Transasia. Von Karachi nach Beijing. Ludwig Witzani

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Transasia. Von Karachi nach Beijing - Ludwig Witzani

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Zeit verbleiben, die Gräberfelder von Makli und die Schahjahan-Moschee in Thatta zu besuchen. Fünfzig Dollar, eine für pakistanische Verhältnisse beachtliche Summe, wollte ich dafür auf den Tisch legen.

      Herr Ibrahim riet mir ab, doch ich beharrte auf meinem Plan. Merkwürdig war, dass die meisten Taxifahrer meine Anfrage nach kurzer Überlegung ablehnten. „Police, Police“ sagten sie und schüttelten die Köpfe. Der Einzige, der sich auf Verhandlungen einließ, war ein finsterer Bursche mit einer Sturmfrisur und einem zerzausten Bart. Da er selbst über kein Taxi verfügte, führte er mich in eine Seitenstraße zu einem noch finsteren Gesellen, dem ich mit konspirativem Gemauschel übergeben wurde. Der Name dieses finsteren Gesellen war Ali, und er war mir auf Anhieb unsympathisch. Er hatte eine Glatze, was ich in Karachi bisher selten gesehen hatte, trug aber dafür einen langen dichten Bart, in dem ich kaum seinen Mund erkennen konnte. Ohne Umschweife wollte er Geld sehen, und zwar den ganzen Betrag im Voraus, was ich verweigerte. Ich wollte mich schon abwenden und den ganzen Deal platzen lassen, als er sich mit einem Vorschuss für die Tankfüllung nach Thatta zufrieden gab. Nachdem ich das Nummernschild des Taxis notiert und bei Herrn Ibrahim hinterlegt hatte, kletterte ich auf den Rücksitz der alten Kiste, und wir fuhren los.

      Es dauerte eine Weile, bis wir die Stadt verlassen hatten, und in dieser Zeit habe ich nichts weiter gesehen als verstopfte Durchgangsstraßen, Esel, Pferde, Lastwagen und gestikulierende Menschen am Straßenrand. Die Auslagen der improvisierten Verkaufsstände behinderten den Verkehr, als wäre ganz Karachi ein einziger Markt. Nirgendwo sah ich Polizisten. Allem Anschein nach fuhren wir durch staatenloses Land. Sollte ich das gut oder schlecht finden?

Transasia

       Chaukundi

      Nicht weit hinter dem Stadtrand stoppten wir an den Gräbern von Chaukundi, von denen ich vorher noch niemals etwas gehört hatte, von denen es aber hieß, dass sie zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten des Sindh gehörten. Sie befanden sich nur wenige hundert Meter von der Schnellstraße Karachi-Thatta entfernt und lagen völlig unspektakulär mitten im Niemandsland. Bei den Chaukundi Gräbern handelt es sich um Gräber einheimischer Adliger aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die sich aus vollkommen unbekannten Gründen an dieser gottverlassenen Stelle hatten begraben lassen. Aus einer gewissen Entfernung betrachtet, glichen die Gräber großen Stromkästen mit hochkant gestellten Grabplatten auf ihrer Spitze. Kam man näher, enthüllten sich die überlebensgroßen Steingräber als Stufengräber, deren Sandsteinplatten über und über mit Girlanden und Schriftzeichen geschmückt waren. In den Reiseführern wurde vermerkt, dass auch figürliche Darstellungen zu den Grabverzierungen gehörten, was für die islamische Kunst absolut ungewöhnlich sei. Gefunden habe ich diese Figuren aber nicht.

      Fast noch bemerkenswerter als die Stufengräber von Chaukundi war das triste Landschaftsbild, das die Anlage umgab. Schwarz verbrannt war die Erde, verkrüppelt die Tamariske, in deren Schatten der glatzköpfige Taxifahrer mürrisch auf mich wartete, und knochentrocken der Boden, in dem kein Regenwurm überleben würde. Ich befand mich in einer Landschaft, in der das schönste die Gräber waren. Schlimmer als in dieser Gegend konnte es auch im Totenreich nicht aussehen.

      Kurz nach dem Besuch von Chaukundi war Schluss. Eine Eisensperre neben einer Polizeistation blockierte plötzlich die Straße. Zwei bewaffnete Soldaten bauten sich vor unserem Taxi auf, ein dritter ließ sich die Wagenpapiere zeigen, blickte in das Innere des Fahrzeuges, erkannte mich als Touristen und wies Amir an, sofort umzudrehen.

      Nun hätte mein mürrischer Taxifahrer ins Handschuhfach greifen und einige Scheine herausziehen müssen, um uns die Durchfahrt zu erkaufen. Doch nichts davon geschah. Wortlos wendete Ali den Wagen und fuhr nach Karachi zurück.

      Mir dämmerte, dass ich hereingelegt worden war, denn der Taxifahrer musste von Anfang an gewusst haben, dass mit einem ausländischen Touristen auf dem Rücksitz kein Durchkommen möglich sein würde. Deswegen hatten auch die anderen Taxifahrer, die ich gefragt hatte, redlicherweise abgewunken.

