß Wein war auf die Straße gefallen und geplatzt. Der Unfall war beim Abladen geschehen; das Faß war mit großer Raschheit heruntergerollt, die Reifen waren gesprungen und es lag auf dem Pflaster, unmittelbar vor der Thür des Weinschanks, zertrümmert wie eine zerknackte Nuß.

      Alle Leute der Nachbarschaft

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