Die Bauern. Anton Tschechow

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Die Bauern - Anton Tschechow

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liebe Olja, ich kann nicht mehr. Es geht über meine Kraft. Um Gottes willen, um Christi willen, schreib deiner Schwester Klawdija Abramowna, sie möchte alles, was sie hat, verkaufen oder versetzen und uns das Geld schicken, und wir gehen von hier weg. Mein Gott!« fuhr er traurig fort: »ach, wenn ich doch nur einen einzigen Blick auf Moskau werfen könnte! Wenn es mir wenigstens im Traum erscheinen wollte!«

      Als aber der Abend anbrach und es in der Stube finster wurde, wurde es allen so trübe zumute, daß niemand mehr sprechen konnte. Die böse Großmutter weichte sich einige Brotrinden in Wasser auf und sog an ihnen lange, eine ganze Stunde. Marja molk die Kuh und brachte den Eimer mit der Milch in die Stube; die Großmutter goss lange, ohne Übereilung die Milch aus dem Eimer in die Krüge um und schien sehr zufrieden, daß heute, am Fasttage vor Mariä Himmelfahrt niemand die Milch anrühren und so der ganze Vorrat bleiben würde. Nur ein klein wenig tat sie in eine Untertasse auf die Seite für Fjoklas Jüngstes. Als sie und Marja die Milchkrüge in den Keller hinuntertrugen, fuhr Motjka plötzlich auf, sprang vom Ofen herunter, ging zur Bank, wo die Holzschale mit den Brotrinden stand, und tat etwas Milch aus der Untertasse hinein.

      Die Großmutter kam zurück und machte sich wieder an ihre Brotrinden; Sascha und Motjka sahen ihr vom Ofen herab zu und freuten sich, daß sie den Fasttag verletzte und nun ganz gewiß in die Hölle kommen würde. So trösteten sie sich und legten sich schlafen. Sascha stellte sich im Einschlafen das Jüngste Gericht vor: es brannte ein großer Ofen, einem Töpferofen ähnlich, und ein schwarzer Teufel mit Kuhhörnern trieb die Großmutter mit einem Stecken ins Feuer, genau so wie sie vorhin die Gänse getrieben hatte.

      5

      Am Tage Mariä Himmelfahrt, gegen elf Uhr abends erhoben die Mädchen und Burschen, die unten auf der Wiese spazierten, plötzlich ein Geschrei und rannten ins Dorf hinauf; diejenigen aber, die oben am Rande des Abhanges saßen, konnten im ersten Augenblick gar nicht verstehen, was los war.

      »Es brennt! Es brennt!« schrie man unten verzweifelt: »Das Dorf brennt!«

      Die oben saßen, sahen sich um und erblickten ein schreckliches, ungewöhnliches Bild. Auf dem Strohdache eines der letzten Häuser stand eine Feuersäule, einen Klafter hoch, und warf wie eine Fontäne nach allen Seiten Funken um sich. Gleich darauf brannte auch das ganze Dach lichterloh, und man hörte deutlich das Knistern des Feuers.

      Der Mondschein verdunkelte sich, und das ganze Dorf war von einem roten, zitternden Licht übergossen; über die Erde huschten schwarze Schatten, und es roch nach Gebranntem; die von unten gelaufen kamen, waren ganz atemlos, zitterten so, daß sie kein Wort aussprechen konnten, stießen sich an, fielen hin und waren vom grellen Licht so geblendet, daß sie einander nicht erkannten. Allen war es unheimlich zumute. Einen besonders unheimlichen Eindruck machte es, daß im Rauche über dem Feuer die Tauben herumflogen und daß die Leute im Wirtshause, die von der Feuersbrunst noch nichts wußten, noch immer sangen und Ziehharmonika spielten, als ob nichts los wäre.

      »Beim Onkel Ssemjon brennt's!« rief eine laute, raue Stimme.

      Marja lief weinend, händeringend, vor Angst mit den Zähnen klappernd, vor ihrem Hause hin und her, obwohl die Feuersbrunst weit entfernt, am anderen Ende des Dorfes war; Nikolai kam in seinen Filzstiefeln heraus, auch die Kinder in ihren Hemdchen. Beim Hause des Schulzen begann man auf ein eisernes Brett zu schlagen. Bim, bim, bim ... zog es durch die Luft, und dieses unaufhörliche, schnelle Läuten ließ alle Herzen sich zusammenkrampfen und erkalten. Die alten Weiber standen mit den Heiligenbildern vor ihren Häusern. Man trieb die Schafe, Kälber und Kühe aus den Ställen auf die Straße und trug die Koffer, Schafpelze und allerlei Hausgerät hinaus. Der Rapphengst, den man nicht zu den anderen Pferden ließ, weil er immer ausschlug und die anderen verwundete, rannte wiehernd zweimal durchs Dorf, blieb plötzlich vor einem Wagen stehen und begann ihn mit den Hinterbeinen zu bearbeiten.

