Zwei Städte. Charles Dickens

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zwei Städte - Charles Dickens страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Zwei Städte - Charles Dickens

Скачать книгу

er allein?“ flüsterte Letzterer.

      „Allein! Gott helfe ihm, wer sollte bei ihm sein?“ entgegnete der Andere in demselben gedämpften Tone.

      „Er ist also immer allein?“

      „Ja.“

      „Nach eigenem Wunsch?“

      „Aus eigener Nothwendigkeit. Wie er damals war, als ich ihn zuerst sah, nachdem sie mich aufgefunden und gefragt hatten, ob ich ihn zu mir nehmen und auf meine Gefahr verschwiegen sein wollte — so ist er jetzt noch.“

      „Hat er sich sehr verändert?“

      „Verändert!“

      Der Weinwirth blieb stehen, um mit der Hand an die Mauer zu schlagen und einen fürchterlichen Fluch auszusprechen. Eine directe Antwort hätte nicht denselben Eindruck gemacht. Mr. Lorry’s Gemüth fühlte sich immer gedrückter, wie er und seine beiden Gefährten höher und höher stiegen.

      Eine solche Treppe mit ihren Beigaben in dem ältern und stärker bevölkerten Theile von Paris wäre jetzt schlimm genug; aber damals war sie für ungewohnte und nicht abgehärtete Sinne geradezu abscheulich. Jede kleine Wohnung in diesem großen schmutzstrotzenden Haufen von einer hohen Gebäudemasse — das will sagen, das Zimmer oder die Zimmer innerhalb jeder Thür, die sich auf die allgemeine Treppe öffnete — ließ ihrem eigenen Kehrichthaufen auf ihren eigenen Treppen Platz, außer daß sie noch andern Kehricht zum Fenster hinauswarfen. Die dadurch erzeugte, gar nicht mehr zu beherrschende und hoffnungslose Fäulnißmasse hätte die Luft verpestet, selbst wenn Armuth und Entbehrung sie nicht mit ihren unfaßbaren Unreinigkeiten erfüllt hätten; diese beiden bösen Quellen im Verein machten sie fast unerträglich. Durch eine solche Atmosphäre, einen steilen, dunklen Schacht voll Schmutz und Gift hinauf, führte der Weg. Seiner eigenen und seiner jungen Gefährtin Aufregung nachgebend, die mit jedem Augenblicke größer wurde, machte Mr. Jarvis Lorry zweimal Halt, um zu rasten. Bei jedem dieser Ruhepunkte öffnete sich ein enges Fenstergitter, durch welches die wenigen guten Lüfte, die vielleicht noch unverdorben vorhanden waren, zu entweichen und alle verdorbenen und garstigen Dünste hereinzuschleichen schienen. Zwischen den verrosteten Stäben konnte man in einzelnen Streifen den Anblick der in wüster Unordnung übereinandergehäuften Gebäude erhaschen; und Nichts im Bereich des Auges, das näher oder tiefer war, als die Spitzen der beiden großen Thürme von Notredame, verrieth eine Spur von gesundem Leben oder gedeihlicher Zukunft.

      Endlich war die letzte Stufe der Treppe erreicht und sie ruhten zum dritten Male aus. Noch eine Treppe, die noch steiler und schmäler war, mußte erstiegen werden, ehe sie das Dachgeschoß erreichten. Der Weinwirth, der immer ein Wenig vorausging, und immer auf der Seite, wo sich Mr. Lorry befand, als ob er fürchtete, daß die junge Dame eine Frage an ihn richten möchte, drehte sich hier um, fühlte in den Taschen des Rockes herum, den er über die Achsel geworfen hatte, und brachte einen Schlüssel heraus.

      „Die Thür ist also verschlossen, Freund?“ sagte Mr. Lorry überrascht.

      „Jawohl“, war die bitterernste Antwort Monsieur Defarge’s.

      „Sie halten es für nothwendig, den Unglücklichen so einsam zu lassen?“

      „Ich halte es für nothwendig, ihn einzuschließen.“ Monsieur Defarge flüsterte es ihm, sich dichter an ihn andrängend, ins Ohr und zog finster drohend die Stirne zusammen.

      „Warum?“

      „Warum! Weil er so lange eingeschlossen gelebt hat, daß er sich fürchten — wüthen — sich in Stücke zerreißen — sterben — ich weiß nicht, zu welchem Schaden kommen würde — wenn man seine Thür aufließe.“

      „Ist es möglich?“ rief Mr. Lorry aus.

