Justice justified. Kendran Brooks
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*
»Verdammt.«
Reginald McPhearsen senkte die Times und starrte mit in sich gekehrtem Blick einen Moment lang geradeaus und an die gegenüberliegende Wand, ohne den dort hängenden Monet wirklich zu sehen. Auf Seite elf hatte er einen kurzen Artikel über den Industriellen Alioth Milkins gefunden. Er war von seiner Haushälterin am gestrigen Morgen tot in seiner Stadtwohnung in London aufgefunden worden. Herzversagen, lautete die Diagnose des Gerichtsmediziners. Ein kurzer Nachruf gab dem Leser einen Überblick über das Leben des einflussreichen Wirtschaftsführers, zählte auch seine beiden Ehen und Scheidungen auf, verwies auf drei erwachsene Kinder, davon zwei Ärzte und eine Historikerin, und erwähnte gewisse Gerüchte über eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit. Selbstmord wurde jedoch ausgeschlossen.
»Verdammt.«
Noch einmal murmelte Reginald dieses eine Wort, bevor er zum Blackberry griff und die Nummer seines Bruders Silver anrief.
»Ja«, meldete der sich wie gewöhnlich ohne Nennung seines Namens.
»Ich bin’s. Hast du’s schon gelesen?«
»Was denn?«
»Das mit Alioth.«
Das Zögern von Silver am anderen Ende der Verbindung gab Reginald die Antwort und so fuhr er mit einer Erklären fort: »Seine Haushälterin hat ihn gestern tot in seiner Wohnung hier in London gefunden. Herzversagen, wie die Ärzte meinen.«
Weiterhin blieb es auf der Gegenseite still.
»Bist du noch dran?«, fragte deshalb der ältere Bruder nach.
»Ja, ja, … schon …«, kam die zögerliche Antwort von Silver, »sollen wir uns treffen?«
Reginald war klar, dass man übers Telefon keine Unterhaltung über den Tod eines langjährigen Geschäftspartners führen sollte.
»Heute Morgen bin ich voll. Wir könnten uns aber zum Lunch treffen. Um eins. Bei mir im Büro.«
Silver stimmte zu und sie unterbrachen die Verbindung.
War sein Vater vollkommen durchgedreht? Hatte er innerhalb einer Monatsfrist tatsächlich einen zweiten Mord in Auftrag gegeben? Gegen den ausdrücklichen Willen und den Entscheid seines ältesten Sohnes und Nachfolgers?
Reginald war sich sicher, dass Oldman McPhearsen kaum mehr um die Macht im Familienkonzern kämpfen konnte. Dazu war er nicht mehr rüstig genug. Doch der störrische alte Mann hatte sich vielleicht in eine fixe Idee verrannt. Was hatte er noch mal gefaselt? Etwas wie, niemand bestiehlt uns, ohne dass er dafür bezahlt. War der Alte also auch für den Tod von Alioth verantwortlich? Hatte dabei wieder dieser verdammte Lawrence del Mato die Finger drinstecken, war einmal mehr zum verlängerten Arm des zunehmend paranoiden Alten geworden?
Reginald kannte den windigen Anwalt mit französischer Abstammung. Im Auftrag des Oldman, aber auch von Alioth, musste er mindestens ein Dutzend Mal in der Vergangenheit sehr unbequeme Dinge für den Familien-Konzern erledigt haben. Nachdem Reginald die Konzernspitze offiziell übernommen hatte, ließ er sich alle Zahlungen an den Anwalt del Mato zusammenstellen. Insgesamt waren über all die Jahre mehr als dreiundzwanzig Millionen Pfund an den Franzose geflossen, das meiste unter dem allgemeinen Titel Beratungsaufwand und mit einer schlampigen Auflistung irgendwelcher Arbeitsstunden zu irgendwelchen erfundenen Themen.
Bislang hatte Reginald den Mann nur ein einziges Mal persönlich getroffen, ihn eingeschätzt und abgewogen. Dieser Lawrence del Mato war ein skrupelloses, geldgieriges Ungeheuer. Ihm fehlte jegliches Unrechtsbewusstsein. Dieser Anwalt teilte die Welt ein in wenige Tüchtige und viele Opfer, war wahrscheinlich weit zynischer und abgebrühter als er selbst oder Silver. Um diesen Anwalt auszuschalten, musste Reginald dem Alten erst den Geldhahn zudrehen. Doch Ollie McPhearsen hatte vorgesorgt und eine Anzahl privater Bankkonten stets vor seinen beiden Söhnen geheim gehalten. Wie viel Geld dort lag, konnte Reginald kaum abschätzen. Doch fünfzig bis einhundert Millionen Pfund waren es bestimmt.
