Justice justified. Kendran Brooks
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»Ja, Dante hatte es echt drauf«, kam die saloppe Antwort von unten. Die Chinesin blieb stehen, blickte noch einmal in das intensive Blau der Augen.
»Sie mögen Dante?«, fragte sie, ohne eigentlich zu wissen, weshalb.
»Nein, nicht nur Dante, sondern alle großen italienischen Künstler der Renaissance, ob Raffael, Bramante oder Michelangelo.«
»Aha, ein Kunstliebhaber«, stellte Chufu trocken und doch etwas spöttisch fest, lächelte auch ein wenig verächtlich auf den jungen Mann herab.
»Wer die Museen von Florenz und Rom gesehen hat, der muss einfach von all den klassischen Meistern begeistert sein«, kam die etwas überraschende Antwort.
»Sie waren schon in Italien?«
Der Dunkelblonde nickte.
»Selbstverständlich. Viele Male. Meine Eltern schleppten mich jeweils mit. Im Sommerurlaub und als Kind.«
Der Mann sprach das Englisch ein wenig hart aus und deshalb fragte Chufu nach: »Dann stammen Sie aus Europa?«
Der Blauäugige nickte: »Aus Deutschland.«
»Oh, und ich komm aus der Schweiz«, entschlüpfte es dem Philippinen, worauf der andere seine Lippen etwas spöttisch schürzte und meinte: »Ja, ja, die Globalisierung. Sie versprengt die Völker bis in die hintersten Flecken der Erde.«
Und als Chufu nicht sogleich etwas zu erwidern wusste, fügte er schelmisch lächelnd hinzu: »Nicht, dass ich die Schweiz als diesen Ort bezeichnen möchte.«
»Aha. Ein Philosoph und Weltbürger«, mutmaßte Chufu anzüglich.
»Nein, mein Herr. Eher ein Soziologe und Erdbewohner.«
»Sie haben studiert? Soziologie? In Deutschland?«
Der Dunkelblonde nickte.
»Ja. Zuerst ein paar Semester Kunstgeschichte. Doch danach hab ich mich doch dem Teufel verschrieben.«
»Dem Teufel?«
»Ja, dem Teufel der Bildungszertifikate.«
Chufu und Mei blickten einander an, ohne zu verstehen. Doch statt das Thema zu vertiefen, wollten sie etwas ganz anderes vom Deutschen erfahren.
»Und was hat Sie nach Santa Fe verschlagen?«
»Nichts und alles«, orakelte dieser, »ich lass mich dorthin treiben, wohin mich der Wind bläst.«
»Und Sie betteln.«
Die Stimme von Chufu drückte einen Tadel aus.
»Ehrlich gesagt, nein«, gab der junge Mann offen lächelnd zurück, »ich setz mich bloß in die Sonne, stell ein Pappschild und einen Becher neben mir auf, denke nach, beobachte die Menschen, freue mich des Lebens. Und nach zwei oder drei Stunden stehe ich wieder auf, leere den Becher und mach mir einen schönen Tag.«
Das Lächeln des Deutschen hatte sich während seiner Erklärung in ein spöttisches Grinsen verwandelt, das ihm jedoch umwerfend gutstand. In diesem Moment war er das Ideal eines Sonnyboys, eines Lichtgottes, der das Leben und die Menschen liebte, dem niemand wirklich böse sein konnte, weil er ganz einfach zu sehr strahlte, beinahe überirdisch, den täglichen Sorgen und Nöten als einer der Wenigen längst entrückt war.
»Aber wie sagten Sie vorhin? Ich meine, das mit dem Teufel und den Bildungszertifikaten?«, wollte der Philippine nun doch von ihm wissen.
»Möchtet Ihr wirklich einen langweiligen Vortrag über ein leidiges Thema von mir hören?«, gab der Deutsche gespielt unwillig zurück, worauf Mei sogleich zu nicken begann.
»Na gut. Aber setzt euch doch bitte zu mir. Solange ihr vor meinem Becher steht, wirft nämlich niemand was rein.«
Längst wurden die drei jungen Leute von anderen Passanten argwöhnisch gemustert oder belächelt. Und als sich die beiden Asiaten auch noch neben dem Bettler auf dem Gehsteig niederließen, gab es einige erstaunte Blicke und leichtes Kopfschütteln.
