Raban und Röiven Die Figur der Hekate. Norbert Wibben
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Читать онлайн книгу Raban und Röiven Die Figur der Hekate - Norbert Wibben страница 10
Der Junge setzt sich auch an den Tisch und wartet gespannt. Er nimmt vorsichtig einen Schluck des heißen Getränks, dann noch einen. Bei seinem dritten verschluckt er sich vor Schreck fast, als Finnegan:
»Heureka!«, ruft.
»Was ist los?«, will Raban hustend wissen.
»Um mit Archimedes zu sprechen: Heureka. Das bedeutet: »Ich habe es gefunden.« Ich beziehe das zwar nur auf die Stelle mit der Erläuterung über Hekate und nicht auf eine wissenschaftliche Erkenntnis, aber das ist sicher erlaubt. – Hier steht es: »Hekate ist in der griechischen Mythologie die Göttin der Magie. Sie ist außerdem die Göttin der Wegkreuzungen, Schwellen und Übergänge, die Wächterin der Tore zwischen den Welten. Als Beherrscherin der Magie konnte sie den Zugang zur Unterwelt öffnen, den Kontakt mit Geistern und Toten ermöglichen, als Orakelgottheit die Zukunft offenbaren und ihren Anhängern Macht und Reichtum gewähren.« Dann ist hier noch eine Abbildung zu sehen. Schau mal.« Als Raban einen Blick darauf wirft, bestätigt er:
»Die Figur sieht wie die aus, die ich im Museum gesehen habe. Sie gleicht auch der Figur im Vogelkäfig. Sieh nur.«
»Ich habe sie mir vorhin kurz angesehen, bevor ich das Buch gesucht habe. – Gibt uns das jetzt die erhoffte Erklärung? Möglichkeiten eröffnen sich dadurch jedenfalls genug.« Der Junge schüttelt zweifelnd den Kopf.
»Damit hast du zwar Recht, aber wir sollten unbedingt in den beiden Büchern von Morgana nachschauen, ob uns das die vielen Möglichkeiten einkreisen lässt.«
Sofort nehmen sie sich jeder eines der Bücher vor. Sie lesen und blättern weiter, sie schauen sich manchmal vorhandene Skizzen an und müssen sogar einige Passagen mit viel Mühe übersetzen, doch sie geben nicht auf. Als sie fertig sind, tauschen sie die Bücher und beginnen erneut.
Inzwischen ist es Abend geworden, doch einen Hinweis auf Hekate haben sie nicht entdecken können. Seufzend erheben sie sich und strecken ihre Rücken.
»Schade, ich hatte so sehr auf einen Anhaltspunkt gehofft.«
»Ich auch«, bestätigt Raban. »Besonders in dem Buch »Magische Artefakte und deren Anwendung« erwartete ich einen, denn in dem hatte Morgana offenbar zuletzt gelesen. Aber da haben wir eben Pech gehabt. Jetzt bleibt uns noch das Museum.«
Begeistert bestätigt Finnegan: »In dem Museum war ich lange nicht mehr. Dort gibt es mehr Informationen, als wir an einem Tag aufnehmen können. Da werden wir sicher fündig werden. Ich freue mich aber noch mehr darauf, mal wieder magisch zu reisen!«
Nach dem Abendessen spazieren sie noch etwas durch den Ort. Sie genießen den lauen Sommerabend nach den vielen Regentagen. Dann sitzen sie noch längere Zeit im Wohnzimmer zusammen, wo Raban seinem Großvater das grüne Leuchten der Augen zeigt, wobei er dafür die Figur kurzzeitig aus dem Käfig herausnimmt. Das Wispern hört der Junge auch wieder, doch für die Ohren des älteren Mannes sind die Töne zu leise. Raban möchte die Figur nicht zu lange in der Hand halten, da erneut sowohl das Leuchten zunimmt, als auch sein Herzschlag beschleunigt wird. Darum sperrt er die Figur schnell wieder in den Käfig, ohne sich auf das Wispern zu konzentrieren.
