Die Weltsicht einer ziemlich verrückten Puppenmacherin. Julianne Becker

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Die Weltsicht einer ziemlich verrückten Puppenmacherin - Julianne Becker Der Weg der Puppen

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ständig in Überlegungen, Elvira auch noch den Rest meiner ganzen Filzausstattung zu schenken!

      Aber dann verstand ich, klar: "Bringen und vor die Tür legen" hieß in einer synonymen Übersetzung auch "übergeben", und deshalb beschäftigte ich mich nun unentwegt in Gedanken damit, was ich selbst noch besaß und geben könnte, und nicht nur Elvira schenken, sondern auch anderen Menschen.

      Aber am meisten erstaunte mich mein Solitärspiel, mit dem ich meinen Tag abends spielend ausklingen ließ: Ich konnte fast nicht mehr gewinnen! Die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen war drastisch gesunken. Ich hatte mich die vielen Wochen davor unkompliziert locker und wie am Schnürchen zu einer immer besseren Gesamtbilanz hochgearbeitet, und nun sank ich in der Statistik von Level zu Level, ich bekam nur noch die allerblödesten Karten. Ja, in einem unachtsamen Moment aß ich sogar wieder Zucker!

      Gut, ich gab auch dem keinen Widerstand und beobachtete weiter. Dann fiel mir auf, dass ich mich die letzten Tage abends zwar bleiern müde fühlte und auch nicht mehr an dem Buch weiter schreiben konnte, aber wenn ich mich dann wirklich schon gegen zwanzig oder einundzwanzig Uhr ins Bett legte, war mein Atem ganz flach und eng und ich selbst unruhig und fand doch keinen Schlaf.

      Als mir das bewusst wurde, dachte ich darüber nach, dass ich ja nicht einfach Opfer meiner Umstände war, das war mein Elemental und sollte sich gefälligst bei Elvira auswirken statt bei mir herumzuhängen oder mich auch noch mit dem ganzen Feld von Elvira zu verbinden. Denn den Verdacht hatte ich leider auch, dass ich mit diesem Versuch wieder eine Verbindung hergestellt hatte zu deren Feld und Elviras Projektionen erneut bei mir ankamen. So trennte ich mich noch einmal ganz bewusst von ihr. Ich testete und spielte mein Solitär: In allen fünf Spielen gewann ich nun und erklomm spielend den nächsthöheren Level.

      Drehbücher müssen passen

      Diesen Versuch konnte ich natürlich auch nur deshalb durchführen, weil ich mir in dieser Wohnung auf Gran Canaria so nach und nach all die anderen mir bewussten Variablen isoliert hatte und so auch beobachten konnte, dass schon der einfache Kontakt mit meinem Nachbarn vom Fenster über meinem Riesenbalkon unter südlicher Sonne, der mir "Frohe Weihnachten" wünschte und mir so ganz nebenbei erzählte, er würde sich nun Hühnerbeinchen schmoren, genügte, mich dazu zu bringen, einkaufen zu gehen und wieder zu essen, obwohl ich mittlerweile eigentlich am klarsten ohne Essen lebte.

      Und das nur, weil ich ihm in die Augen geschaut, herzlich "Frohe Weihnachten" zurück gewünscht und mich damit mit ihm und seinem Mittagessen verbunden hatte. Und vielleicht war meine Unvorsichtigkeit auch nur dem kleinen Sonnenstich zuzuschreiben, den ich mir wahrscheinlich gerade in meiner selbst gebastelten Hängematte geholt hatte, meinem Weihnachtsgeschenk an mich selbst. Ich wollte rumhängen und schwingen, das bewegte schließlich auch meine Lymphe mit minimalster Anstrengung und maximalem Vergnügen. Denn sonst redete ich mit dem Nachbarn nur alle paar Wochen mal.

      Aber ich kochte nicht nur, ich aß auch wieder Zucker. Diese unruhige Müdigkeit und das Verlangen nach Zucker waren also Anzeichen, dass sich eine Überlagerung annäherte, ein fremdes Feld sich mit meinem eigenen mischte und darin so herum waberte, vielleicht kam aber auch nur mein eigenes erschaffenes Elvira-Feld zurück, sobald diese wieder in meinen Gedanken auftauchte oder all diese Ideen, wem ich was schenken könnte, denn diese Gedanken tauchten oft auf und verhielten sich ziemlich penetrant. Und ich stellte mir meinen Erprobungs-Geist nun wie einen kleinen Hund vor, der eigentlich das Stöckchen holen sollte, aber nun unverrichteter Dinge zurück kam, und so sagte ich, sobald ich wieder über Schenken nachdachte, zu dem Feld:

      "Ab, zurück, zu Elvira, versuche es erneut!"