      Trotzdem verlangte Ali am Ende der Fahrt vor dem Hotel in Karachi den vollen Tagespreis. Gierig blickte er auf meine Bauchtasche, in der sich die Dollarnoten befanden und hielt gebieterisch die Hand auf. Ich gab ihm die Hälfte des vereinbarten Preises und war gespannt, welchen Tanz er nun aufführen würde. Erwartungsgemäß schaltete er sofort auf maximale Empörung, fuchtelte mit den Armen vor mir herum und schrie, dass ich ihn betrügen wolle. Schnell waren wir von einer Männergruppe umgeben, die dem Geschehen mit Interesse folgte. Es war ein Querschnitt der gleichen Gestalten, die mit mir am ersten Morgen in Karachi Tschai getrunken hatten, diesmal aber in anderer Stimmung. Wieder spürte ich die enorme Maskulinität, die von ihnen ausging, und als es immer mehr wurden, drehte ich mich um und verschwand im Inneren des Hotels. Zurück blieb eine wütende Menge.

      Damit war die Angelegenheit aber noch nicht ausgestanden. Als ich frisch geduscht wieder in die Eingangshalle des Hotels herunterkam, stand Ali mit einigen seiner Kumpels an der Rezeption und forderte von Herrn Ibrahim die Begleichung der Tagesrechnung. Der Hotelbesitzer stand hinter seinem Tresen, sagte kein Wort und schaute Ali an, als wäre er ein Wurm, was dessen Emphase sichtlich beeinträchtigte. Ich trat hinzu und erklärte, dass ich für einen Bruchteil des Tages den halben Tagespreis und eine volle Tankfüllung finanziert habe und dass das genug sei.

      Herr Ibrahim übersetzte meine Darstellung in Urdu, wobei er langsam und gesetzt sprach wie ein Lehrer, der aufgeregte Kinder beruhigen will. Nach dieser Erklärung herrschte einen Moment Ruhe. Alis Gefährten wiegten die Köpfe hin und her, als rechneten sie den Sachverhalt durch, kommentierten das eine oder andere und zogen sich schließlich wieder auf die Straße zurück. Nur Ali blieb mit verkniffenem Gesicht am Tresen stehen und schien zu überlegen, wie er mir das Geld doch noch abpressen konnte. Schließlich ballte er die Fäuste und stieß einen Fluch in meine Richtung aus, den ich zwar nicht verstand, aber von dem ich mir aber denken konnte, was er bedeutete.

      Wutentbrannt verließ er das Hotel und begann im Kreis seiner Taxifahrerkollegen ein neues Palaver über meine vermeintlichen Betrügereien. Ohne weiteres würde ich das Hotel nicht mehr verlassen können.

      „Sollen wir die Polizei rufen?“ fragte ich Herrn Ibrahim.

      Die Polizei zu rufen, sei das Falscheste, was ich machen könnte erwiderte der Hotelbesitzer. Falls es sich um Bekannte dieses Taxifahrers handelte, könnten sie meinen Pass und mein Geld beschlagnahmen und mich ins Gefängnis stecken. „Was dann mit Ihnen geschieht kann niemand wissen. Sie wären nicht der erste Ausländer, der in Karachi spurlos verschwindet.“

      Das waren schlechte Nachrichten, doch Herr Ibrahim wusste Rat. Er wählte eine Nummer, sprach leise ins Telefon und legte auf. Eine halbe Stunde später beobachtete ich vom Fenster meines Zimmers im vierten Stock, wie ein schwarzer Van neben dem Taxistand vor dem Hotel hielt. Zwei großgewachsene Männer in dunkler Kleidung stiegen aus, blickten sich kurz um, zeigten mit dem Finger auf Ali und winkten ihn herbei. Auf der Stelle leerte sich der Kreis um Ali, als hätte er eine ansteckende Krankheit. Sofort trottete der glatzköpfige Taxifahrer zu den beiden Dunkelgekleideten und nahm dabei die Haltung eines Schülers an, der in jedem Augenblick ein paar Ohrfeigen erhalten könnte. Soweit ich erkennen konnte, nickte er immerzu zu dem, was ihm einer der beiden Männer sagte. Dann dreht er sich um, stieg in sein Taxi und fuhr davon. Auch die beiden großgewachsenen Männer stiegen wieder in ihren SUV und fuhren davon. Die aufgebrachte Menge zerstreute sich und verfiel in die übliche Lethargie.

      „Wer war das?“, wollte ich von Herrn Ibrahim wissen.

      „Die Nachbarschaftspolizei“, war die kurze Antwort.

      „Offiziell oder inoffiziell?“ fragte ich.

      „Weder noch - sondern effektiv“, gab Herr Ibrahim zurück und verschwand in der Küche.

      Trotz

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