Professor Unrat. Heinrich Mann

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Professor Unrat - Heinrich Mann

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das gleich

      wieder das Lid einkniff, so daß ihm sein Hohn nicht zu »beweisen« war.

      Wie er in den »Kohlbuden« trat, flammten die großen Fenster des Café

      Central lichterloh auf. Unrat spürte Lust, hineinzugehen, ein

      ungewohntes Getränk zu sich zu nehmen. Er war heute auf merkwürdige

      Weise aus den Schienen seines Tages herausgeworfen. Da drinnen ließ sich

      gewiß etwas über die Künstlerin Fröhlich erfahren; dort ward von allem

      möglichen gesprochen. Unrat wußte dies von früher, denn zu Lebzeiten

      seiner Frau hatte er sich manchmal -- sehr selten -- eine Ferienstunde

      im Café Central gegönnt. Seit sie tot war, hatte er zu Hause so viel

      Ruhe wie er wollte, und brauchte das Café nicht mehr. Überdies war ihm

      der Aufenthalt dort zum Schluß erschwert worden durch den neuen

      Besitzer, auch einen frühern, nach Jahren in die Stadt zurückgekehrten

      Schüler. Dieser hatte seinen einstigen Lehrer eigenhändig bedient und

      ihn mit äußerster Höflichkeit, so daß Unrat es ihm unmöglich »beweisen«

      konnte, fortwährend als Professor Unrat angeredet. Die Gäste waren sehr

      angeregt gewesen; Unrat hatte die Empfindung gehabt, wenn er häufiger

      herkäme, würde er dem Lokal zur Reklame dienen.

      Also wandte er sich fort und suchte im Geist nach andern Stätten, wo er

      seine Frage vorbringen konnte. Aber es fielen ihm keine ein. Die

      bekannten Köpfe, die sein Gedächtnis aufrief, trugen alle solche Mienen

      wie vorhin der Handlungslehrling, sein Schüler. Die erleuchteten

      Geschäfte bargen, wie das des Zigarrenhändlers und das des Cafétiers,

      lauter aufrührerische Schüler. Unrat geriet in Zorn, er fing an müde zu

      werden, und er hatte Durst. Er warf nach den Läden, nach den Haustüren

      mit Namen ehemaliger Sekundaner aus den Rändern seiner Brillengläser die

      grünen Blicke, die seine Klasse giftig nannte. Alle diese Burschen

      forderten ihn heraus. Auch die Künstlerin Fröhlich, die sich in einem

      dieser Häuser versteckt hielt, einen seiner Schüler mit Nebendingen

      beschäftigte und sich Unrats Machtbefugnis entzog, sie forderte ihn

      heraus! Zuweilen zeigte das Schild an einem Eingang den Oberlehrer

      Soundso an; dann lenkte Unrat gereizt die Augen weg. Der da hatte vor

      seiner eigenen Klasse seinen Namen genannt; und daß er sich darauf

      verbessert hatte, machte nichts gut. Dieser hier hatte Unrats Sohn auf

      dem Markt mit einem Frauenzimmer gesehen und das Gesehene herumgeredet.

      Auf allen Seiten bedroht von Feinden, durchmaß Unrat die Straßen. Er

      schlich an den Häusern hin, mit einem gespannten Gefühl oben auf dem

      Scheitel; denn jeden Augenblick konnte wie ein Kübel schmutziges Wasser,

      den jemand ihm über den Kopf gegossen hätte, aus einem Fenster sein Name

      fallen! Und da er ihn nicht sah, vermochte er den Schreier nicht zu

      »fassen«! Eine empörte Klasse von fünfzigtausend Schülern tobte um Unrat

      her.

      So rettete er sich, ehe er's selber wußte, in die abgelegenste, tiefste

      Gegend, wo am Ende einer langen, stillen Gasse das Stift der alten

      Fräulein stand. Es war hier ganz dunkel. Ein paar huschende Wesen in

      halblangen »Mantillen« und mit Tüchern um den Kopf kehrten verspätet

      heim aus einem Kränzchen, von einem Abendgottesdienst, klingelten

      verstohlen, zergingen in einer Türspalte. Eine Fledermaus beschrieb

      Zacken über Unrats Hut. Unrat dachte und schielte nach der Stadt hinauf:

      »Dann ist da kein, kein Mensch.«

      Er sagte wohl:

      »Ich leg' euch Bande noch mal hinein!«

      Aber da er seine Ohnmacht fühlte, kam der Haß in ihm ins Zittern und riß

      ordentlich an ihm; der Haß auf diese Tausende fauler, boshafter Schüler,

      die ihm immer die schuldige Arbeit vorenthalten, ihn immer bei seinem

      Namen genannt, immer nur auf Unfug gesonnen hatten; die ihn jetzt mit

      der Künstlerin Fröhlich ärgerten, sie und den Schüler Lohmann nicht

      angaben, sondern sich benahmen wie eine »gemeine« Klasse, die

      zusammenhält gegen den Lehrer; die jetzt alle beim Abendessen saßen, ihn

      aber nötigten, hier unten herumzuschleichen; und die überhaupt, es ahnte

      ihm in dieser Stunde, etwas Übles aus ihm gemacht, ihn in den langen

      Jahren, die er bei ihnen war, fragwürdig zugerichtet hatten.

      Er, der seit sechsundzwanzig Jahren die Klasse vor sich hatte, die

      Klasse mit immer denselben tückischen Gesichtern, hatte nie bemerkt, daß

      die Gesichter hier draußen und wenn die Zeit hinging, bald ganz

      gleichgültige Mienen behielten beim Gedanken an Professor Unrat, und daß

      sie später sogar wohlwollende annahmen. Immer in der Anspannung des

      Kampfes war er nicht dazu angetan, es zu würdigen, daß die Älteren in

      der Stadt seinen Namen, sogar wenn sie ihm das Wort laut an den Kopf

      sagten, nicht aussprachen um ihn zu verletzen, sondern Jugenderinnerungen

      zuliebe, die ihnen mittlerweile harmlos heiter aussahen;

      und daß er in der Stadt eine Figur

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