      Auch in der Kirche drüben begann man zu läuten.

      In der Nähe des brennenden Hauses war es heiß und so hell, daß man jeden Grashalm auf dem Boden unterscheiden konnte. Auf einem der Koffer, die man gerettet hatte, saß Ssemjon, ein rothaariger Bauer mit großer Nase, in kurzem städtischen Röckchen und einer tief über die Ohren gestülpten Mütze; seine Frau lag ohnmächtig mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und stöhnte. Ein wohl achtzigjähriger, kleiner Greis mit großem Bart, der hier fremd war, aber irgendeine Beziehung zu der Feuersbrunst zu haben schien, ging ohne Mütze, mit einem weißen Bündel in der Hand, auf und ab; in seiner Glatze spiegelte sich das Feuer. Der Dorfälteste, Antip Ssedjelnikow, schwarzhaarig und braun wie ein Zigeuner, kam mit einer Axt vor das Haus, schlug, ohne ersichtlichen Grund, alle Fenster ein und begann dann auf die Treppe einzuhauen.

      »Weiber, Weiber her!« schrie er. »Die Maschine her! Rührt euch!«

      Die gleichen Bauern, die sich soeben im Wirtshause vergnügt hatten, schleppten die Feuerspritze herbei. Alle waren betrunken, stolperten und fielen hin, alle blickten hilflos drein und hatten Tränen in den Augen.

      »Mädels, Wasser!« schrie der Schulze, der auch betrunken war. »Rührt euch, Mädels!«

      Die Frauen und die Mädchen liefen hinunter zur Quelle, schleppten volle Eimer und Bottiche hinauf, gossen das Wasser in die Spritze und liefen wieder fort. Auch Olga, Marja, Sascha und Motjka halfen mit. An der Spritze arbeiteten Weiber und Jungen, der Schlauch zischte, der Schulze richtete den Strahl bald auf die Türe, bald auf die Fenster und drückte zuweilen den Finger auf die Mündung, und der Schlauch zischte dann noch lauter.

      »Gut so, Antip!« ermunterte man ihn: »Gib dir Mühe!«

      Antip stürzte sich in den schon von den Flammen ergriffenen Hausflur und schrie von dort:

      »Pumpt! Gebt euch Mühe, ihr Rechtgläubigen, anläßlich eines solchen Unglücksfalles!«

      Die Bauern drängten sich vor dem Hause, rührten keinen Finger und sahen ins Feuer. Niemand wußte, was anzufangen, niemand konnte etwas, in der Nähe gab es aber Getreideschober, Scheunen und Haufen Heu und Reisig. Auch Kirjak und der alte Ossip, sein Vater, standen, beide angeheitert, dabei. Um zu zeigen, daß er doch nicht ganz teilnahmslos sei, redete der Alte der Frau, die auf dem Boden lag, zu:

      »Was grämst du dich so, Gevatterin? Das Haus ist doch versichert, brauchst dich nicht zu sorgen! ...«

      Ssemjon wandte sich bald an den einen, bald an den anderen und erzählte, wie die Feuersbrunst angefangen hatte:

      »Dieser alte Mann mit dem Bündel war mal leibeigener Koch beim General Schukow, Gott hab ihn selig. Kommt abends zu mir und bittet: ›Laß mich bei dir übernachten ...‹ Nun, wir tranken je ein Gläschen, wie es so geht ... Meine Alte setzte den Samowar auf, um den alten Mann mit Tee zu bewirten, und ließ den Samowar zur unglücklichen Stunde im Hausflur stehen. Die Funken flogen aus dem Rohr direkt aufs Dach, und so fing das Feuer an. Um ein Haar wären wir selbst verbrannt. Dem Alten ist die Mütze verbrannt, dieser Jammer!«

      Man schlug noch immer auf das eiserne Brett, und auch drüben hörte das Sturmläuten gar nicht auf. Olga blickte entsetzt die roten Schafe und die rosa Tauben an, die im Rauche herumflogen, und lief atemlos herauf und hinunter. Es war ihr, als hätte dieses Läuten ihr Herz durchbohrt, als würde diese Feuersbrunst niemals aufhören, als hätte sie ihre Sascha verloren ... Und als im brennenden Hause krachend die Decke einstürzte, wurde sie vor dem Gedanken, daß nun das ganze Dorf niederbrennen würde, ganz schwach; sie konnte kein Wasser mehr schleppen, setzte sich am Rande des Abhanges und stellte die beiden Eimer neben sich. Neben ihr und tiefer saßen andere Weiber und jammerten wie im Hause eines Verstorbenen.

      Da kamen aber vom Gute am anderen Ufer Arbeiter und Angestellte in zwei Wagen gefahren und brachten ihre eigene

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