Die Weltsicht einer ziemlich verrückten Puppenmacherin. Julianne Becker
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Und als ich schon wieder ganz resigniert in mich zusammensinken wollte, weil die Wurst erneut weit weg auf das Ende der Stange gerutscht war, wo ich doch gerade geglaubt hatte, nun könnte ich diese fast schon zu fassen kriegen, ermutigte mich mein Lehrer. Ich könne mich zum Safeknacken und Entrümpeln doch einfach noch einmal rülpsend-korrekturlesend durch das ganze Manskript atmen, das ja auch für mein ganzes Leben stand, mein Körper würde davon immens profitieren. Und er schlug vor, bei jedem Absatz aufzublicken und den Drachen Artur vor mir anzuschauen und während und nach dem Absatz so lange zu rülpsen, bis es wieder gut in mir sei. Seine Schwingung würde mir nun helfen, die Safes zu öffnen und die Schrauben an der Bodenplatte zu lockern, nun denn.
Und als ich den Vorschlag in die Praxis umsetzte, stellte ich fest, dass das Rülpsen zwar das Verdauen selbst war, aber damit räumte ich nur Zeugs aus den Safes. Die Bodenschrauben lockerte ich erst am Ende vom Rülpsen entweder mit Gähnen, Lachen, Heulen oder mich Schütteln. Und das fiel mir doch tatsächlich erst auf, als ich es Absatz für Absatz, immer wieder erneut erlebte, dabei kannte ich das schon ganz lange aus der therapeutischen Praxis. Und das bedeutete auch: So lange ich ohne eine solche Endreaktion rülpste, war ich noch nicht fertig. Und ich war gewisslich motiviert, meine Bodenschrauben zu lockern und diese Panzerschränke zu verschrotten. Sollten die anderen doch getrost von mir behaupten, bei mir sei eine Schraube locker...
Die Sache mit dem Nettsein
Und diese Safes füllte ich leider immer wieder selbst mit meinem Nettsein. Warum hatte ich immer den Drang dazu? Nun kam mir auch da eine plausible Idee: Ich hatte doch nur selten die Erfahrung von passenden Drehbüchern gemacht! Und irgendwann verlangte es ich dann nicht mehr und merkte stattdessen, dass es hilfreich sein konnte, den anderen die Erfüllung ihrer Drehbücher erst einmal mit ganz viel wohlwollender Energie zu signalisieren. Es war eine Frage von "bekommen, was man will" und "wissen, wie man es macht". Und so lernte ich, diese Gabe zumindest unbewusst zu meinem Zwecke einzusetzen. Aber ich ging auch nie in meine Verantwortung, gut für mich selbst zu sorgen, erst auf der Insel lernte ich das ganz mühsam Schritt für Schritt, so massiv automatisch lief dieses Nettsein-Muster.
Offensichtlich hatte ich einfach schon ganz andere Drehbücher mit in dieses Leben gebracht, als ich in meinen Mitmenschen vorfand. Und so gewöhnte ich mich sehr früh und nur halbbewusst resigniert daran, dass meine Drehbücher einfach nicht übereinstimmten und genau deshalb fand ich auch keinen Partner: Ich hatte so ein duales Drehbuch der ergänzenden Hälften nicht in meinem Rucksack. Meine Drehbücher passten einfach nicht zu den Inszenierungen, welche die anderen Mitspieler in ihrem Leben vorhatten. Und um menschlich nicht zu vereinsamen, denn das war ja auch ein bedrohliche psychische Situation, war ich einfach freundlich zugewandt und verlangte für einen Kontakt diese Übereinstimmung der Drehbücher nicht, während alle anderen Menschen um mich herum natürlich auf einer guten Passung bestanden, bevor sie sich überhaupt zu Nettsein öffneten!
Ah, jetzt hatte ich es: Daher kam dann auch immer die herbe Enttäuschung der anderen, die ich immer wieder erleben musste. Ich hatte so viele Menschen enttäuscht. Klar, die waren es gewöhnt, dass ihnen nur Aufmerksamkeit (Lebensenergie) geschenkt wurde, wenn die Drehbücher passten. Und wenn sie dann merkten, dass ich mich zwar geöffnet hatte, meine Bücher aber überhaupt nicht passten, fühlten sie sich irgendwie betrogen. Ich hatte in ihnen Hoffnungen geweckt, statt durch Desinteresse klare Grenzen zu setzen.
Und wenn ich nun mit meinem Nettsein die Drehbücher eines Gemüsehändlers aktivierte, hatte ich auch noch das Gefühl, ich müsse bei ihm einkaufen, oder ich schlich heimlich ums Geschäft, so deutlich spürte ich die Bindung, die ich damit eingegangen war. Auch so eine winzige Beziehung dröhnte dann schon in meinem Kopf: "Kauf nur bei mir!" Ich sollte das Nettsein wirklich ganz lassen und lieber in mich gekehrt bei mir selbst bleiben, wortkarg und distanziert neutral. Und auch niemanden mehr anschauen, es würde sonst doch immer automatisch laufen.