Bruchstücke davon gehen ihm durch den Kopf. Als sie dann doch in sein Bewusstsein vordringen, stutzt er und fragt dann: »Opa, ich habe die Figur etwas wispern hören, du auch?«
»Nein. Waren das Worte und konntest du etwas verstehen?«
»Nicht wirklich. Ich meine etwas wie: »…sequor« und auch »… portas« gehört zu haben. Mehr war nicht zu verstehen.«
»Hm. »Portas« ist lateinisch und bedeutet »das Tor« oder »die Pforte«, das würde zu den Merkmalen der Hekate passen, du weißt schon, sie ist »die Wächterin der Tore zwischen den Welten«. Warum eine Figur aus der griechischen Mythologie Latein als Sprache nutzt, ist seltsam. – Das andere Wort kenne ich nicht. Ob das auch lateinisch ist? Was ist mit dir, kennst du es?«
»Wenn es tatsächlich »sequor« war, bedeutet das »folgen« oder »beachten«.«
Sie grübeln noch lange über einen möglichen Sinn. Will die Figur Raban etwas mitteilen? Der Junge möchte sie nicht erneut in die Hand nehmen. Vielleicht ist das zur Lösung des Rätsels auch nicht notwendig. Das hofft er jedenfalls. Insgeheim befürchtet er wegen des stärker werdenden Leuchtens, dass die Figur ihn hypnotisieren oder sogar in sich hineinziehen will, so wie das offenbar mit Morgana passiert ist. Deutet sein beschleunigter Herzschlag nicht auf eine Gefahr hin?
Suche in Mynyddcaer
Eine Woche zuvor in Mynyddcaer.
Erstaunt schauen sich Ylva, Dustin und Oskar um, als sie mit Gavin im Eingangsbereich eines offensichtlich sehr alten Gebäudes stehen.
»Das ist also Mynyddcaer. Was ist daran so besonders? Warum sollte sich Morgana hier befinden?«, fragt Ylva. »Du scheinst das Haus zu kennen, also erzähl schon.« Sie blickt fragend zu Gavin. Die anderen warten gespannt auf eine Antwort.
Der Zauberer blickt sich lange schweigend um. Er schließt die Augen und atmet langsam ein und aus. Die anderen schweigen erwartungsvoll. Endlich öffnet Gavin seine Augen und beginnt:
»Dies Haus gehörte Sören, einem der obersten Zauberer des Mondes. Er war neben Bearach sicher der mächtigste Zauberer seiner Zeit. Bis diese Eila so blöd war, die Gabe der Zauberfähigkeit an die Elfen zurückzugeben.« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Morgana und ich stammen von Sören ab. Unsere Familie wurde nach den damaligen Ereignissen enteignet. Meine Cousine hat das Haus wieder in Besitz genommen, das hatte sie jedenfalls vor. – Aber hier ist es seltsam ruhig. Lasst uns nach ihr suchen.«
Bis auf Oskar zögern die anderen, dieser Aufforderung zu folgen. Er versuchte vor mehreren Wochen, zusammen mit Morgana, Kolkraben in einem Kellerraum diese Hauses zu überzeugen, ihnen Zauberkräfte zu verleihen. Im gesamten Gebäude waren damals Senioren untergebracht. Im Erdgeschoss befanden sich außerdem die Küche und der Speisesaal. Oskar läuft sofort los, um dort nachzuschauen.
Ylva und Dustin möchten nicht alleine nach einer Zauberin suchen, die sie nicht kennen. Möglicherweise begeben sie sich damit in Gefahr. Also beschließen sie ohne ein weiteres Wort, Gavin zu begleiten. Der schaut sie kurz erstaunt an, dann lächelt er.
»Ja, ihr tut gut daran, vorsichtig zu sein. Morgana kann sehr impulsiv sein. Auch wenn sie anschließend bestürzt sein würde, könnte sie euch als Eindringlinge ansehen und sofort mit einem Zauberbann belegen. Vielleicht würde sie euch sogar töten. – Oskar kennt sie, der war auch schon früher in diesem Haus. Aber euch? Besser ihr folgt mir!«
Nachdem alle Räume des Gebäudes vergeblich durchsucht worden sind, wobei auch die Kellerräume eingeschlossen wurden, stehen sie wieder im Eingangsbereich. Zusammen betreten sie das Zimmer, in dem die Zauberin zuletzt gewesen ist, was sie natürlich nicht wissen können.
»Das ist seltsam«, beginnt Gavin. »In diesem ehemaligen Arbeitszimmer Sörens liegen einige Sachen auf und unter dem Tisch. Die Kerzen in den Haltern sind völlig heruntergebrannt und im Kamin ist seit Wochen sicher kein Feuer entzündet worden. – Hm. Es sieht so aus, als ob Morgana verschwunden wäre. Hat jemand eine Idee, wo sie sein könnte?«
Erwartungsvoll