      „Ist es möglich?“ wiederholte Defarge mit Bitterkeit. „Ja, und in einer schönen Welt leben wir, wenn es möglich ist und wenn viele andere solche Dinge nicht nur möglich sind, sondern auch geschehen — wirklich geschehen! — Unter diesem Himmel, und zwar jeden Tag. Lange lebe der Teufel! Vorwärts!“

      Dieses Zwiegespräch war in so leisem Flüstern gehalten worden, daß kein Wort davon das Ohr der jungen Dame erreicht hatte. Aber sie zitterte jetzt von so starker Aufregung, und auf ihrem Gesicht drückte sich so tiefe Seelenangst aus und vor Allem solches Grauen und Entsetzen, daß Mr. Lorry sich verpflichtet fühlte, ihr mit ein paar Worten Beruhigung zuzusprechen.

      „Muth, liebe Miß! Muth! Geschäft! Das Schlimmste wird in einem Augenblick vorbei sein. Wir brauchen blos die Zimmerthür hinter uns zu haben und das Schlimmste ist vorbei. Dann fängt alles Gute, aller Trost, alles Glück an, das Sie ihm bringen. Unser guter Freund hier wird Sie auf der andern Seite unterstützen. So ist’s recht, Freund Defarge. Nun vorwärts. Geschäft! Geschäft!“

      Sie stiegen langsam und vorsichtig hinauf. Die Treppe war kurz und sie waren bald auf der letzten Stufe. Weil sie sich dort kurz wendete, standen sie auf einmal vor drei Männern, deren Köpfe dicht nebeneinander an eine Thür herabgebeugt waren und die durch ein paar Spalten oder Löcher in der Wand mit gespannter Aufmerksamkeit in das Zimmer blickten, zu welchem die Thür gehörte. Als sie dicht hinter sich Fußtritte vernahmen, drehten sich die Drei um, richteten sich auf und ließen sich als die drei Gäste Eines Namens erkennen, die unten im Weinschank getrunken hatten.

      „Ueber der Ueberraschung Ihres Besuches habe ich sie ganz vergessen“, erklärte Monsieur Defarge. „Geht jetzt, Ihr guten Freunde, wir haben Geschäfte hier.“

      Die Drei glitten an ihnen vorüber und gingen still hinunter.

      Da keine andere Thür auf diesem Flur zu erblicken war und der Besitzer der Weinschenke gerade auf diese eine zuging, als sie wieder allein waren, fragte ihn Mr. Lorry halblaut mit einiger Schärfe:

      „Lassen Sie Monsieur Manette wie eine Merkwürdigkeit sehen?“

      „Ich zeige ihn in der Weise, wie Sie gesehen haben, einigen wenigen Auserwählten.“

      „Ist das gut?“

      „Ich glaube, es ist gut.“

      „Wer sind die Wenigen? Wie wählen Sie sie aus?“

      „Ich wähle sie als echte Männer meines Namens — Jacques ist mein Name —, denen das Schauspiel wahrscheinlich nützlich sein wird. Genug; Sie sind Engländer; das ist etwas Anderes. Warten Sie gefälligst hier einen Augenblick.“

      Mit einer sie zum Zurückbleiben mahnenden Geberde bückte er sich und guckte durch einen Spalt in der Mauer. Bald richtete er sich wieder auf und schlug zwei- oder dreimal an die Thür — offenbar zu keinem andern Zweck, als ein Geräusch zu machen. In derselben Absicht strich er drei- oder viermal mit dem Schlüssel darüber, ehe er ihn mit derber Hand in das Schloß stieß und so geräuschvoll als möglich umdrehte.

      Die Thür ging langsam nach innen auf, er blickte in das Zimmer hinein und sagte Etwas. Eine schwache Stimme gab eine Antwort zurück. Wenig mehr als eine einzige Silbe konnte von beiden Seiten gesprochen worden sein.

      Er blickte über die Achsel zurück und winkte den beiden Anderen, einzutreten. Mr. Lorry umschlang die Tochter fest mit seinen Armen und hielt sie; denn er fühlte, daß sie zusammensinken werde.

      „Eh — Eh — Eh — Geschäft — Geschäft!“ sprach er ihr zu, mit einer Feuchtigkeit auf den Wangen, die durchaus nicht geschäftsmäßig war. „Treten Sie ein, treten

Скачать книгу