Dieses Talent, nett zu sein, was ich nun "andere aufträumen" zu nennen begann, hatte ich offensichtlich auch benutzt, um mir selbst zu beweisen, wie sehr ich geliebt wurde, als Ersatz dafür, dass die Drehbücher einfach nicht passen wollten. Aber diesen Beweis gab es nicht. Die Menschen hatten mich nie gemocht, nein, nein: Ich hatte sie einfach nur mit meiner Lebenskraft angesteckt.
Und es gab auch so etwas wie geliebt nicht, stellte ich nun radikal fest: Bediente man Drehbücher, wurde man mit guter Emotion belohnt, bediente man sie nicht, bekam man andere Schwingungen ab. Und geliebt oder nicht geliebt werden ließ mich doch auch nur in dualem Bewusstsein stecken bleiben.
Ich meinte da eine andere Liebe, eine, die immer da war und sich bedingungslos verströmte, und das hatte bei mir noch lange zu dem Missverständnis geführt, dass ich weiter Menschen aufträumte, ihnen also die Erfüllung ihrer Drehbücher in Aussicht stellte, denn ich war längst Liebe, ich konnte gar nicht anders, als jeden Menschen lieben und wollte diese innere Liebe auch am liebsten maximal verströmen, doch ich musste mich nun vor allem erst einmal kolossal selbst lieben lernen.
Sexuelle Drehbücher
Und als ich so über die Passung von Drehbüchern nachdachte, erinnerte ich mich wieder an die Antworten auf meine Anzeige "ein Mann für eine Nacht" von damals, da schickten mir diese Männer ganze Sex-Drehbücher und trotz meiner Bemerkung "kein sm" (Sado-maso) kam davon auch jede Menge vor, wie war es denn eigentlich damit? Es handelte sich dabei um ganz ausführliche und ziemlich gewalttätige Drehbücher, die diese Männer zu ihrem eigenen Lustgewinn ausgetüftelt hatten. Und St. Germain, an den ich mich, nun neugierig geworden, mit meiner Frage wandte, erklärte mir das so:
"Die Menschen mit den SM-Originaldrehbüchern stimulieren sich sexuell und intensivieren ihre Gefühle dabei durch eine echte Folter mit sexuellem Hintergrund, denn das Opfer richtet seinen Fokus, seine Lebenskraft und all seine Horrorgefühle auf den Täter und verstärkt dessen orgiastische Erfahrung damit erheblich. Das war ja auch in der Inquisition klar vorhanden und eindeutig gegen das Weibliche gerichtet gewesen, oft auch als eine Gegenreaktion gegen die Verführung durch gutes Aussehen. Während heutige Männer weibliche Schönheit oft einfach pur genießen konnten, musste man damals dem Bösen sexuell stimuliert begegnen."
Und das Opfer einer gewalttätigen sexuellen Handlung, und nur das, hatte danach dieses Drehbuch gespeichert und die Psyche musste nun irgendwie damit umgehen. Die Drehbücher wollten wirken und sie dienten dann der Entlastung, um nach und nach alles zu verstehen und um die Emotionen daraus zu entlüften, erklärte er weiter. Aber es sei wichtig, das nicht mit realen Personen auszuleben, und sich auch nicht mit einem Film zu stimulieren, sondern nur mit Kunstfiguren in der Fantasie oder in Büchern. Denn sonst heftete man seine Projektionen an diese echten Menschen oder die echten Schauspieler. Deshalb waren auch Märchen eigentlich zu grausam zum Verfilmen, sie dienten ausschließlich der Entlastung und der Lösung archetypischer Konflikte. Es konnte im Prinzip erhellend sein, das Drehbuch mit freiwilligen, realen Menschen durchzuspielen, aber die Drehbücher passten dann doch nur sehr selten und die Nachteile überwogen, weil man dann ja auch in eine Verbindung zu einem anderen ging und das gemeinsame Zeugs sich verstärken und ausweiten musste. Die Drehbücher gewannen an Kraft, statt nur ausgelüftet zu werden.
Und St. Germain fuhr fort: "Der verdrehte falsche Lustgewinn über Folter ist eigentlich die Perversion von Samadhi, einem höchstschwingenden Zustand von Ekstase und Glückseligkeit in sehr hoher Liebesschwingung und wird demzufolge auch körperlich-psychisch in genau dieser sehr niedrigen Schwingung im Körperpanzer gespeichert, und diesen kann man auflösen, ja, er drängt sogar nach Auflösung.
Auf keinen Fall sollte man das Drehbuch in echt durchspielen und reale Menschen zum Opfer machen und auch nicht mit Bildern oder mit Filmen und Schauspielern sich Entladung verschaffen.