Reginald dachte ein paar Monate zurück, als Silver und er versucht hatten, den Oldman mit einem Trick zu entmündigen und ihn in ihre bedingungslose Obhut zu überführen. Doch irgendwie hatte der Alte den Braten gerochen, hatte ihnen an einem der Sonntage höhnisch lächelnd die Berichte zweier anerkannter Psychologen vorgelegt. Sie bestätigten dem alten McPhearsen die volle geistige Leistungsfähigkeit. Die Untersuchungsberichte wollte der Oldman, wie er ihnen genüsslich mitteilte, von nun an jedes Quartal erneuern lassen, als eine Vorbeugung, meinte er grinsend, führte ihren Zweck gegenüber seinen Söhnen jedoch nicht weiter aus.
Dieser verbohrte, paranoide und senile Schwachkopf bringt uns alle noch in Schwierigkeiten, prophezeite sich Reginald. Und das erste Mal dachte er darüber nach, auf welche Weise man den eigenen Vater gefahrlos beseitigen konnte.
*
Alabima und Jules mussten an diesem Morgen mit Alina zu einem Kinderarzt. Die Kleine beklagte sich nach dem Aufwachen über Ohrenschmerzen. Die Abklärungen ergaben eine harmlose Entzündung, die der Arzt mit rezeptfreien Tropfen behandeln wollte. Chufu und Mei waren nicht mit zur Klinik gefahren, schlenderten stattdessen durch die Straßen von Old Santa Fe, besuchten die zahlreichen Kunstgalerien und Boutiquen. Mei fand für sich einen wunderschönen Fleece Schal mit indianischen Mustern. Sie wurden in Handarbeit in einem nahen Indianerreservat von den Mädchen und jungen Frauen hergestellt, wie die Verkäuferin ihnen freundlich lächelnd versicherte. Chufu hegte zwar Zweifel, doch Mei war begeistert. Nach dem Kauf traten sie wieder auf den Gehsteig hinaus, der rund um die Plaza lief. Nicht weit entfernt saß ein junger Mann auf dem erhöhten Betonboden, hatte seinen Rücken an einen der Pfosten des Vordachs gelehnt und blickte träge und unbestimmt in ihre Richtung. Neben ihm stand ein Pappschild und ein Becher, wohl um das Kleingeld spendierfreudiger Mitmenschen aufzusammeln. Als sie nähertraten, sahen sie, dass der Becher bereits reichlich gefüllt war, obwohl der Kerl noch nicht dagesessen war, als sie die Boutique betreten hatten. Sogar eine zehn Dollar Note schaute keck und lockend aus dem Becher heraus, entweder als ein Beispiel christlicher Nächstenliebe oder als reiner Werbetrick des Bettlers. Auf dem Schild daneben stand: Doch dient mein Wort zum Samen, draus dem frechen Verräter Schande sprießt, den ich hier speise.
Chufu schüttelte den Kopf über diesen wirren Spruch. Mei dagegen zuckte erkennend zusammen. Denn die Worte stammten aus der Göttlichen Komödie von Dante, einem der bedeutendsten Werke der Weltliteratur und einem ihrer Lieblingsbücher.
Im Teil Inferno legte der größte italienische Dichter diesen Satz den Seelen im Fegefeuer in den Mund. Die Lebenden sollten dank ihnen die Wahrheit erfahren und für sich selbst Fürbitte oder Abbitte tun.
Ob jedoch tatsächlich der kaum verständliche Spruch auf dem Schild oder nicht doch eher das freundlich-fröhliche Gesicht des Bettlers für den Geldsegen der Passanten sorgte, mochten weder Chufu noch Mei entscheiden. Der junge Mann besaß jedenfalls ein sehr fein geschnittenes Antlitz, fast perfekt oval, jedoch mit einem zierlichen, spitzen Kinn, das von einem dunkelblonden, dünnen Bartflaum umflossen wurde. Auch das schulterlange, leicht gewellte Haupthaar besaß dieselbe Farbe. Seine Augen strahlten dagegen in einem intensiven blau, wirkten beinahe suggestiv, vielleicht auch, weil sie ein ganz klein wenig zu eng beieinanderstanden. Die wohlgeformte, nicht zu große Nase rundete den äußerst erfreulichen Gesamteindruck ab. Ja, man konnte den Kerl durchaus als hübsch bezeichnen. Zudem ging von seinem Blick eine gewisse Verwegenheit aus. Der ideale Jesus Christ Darsteller im gleichnamigen