Professor Unrat. Heinrich Mann

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Professor Unrat - Heinrich Mann

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lassen Sie's nun gut sein mit dem Maßnehmen, Meister, und sagen Sie

      mir -- vorwärts denn also! -- ob die Barfußtänzerin Fröhlich schon

      eingetroffen ist! Das sollten Sie wohl wissen!«

      »Ich, Herr Professer?« Und Rindfleisch stand bestürzt, »ich -- eine

      Tänzerin?«

      »Dadurch werden Sie auch nicht schlechter,« behauptete Unrat ungeduldig.

      »O o oh, ferne von mir sei der geistige Hochmut und die

      Selbstgerechtigkeit. Und Liebe im Herrn, Herr Professer, will ich denn

      auch haben für meine barfüßige Schwester, o jah, und will bitten, daß

      der Herr an ihr tuhe, was er an der Sünderin Magdalena getan hat.«

      »Sünderin?« fragte Unrat überlegen. »Warum halten Sie denn die

      Künstlerin Fröhlich für eine Sünderin?«

      Der Schuhmacher blickte keusch auf den geölten Fußboden.

      »Ei ja,« versetzte Unrat, immer unzufriedener mit dem Meister, »wenn

      Ihre Frau oder Ihre Tochter einen Lebenswandel beginnen wollten wie eine

      Künstlerin, das stände ihnen -- freilich denn wohl -- nicht an. Hingegen

      gibt es Lebenskreise und Sittengesetze: -- doch mag's denn genug sein.«

      Und er machte eine Handbewegung, die sagte, daß hier ein Gegenstand in

      Tertia berührt ward, der höchstens nach Prima gehörte.

      »Auch mein Weib ist eine Sünderin,« sagte der Schuster leise, schob die

      Finger über dem Magen durcheinander und sah auf, mit einem

      Bekennerblick.

      »Und ich selbsten muß sprechen: Herr Herre. Denn Fleischessünder sind

      wir allzumal.«

      Nun erstaunte Unrat.

      »Sie und Ihre Frau? Sie sind doch rechtmäßig verheiratet?«

      »O o oh jah, das sind wir woll. Aber Fleischessünde, Herr Professer,

      bleibt es immerdar, und Gott erlaubt es auch nuhr --«

      Der Herrnhuter richtete sich auf zu etwas Wichtigem. Seine Augen wurden

      rund und ganz bleich von Geheimnis.

      »Nun?« fragte Unrat nachsichtig.

      Und jener, flüsternd:

      »Das wissen die andern Menschen man nich, daß Gott es nuhr darum

      erlaubt, auf daß er in seinen Himmel oben mehr Engel kriegt.«

      »So so,« machte Unrat, »das ist ja denn freilich recht hübsch.«

      Und er lugte mit einem hinterhältigen Lächeln zu dem verklärten Gesicht

      des Schuhmachers hinauf.

      Aber er unterdrückte bald seinen Spott und wandte sich zum Gehen. Er

      fing an zu glauben, Rindfleisch wisse wirklich nichts über die

      Künstlerin Fröhlich. Der Schuhmacher besann sich auf diese Welt und

      fragte, wie hoch denn die Schäfte sein sollten. Unrat antwortete

      nachlässig, behandelte auch den Abschied von der Familie Rindfleisch nur

      mit flüchtiger Leutseligkeit. Dann trat er rasch den Heimweg an.

      Er verachtete Rindfleisch. Er verachtete die blaue Stube, die Enge

      dieser Geister, die demütigen Seelen, die pietistischen Überspanntheiten

      und die sittliche Verstocktheit. Auch bei Unrat zu Hause sah es eher

      dürftig aus; dafür aber hatte er in seinem Kopf die Möglichkeit, sich

      mit mehreren alten Geistesfürsten, wenn sie zurückgekehrt wären, in

      ihrer Sprache über die Grammatik in ihren Werken zu unterhalten. Er war

      arm, unerkannt; man wußte nicht, welche wichtige Arbeit er seit zwanzig

      Jahren förderte. Er ging unansehnlich, sogar verlacht unter diesem Volk

      umher; -- aber er gehörte, seinem Bewußtsein nach, zu den Herrschenden.

      Kein Bankier und kein Monarch war an der Macht stärker beteiligt, an der

      Erhaltung des Bestehenden mehr interessiert als Unrat. Er ereiferte sich

      für alle Autoritäten, wütete in der Heimlichkeit seines Studierzimmers

      gegen die Arbeiter -- die, wenn sie ihre Ziele erreicht hätten,

      wahrscheinlich bewirkt haben würden, daß auch Unrat etwas reichlicher

      entlohnt wäre. Junge Hilfslehrer, noch schüchterner als er, bei denen er

      sich mit der Sprache herauswagte, warnte er düster vor der unseligen

      Sucht des modernen Geistes, an den Grundlagen zu rütteln. Er wollte sie

      stark: eine einflußreiche Kirche, einen handfesten Säbel, strikten

      Gehorsam und starre Sitten. Dabei war er durchaus ungläubig und vor sich

      selbst des weitesten Freisinns fähig. Aber als Tyrann wußte er, wie man

      sich Sklaven erhält; wie der Pöbel, der Feind, die fünfzigtausend

      aufsässigen Schüler, die ihn bedrängten, zu bändigen waren. Lohmann

      schien in Beziehungen zu stehn zur Künstlerin Fröhlich; Unrat errötete

      darüber, weil er nicht anders konnte. Aber zum Verbrecher ward der

      Schüler Lohmann erst dadurch, daß er sich bei verbotenen Freuden der

      harten Zucht des Lehrers entzog. Nicht sittliche Einfalt zwang Unrat zum

      Zorn ...

      * * * * *

      Er gelangte in seine Wohnung und schlich auf den Zehen an der Küche

      vorbei, wo die Wirtschafterin, über seine Verspätung ungehalten, mit den

      Töpfen

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