Stiefbrüder küsst man nicht. Eva Markert
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Читать онлайн книгу Stiefbrüder küsst man nicht - Eva Markert страница 4
„Endlich!“, stöhnte er, als ich die Tür öffnete. Er musterte mich. „Dein Gesicht sieht aus wie die Palette eines Malers.“ Seit ich damals geschminkt von Annika gekommen war, ärgerte er mich gern, wenn ich Make-up benutzte.
„Pff! Was verstehst du schon davon!“ Ich rauschte davon.
„Ohne Schminke siehst du besser aus“, rief er mir nach.
Ich fuhr herum. „Du faselst irgendwas daher. Nur damit du in Zukunft schneller ins Badezimmer kommst.“
Er grinste. In dem Augenblick sah er fast nett aus. Aber sofort wurde sein Gesicht wieder mürrisch und er knallte die Badezimmertür zu.
Ich beklagte mich bei Annika. „Jeden Morgen das Theater! Der benimmt sich einfach unmöglich.“
„Du packst deinen Bruder falsch an.
„Meinen Stiefbruder“, verbesserte ich sie. „Meinen blöden Stiefbruder.“
„Okay, meinetwegen, deinen Stiefbruder. Streite nicht mit ihm. Versuche lieber, mit ihm zu flirten.“
„Bist du bekloppt? Mit Dominik flirten? Nie im Leben!“
„Wenn du ihm ein bisschen um den Bart gehst und er darauf anspringt, frisst er dir nachher aus der Hand und du brauchst dich nicht mehr ewig mit ihm rumzuärgern“, gab sie zu bedenken.
Ich war nicht davon überzeugt, dass es funktionieren würde, aber einen Versuch war es wert. Außerdem gefiel mir die Vorstellung, Dominik ein bisschen zu manipulieren. Natürlich würde ich unter gar keinen Umständen mit ihm flirten! Nichts lag mir ferner als das! Aber ich könnte probieren, ein bisschen netter zu ihm zu sein.
Mittags lief er mir über den Weg. „Na, hat’s geklappt mit deiner Englischklausur“, erkundigte ich mich.
„Woher soll ich das wissen? Ich habe sie noch nicht zurück.“
„Hast du denn ein gutes Gefühl?“
„Weiß ich nicht.“
Ärger regte sich in mir. „Du musst doch wissen, was für ein Gefühl du hast!“
„Ich hab keine Ahnung. Außerdem kann man nichts darauf geben. Manchmal hat man ein gutes Gefühl und kriegt trotzdem eine schlechte Note.“
„Das heißt also, du hast ein gutes Gefühl?“
Dominik verlor die Geduld. „Mensch, lass mich doch endlich in Ruhe mit deinen Gefühlen!“
Ich verlor die Geduld ebenfalls. „Warum bist du biestig zu mir, wenn ich mich freundlich erkundige, wie die Klausur gelaufen ist?“
„Schrecklich, dass Mädchen so neugierig sind. Ich sehne mich zurück nach der Zeit, als mein Vater und ich noch allein wohnten.“
Ich baute mich vor ihm auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Was hast du gegen meine Mutter?“
„Nichts. Aber ich empfinde Weiber gelegentlich als störend.“
„Weiber?! Störend?! Bist du schwul, oder was?“
„Und wenn?“ Herausfordernd schaute er mich an.
Ich wurde unsicher unter seinem Blick. „Du kannst mich mal!“, zischte ich, weil mir nichts Besseres einfiel. „Lass mich einfach in Frieden.“
„Nichts lieber als das. Dasselbe erwarte ich von dir.“
„Weißt du was?“, schrie ich ihn an. „Du müsstest nicht Grau heißen, sondern Grauen. Oder Grauenhaft. Dominik Grauenhaft. Der Name würde zu dir passen.“
„Wenn das von dir kommt, fasse ich es als Kompliment auf.“
Weg war er.
„Dominik ist ein echter Kotzbrocken“, erzählte ich Annika später. „Er bringt einen zur Weißglut. Man kann einfach nicht nett zu ihm sein.“
***
Ein paar Tage darauf kam er mittags noch mürrischer nach Hause als sonst.
„Was hat dir denn die Petersilie verhagelt?“, fragte ich, obwohl ich mir vorgenommen hatte, nie mehr das Wort an ihn zu richten.
„Nichts.“
Ich schnaufte durch die Nase. „Was frage ich überhaupt? Dir ist die Petersilie nicht bloß verhagelt, du hast gar keine. Ständig ziehst du ein Gesicht.“
Es stellte sich heraus, dass er in der Englischklausur eine Zwei plus hatte. Keine Eins oder Eins Minus wie üblicherweise. „Seine Sorgen möchte ich haben“, dachte ich, während ich zuhörte, wie er sich bitter bei seinem Vater über die Note beklagte. Die beiden saßen im Wohnzimmer. Die Tür war zu, aber Dominik sprach so laut, dass es reichte, im Flur stehen zu bleiben, um jedes Wort verstehen zu können.
„Der Kerl spinnt“, schimpfte er. „Was der erwartet, kann kein Schüler leisten.“
Was Stefan antwortete, konnte ich nicht hören. Er sprach relativ leise. Wahrscheinlich fragte er, wie der Klassendurchschnitt war, denn Dominik beschwerte sich, dass es im gesamten Kurs nur eine Eins minus gab. Er wollte, dass sein Vater mit dem Lehrer redete. „Du musst ihm sagen, dass er Unmögliches verlangt.“
„Das werde ich auf gar keinen Fall tun!“
Ich hörte Blättern. Stefan guckte sich wohl die Klausur an. „Da hast du aber einige Fehler gemacht“, stellte er fest.
„Ich bin eben nicht besonders gut in Grammatik. Aber mit dem Inhalt gleiche ich das immer aus.“
„Darauf würde ich mich nicht verlassen. Stattdessen könntest du ein paar Grammatikregeln wiederholen. Ich sehe zum Beispiel, dass du vor allem Zeitfehler gemacht hast. Warum fängst du nicht damit an?“
Mir fiel ein, dass Annika mir vor einiger Zeit ein Buch gegeben hatte mit Regeln und Übungen. Das hatte mir tatsächlich geholfen. Ich platzte ins Wohnzimmer. „Ich habe ein gutes Buch, mit dem du Grammatik üben kannst.“
Die beiden starrten mich an. „Du hast an der Tür gelauscht!“, rief Dominik entrüstet.
Erst jetzt wurde mir klar, dass ich mich verraten hatte. Himmel, war mir das peinlich! Ich stotterte was von „zufällig im Vorbeigehen gehört“.
„Dann musst du aber seeehr langsam vorbeigegangen sein ...“
Stefan mischte sich ein. „Guck dir Merles Buch doch mal an.“
Ein geringschätziger Blick traf mich. „Was die gut findet, kann nur Mist sein.“
„Rede nicht solch einen Unsinn“, war das Letzte, was ich Stefan sagen hörte, bevor ich die Tür hinter mir zuknallte. Ihm konnte man absolut nichts vorwerfen, er war okay. Aber sein Sohn ... Einfach grässlich! Grauenvoll!
Ich