Die Bauern. Anton Tschechow
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»Warum zerstören!« klang es aus der Menge unzufrieden. »Laßt es nicht zu!«
Kirjak ging entschlossen auf das Haus zu, als wollte er die Fremden hindern, das Haus zu demolieren, aber einer der Arbeiter drehte ihn um und schlug ihn auf den Nacken. Viele lachten, und der Arbeiter versetzte ihm noch einen Schlag. Kirjak fiel hin und kroch auf allen Vieren zurück.
Von drüben kamen auch zwei hübsche junge Mädchen in Hüten, offenbar die Schwestern des Studenten. Sie standen in einiger Entfernung und sahen zu. Die auseinandergenommenen Balken brannten nicht mehr, aber rauchten noch; der Student, der mit dem Schlauch arbeitete, richtete den Strahl bald auf diese Balken, bald auf die Bauern, bald auf die Weiber, die das Wasser herbeischleppten.
»George!« riefen ihm die jungen Mädchen vorwurfsvoll und besorgt zu: »George!«
Die Feuersbrunst war zu Ende. Als die Leute auseinandergingen, merkten sie, daß schon der Morgen dämmerte und daß alle Gesichter ungewöhnlich bleich und leicht gebräunt erschienen; so kommt es einem immer am frühen Morgen vor, wenn am Himmel die letzten Sterne erlöschen. Die Bauern lachten und machten Witze über den Koch des Generals Schukow und über seine verbrannte Mütze; sie faßten das ganze schon als eine Unterhaltung auf, und es tat ihnen beinahe leid, daß die Feuersbrunst so schnell zu Ende war.
»Sie haben gut gelöscht, Herr!« sagte Olga zum Studenten. »Sie sollten zu uns nach Moskau kommen: da ist wohl jeden Tag eine Feuersbrunst.«
»Sind Sie denn aus Moskau?« fragte eines der jungen Mädchen.
»Gewiß. Mein Mann war im Slawischen Bazar angestellt. Und das ist meine Tochter,« sagte sie, auf Sascha zeigend, welche fror und sich an die Mutter schmiegte. »Ist auch eine Moskauerin.«
Die beiden jungen Mädchen sagten dem Studenten etwas auf Französisch, und dieser reichte Sascha ein Zwanzigkopekenstück. Als der alte Ossip es sah, leuchtete in seinem Gesicht eine Hoffnung auf.
»Man muß Gott danken, Euer Hochwohlgeboren, daß kein Wind war,« sagte er, sich an den Studenten wendend, »sonst wären wir alle in einer Stunde verbrannt. Euer Hochwohlgeboren, liebe gnädige Herrschaften,« fügte er verlegen, etwas leiser hinzu, »der Morgen ist so kalt, und ich möchte mich gerne wärmen ... wenn Euer Gnaden mir für eine halbe Flasche spendieren wollten ...«
Man gab ihm nichts. Er räusperte sich und ging langsam nach Hause. Olga stand am Abhang und sah, wie die beiden Wagen durch den Fluß heimfuhren und wie die Herrschaften über die Wiese zur Equipage gingen, die sie am anderen Ufer erwartete. Nach Hause zurückgekehrt, erzählte sie ihrem Mann entzückt:
»So vornehm! Und so hübsch! Und die Fräuleins sind wie die Engel Gottes!«
»Zerspringen sollen sie!« versetzte die verschlafene Fjokla gehässig.
6
Marja hielt sich für unglücklich und sagte oft, daß sie sterben möchte; Fjokla dagegen fand an diesem Leben Geschmack: die Armut, der Schmutz, das unaufhörliche Fluchen gefielen ihr gut. Sie aß alles, was man ihr gab, schlief, wo es sich gerade traf, goss das Schmutzwasser dicht vor der Haustüre aus und ging mit bloßen Füßen durch jede Pfütze. Gleich vom ersten Tage an fing sie Nikolai und Olga zu hassen an, weil ihnen dieses Leben nicht gefiel.
»Will mal sehen, was ihr hier fressen werdet, ihr Moskauer Edelleute!« sagte sie schadenfroh. »Das möchte ich sehen!«
Eines Morgens – es war Anfang September – brachte Fjokla zwei Eimer Wasser von unten herauf; als sie rosig vor Kälte, hübsch und kräftig in die Stube trat, saßen Marja und Olga am Tisch und tranken Tee.