»Also, wo fange ich an«, dachte der Dunkelblonde kurz nach, »ah, ja, ich hab’s. Ich weiß nicht, wie das bei euch zu Hause so ist, doch in Deutschland erzählt man den Kindern seit dreißig Jahren dieselbe Lüge über Bildung und ihre Wichtigkeit. Bildung sei der Schlüssel zum Glück. Wer sich viel Wissen aneignet, schafft für sich ein Sprungbrett für die Karriere. Zeige Leistung in der Schule und du machst deinen Weg im Leben, und so weiter und so fort.«
Die beiden Asiaten nickten zu seinen Worten, denn er drückte im Prinzip das aus, woran sie selbst glaubten.
»Aber das ist eine einzige Verarsche. Zumindest, wenn man zu Ende zu denken vermag«, fügte der Deutsche ärgerlich an, »überlegt doch mal. Nachdem alle Menschen die tollste Ausbildung und die höchsten Fähigkeiten erworben haben, wer putzt dann das Gemüse für die Kantinenküche? Oder kehrt den Dreck von der Straße? Oder verdingt sich als Anstreicher gesichtsloser Wohnsilos? Höchstens zwanzig Prozent aller Arbeitsstellen auf dieser Welt sind abwechslungsreich, täglich fordernd und darum inspirierend, besitzen zudem einen schöpferischen Anteil. Achtzig Prozent dagegen sind entweder körperliche Zuarbeiten, repetitive Tätigkeiten oder sterbenslangweilig und gedankentötend.«
»Ja, da geben wir dir Recht«, meinte Mei vorsichtig und duzte den jungen Mann das erste Mal, »nicht jeder eignet sich zum Erfinder, Arzt oder Manager in der Wirtschaft. So wird der Weg der Schule und der Ausbildung, der Bildung ganz allgemein, zu einem Ausleseverfahren, in dem sich jeder bewähren muss, aber auch bewähren kann. Jeder hat dieselben Chancen, falls der Staat für ausreichend Gerechtigkeit besorgt ist.«
Der deutsche Lichtgott lächelte die Chinesin spöttisch an.
»Wenn 80 % der Menschen auf jeden Fall auf der Strecke bleiben müssen, was, bitte schön, ist bei diesem Ausleseverfahren dann noch gerecht? Mag sein, dass jeder Fünfte seinen gewünschten Weg einschlagen kann. Doch er tut es auf dem Buckel von vier anderen, gescheiterten Menschen, die möglicherweise bloß ein wenig Pech hatten oder zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren. Wenn wir uns die heutigen Politiker und Wirtschaftsführer etwas genauer betrachten, aber auch viele der Wissenschaftler, dann gewinnen in diesem Verfahren nicht wirklich die besten, die klügsten oder gar edelsten Menschen, sondern vor allem die Drecksäcke, die Skrupellosen, die Brutalen und diejenigen ohne Gewissen. Denn selbst das Bildungssystem in Deutschland, ja überhaupt in Europa, ist so aufgebaut, dass stets ein ähnlicher Menschenschlag zum Gewinner wird. Wer über genügend Geld verfügt, kauft sich Hilfslehrer. Und falls das noch nicht genügt, dann wird der Zögling in ein Internat gesteckt. Versagt er auch dort, dann kauft man ihm einen Studienplatz irgendwo auf der Welt, besorgt für ihn Ghostwriter für die Facharbeiten, lässt irgendjemanden die Doktorarbeit schreiben und verschafft ihm anschließend über Beziehungen eine ansprechende Arbeitsstelle. Wer bereits oben steht, kann in diesem System gar nicht fallen.«
»Das sind aber sehr verbitterte Worte«, meinte Chufu und wollte sich erheben, denn ihm wurde diese Anklage eines freien Wettbewerbs nun doch zu viel. Aber der Deutsche reagierte sogleich auf seine Körpersprache, fügte rasch und im versöhnlichen Tonfall an: »Wisst Ihr, ich bin nicht gegen die Auslese, überhaupt nicht. Auch akzeptiere ich, dass nicht jeder Mensch dieselbe Ausgangslage besitzen kann und es darum bereits nach der Geburt Unterschiede gibt, die auch ein langes Leben