      Und scheuchte das Feld davon. Und als Test, ob das Feld gerade draußen rumlief und sich versuchte auf Elvira auszuwirken oder schon wieder zu mir zurückkam, legte ich mir zwei Polverones auf meinen Schreibtisch. Das war spanisches Weihnachtsgebäck ganz aus Mehl und Zucker, es zerfiel eigentlich meist schon, bevor es den Weg in den Mund schaffte und war wie große Bonbons verpackt. Und diese lagen ständig in meinem Blickfeld, und sollte ich Lust haben, sie zu essen, wollte ich erst den Hund zurück an seinen Auftrag schicken und dann vielleicht erst noch mal tief durchatmend über den Balkon laufen, bevor ich die Polverones vielleicht doch noch aß, denn Widerstand wäre ja Blödsinn, ein Feld musste sich ja auslaufen, und auch der Impuls zu essen war ja ein solches. Es fiel mir auch auf, dass diese Überlagerung vor allem abends nach mir griff, tagsüber war Elvira wohl mit sehr viel anderem beschäftigt. Und das war zufällig auch die Zeit, wenn ich Solitär spielte.

      Welche Rolle spielten eigentlich die Gedanken und Gefühle bei diesem Elvira-Test? Ich war ja gewarnt worden: Wegen der Schwingungsunterschiede würde sich mein Elemental vielleicht nur auf mich selbst und überhaupt nicht auf Elvira auswirken können, und das, weil ich es mit ganz anderen Gefühlen und Gedanken geladen hatte, als die, die es in Elvira vorfand. So wie bei meinem Beispiel mit dem Schadenszauber von Klaus.

      Waren dann die Gedanken, Gefühle und Drehbücher nichts anderes als die Türöffner – gleiche Schwingung zog sich an? St. Germain hatte über die Drehbücher gesprochen, die nicht mehr passten. Aber dabei handelte es sich doch nicht einfach um verstaubte Bücher, in ihnen waren alle beteiligten Gedanken und Gefühle ausdrücklich definiert.

      Natürlich hatte ich es versucht, aber es fiel mir sehr schwer, noch ähnliche Gedanken und Gefühle zu erzeugen wie Elvira, denn die kritisierte und urteilte in einem fort und konnte so ganz viele Menschen auch nicht leiden.

      Ich dagegen war ja mit Elvira in Frieden, wie mit jedem anderen auch, wünschte ihr nur Gutes und konnte sie ihr Leben leben lassen, nur eben weit weg von mir selber. Auch die Handkarden hatte ich eigentlich längst abgehakt. Und darum entschied ich, das Feld probeweise noch mit "nicht anders verdient" und "wurde ausgenutzt" nachzuladen. Aber das verschob ich auf die letzen Wochen des Experimentes, vorher wollte ich nur weiter beobachten. Drehbücher, das klang so harmlos und neutral. Dahinter verbargen sich wunderbare Filme bis hin zu Horrortrips mit all dem Zorn, Hass, der Angst, der Rührung, Liebe, Hoffnung, Erleichterung, eben alles. Auch mein erzeugtes Probe-Elemental war ein Drehbuch.

      Zwei Geschenke

      Nun, die Zeit verging und weder Handkarden noch Wolle lagen vor der Tür. Und ich hatte eine Routine entwickelt, die Gedanken von Helfen, Geben und Schenken sofort zu erkennen und zu verscheuchen und dachte nicht mehr weiter an das Experiment. Mit meiner Tochter hatte ich bei deren Besuch noch einige Male über meine Erfahrungen rund um Elvira gesprochen, ein paar Dinge mehr verstanden und einige heftige emotionale Ladungen ausgedampft, und nun war es gut. Dann tauchte eine Störung meines Rückzugs ganz unerwartet und von neuer Seite auf und erwischte mich frontal:

      Meine Vermieterin kam gleich an drei Tagen hintereinander, brachte jede Menge Futter für die Tiere mit und machte sich stundenlang mit Putz- und Pflegearbeiten auf dem Balkon breit. Ich wurde sie einfach nicht los und kam innerlich völlig durcheinander, denn natürlich absorbierte ich wieder und wusste, das würde nun tagelang durchlaufen und mich auch nach dem Besuch noch ganz lange am Schreiben hindern.

      Zum dritten und unabwendbaren Besuch, denn zwei Sittichjunge mussten einfach gerettet werden, da war nichts zu machen, hatte ich dann resigniert und ohne Widerstand auch noch die Mutter der Vermieterin mit eingeladen, und das auch, weil gerade mein Geburtstagskuchen aus Zucker und Mehl aus Deutschland angekommen war, den meine eigene Mutter mir sogar auf die Kanaren nachschickte, obwohl ich ihr ein paar Wochen vorher in einem Telefonat ausführlich beschrieben hatte, wie schmerzhaft der letzte Zuckerentzug für mich gewesen sei und dass ich nun wirklich keinen Zucker und auch kein Mehl mehr essen wolle.

      Aber schon ein paar Tage vor dem Besuch meiner Vermieterin war ich zucker-rückfällig gewordenen und aß nun ergeben mit der Mutter meiner Vermieterin

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