»Wohl bekomm's euch!« versetzte Fjokla spöttisch. »Diese vornehmen Damen,« fügte sie hinzu, die Eimer auf den Boden absetzend: »eine neue Mode haben sie eingeführt, jeden Tag Tee zu trinken. Daß ihr vom Teetrinken nur nicht zerspringt!« fuhr sie fort, Olga mit Haß anblickend. »Was die in Moskau für Fett angesetzt hat!«
Sie holte mit dem Tragjoch aus und traf Olga auf die Schulter; die beiden Schwägerinnen schlugen die Hände zusammen und sagten nur:
»Ach, mein Gott!«
Fjokla ging darauf zum Fluß, Wäsche zu spülen, und fluchte unterwegs so laut, daß man im Hause jedes Wort hören konnte.
So verging der Tag. Ein langer Herbstabend brach an. Die ganze Familie war in der Stube versammelt und haspelte Seide; alle waren mit der Arbeit beschäftigt bis auf Fjokla: sie war wieder aufs andere Ufer gegangen. Die Seide holten sie sich von der nahen Fabrik, und die ganze Familie verdiente mit der Arbeit an die zwanzig Kopeken die Woche.
»Als wir noch den Gutsherren gehörten, hatten wir es viel besser,« sagte der Alte bei der Arbeit. »Wir konnten arbeiten, essen und schlafen, alles zu seiner Stunde. Zum Mittag gab es Kohlsuppe und Grütze, und zum Abendessen wieder Kohlsuppe und Grütze. Gurken und Kraut hatte man, so viel man wollte. Auch die Sitten waren damals viel strenger. Ein jeder paßte selbst auf sich auf.«
Das einzige trübe Lämpchen, das in der Stube brannte, qualmte. Wenn sich jemand vor das Lämpchen stellte und auf das Fenster ein großer Schatten fiel, konnte man das grelle Mondlicht sehen. Der alte Ossip erzählte bedächtig, wie man in dieser Gegend, wo das Leben jetzt so langweilig und armselig war, zur Zeit der Leibeigenschaft gelebt hatte: wie man Treibjagden veranstaltete und die Bauern, welche mithalfen, mit Schnaps traktierte; wie man ganze Wagen mit geschlachtetem Geflügel den jungen Herrschaften nach Moskau schickte, wie man die Bösen mit Ruten züchtigte oder auf ein anderes Gut verschickte, die Guten aber belohnte. Auch die Großmutter erzählte manches. Sie konnte sich an alles erstaunlich gut erinnern. Sie erzählte von ihrer Herrin, einer guten und gottesfürchtigen Frau, deren Mann ein Trinker und Lüstling war und deren sämtliche Töchter unglücklich heirateten: die eine bekam einen Säufer, die andere einen gewöhnlichen Kleinbürger, die dritte aber wurde entführt (die Großmutter selbst, die damals jung war, hatte bei der Entführung mitgeholfen); und alle drei starben bald aus Gram, ebenso wie ihre Mutter. Als die Großmutter diese Erinnerungen auffrischte, vergoß sie sogar einige Tränen.
Plötzlich klopfte jemand an die Türe, und alle fuhren zusammen.
»Onkel Ossip, laß mich übernachten!«
Ein kleiner kahlköpfiger Greis, der Koch des Generals Schukow, derselbe, dem bei der Feuersbrunst die Mütze verbrannt war, trat in die Stube. Er setzte sich hin, hörte zu und gab auch einige von seinen eigenen Erinnerungen zum besten. Nikolai ließ die Beine vom Ofen herunterhängen und fragte den Alten nach den Gerichten aus, die man vor Zeiten zu kochen pflegte. Man sprach von Klops, Koteletts, verschiedenen Suppen und Saucen, und der Koch, der auch ein gutes Gedächtnis hatte, nannte Speisen, die es nicht mehr gab; so hat es zum Beispiel ein Gericht gegeben, das aus Ochsenaugen bereitet wurde und »Erwachen am Morgen« hieß.
»Verstand man damals Koteletts à la Marechal zu machen?« fragte Nikolai.
»Nein.«
Nikolai schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und sagte:
»Das sind mir schöne Köche!«
Die Mädchen saßen und lagen auf dem Ofen und blickten, ohne mit den Augen zu zwinkern,