Professor Unrat. Heinrich Mann

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Professor Unrat - Heinrich Mann

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ein Schüler?.. Unrat sann mit grabendem Haß über Lohmann nach. Unter

      dem spitzbedachten Stadttor blieb er plötzlich stehn und sagte laut:

      »Das sind die Allerschlimmsten!«

      Ein Schüler war ein mausgraues, unterworfenes und heimtückisches Wesen,

      ohne anderes Leben als das der Klasse und immer im unterirdischen Krieg

      gegen den Tyrannen: so war Kieselack; oder ein dummer, starker Kerl, den

      der Tyrann durch seine geistige Vorherrschaft in fortwährender

      Verstörtheit erhielt -- wie von Ertzum. Lohmann aber, der schien ja den

      Tyrannen =anzuzweifeln=! Unrat kochte allmählich von der Demütigung der

      schlecht bezahlten Autorität, vor der ein Untergebener sich in guten

      Kleidern spreizt und mit Geld klimpert. Das waren überhaupt, ward ihm

      auf einmal klar, alles Unverschämtheiten und nichts weiter! Daß Lohmann

      niemals staubig aussah, immer saubere Manschetten trug und solche

      Gesichter machte: Unverschämtheiten. Der Aufsatz von heute, die

      Kenntnisse, die dieser Schüler sich außerhalb der Schule holte und von

      denen die verwerflichste die Künstlerin Rosa Fröhlich war:

      Unverschämtheiten. Und als Unverschämtheit stellte sich nun mit

      Sicherheit heraus, daß Lohmann Unrat =nicht= bei seinem Namen nannte!

      Darauf erstieg Unrat den Rest der steilen Straße zwischen den

      Giebelhäusern, gelangte an eine Kirche, wo Sturm herrschte, und den

      Mantel um sich her zusammengerafft, wieder ein Stück hinab. Nun kam ein

      Seitenweg, und vor einem der ersten Gebäude zögerte Unrat. Rechts und

      links neben der Tür hingen zwei hölzerne Kästen, hinter deren

      Drahtgittern das Programm stak mit Wilhelm Tell. Unrat las es erst in

      dem einen Kasten, dann in dem andern. Schließlich betrat er, ängstlich

      umherspähend, den Torweg und den offenen Flur. Hinter einem kleinen

      Fenster schien bei einer Lampe ein Mann zu sitzen; Unrat konnte in

      seiner Aufregung schlecht erkennen. An diesem Ort war er seit gewiß

      zwanzig Jahren nicht mehr gewesen; und er litt unter der Besorgnis des

      Herrschers, der sein Gebiet verlassen hat: man möchte ihn verkennen, ihm

      aus Unwissenheit zu nahe treten, ihn nötigen, sich als Mensch zu fühlen.

      Er stand schon eine Weile vor dem Fensterchen und räusperte sich leise.

      Als nichts erfolgte, pochte er an, mit der Spitze seines gekrümmten

      Zeigefingers. Der Kopf dahinter schrak in die Höhe und streckte sich

      sogleich aus dem zurückgeschobenen Schalter.

      »Sie wünschen?« fragte er heiser.

      Unrat bewegte zuerst nur die Lippen. Sie sahen einander an, er und der

      abgedankte Schauspieler mit den tiefen, blauschwarzen Zügen, der flachen

      Nasenspitze und dem Klemmer darauf. Unrat brachte hervor:

      »So? Sie geben denn also den Wilhelm Tell. Das ist recht von Ihnen.«

      Der Kassierer sagte:

      »Wenn Sie meinen, wir tun's zu unserm Privatvergnügen.«

      »Das habe ich Ihnen nicht unterstellen wollen«, versicherte Unrat, voll

      Angst vor Verwickelungen.

      »Man verkauft ja nischt. Bloß, daß die klassischen Vorstellungen in dem

      Pachtvertrag drinstehn, den wir mit der Stadt haben.«

      Unrat fand es geboten, sich bekannt zu geben.

      »Ich bin nämlich der Professor Un-- der Professor Raat, Ordinarius der

      Untersekunda am hiesigen Gymnasium.«

      »Sehr angenehm. Mein Name ist Blumenberg.«

      »Und ich würde recht gern mit meiner Klasse die Aufführung eines

      klassischen Dichterwerkes besuchen.«

      »Ach, das ist aber ganz reizend von Ihnen, Herr Professor. Mit der

      Nachricht werd' ich bei unserm Direktor den größten Erfolg haben, da

      zweifle ich keinen Augenblick.«

      »Aber«, und Unrat erhob den Finger, »es müßte -- wahrlich doch --

      dasjenige von den Dramen unseres Schiller sein, das wir in der Klasse

      lesen, nämlich -- immer mal wieder -- die Jungfrau von Orleans.«

      Der Schauspieler ließ die Lippen fallen, senkte den Kopf und sah von

      unten, mit Trauer und Vorwurf, zu Unrat auf.

      »Das tut mir aber fabelhaft leid. Weil wir die erst wieder einstudieren

      müßten, wissen Sie. Ist Ihnen wirklich mit 'm Tell nicht gedient? Der

      ist doch auch ganz hübsch für die Jugend.«

      »Nein,« entschied Unrat, »das geht auf keinen Fall. Wir brauchen die

      Jungfrau. Und zwar käme es -- aufgemerkt nun also! --«

      Unrat schöpfte Atem, sein Herz klopfte.

      »-- ganz besonders auf die Darstellerin der Johanna an. Denn diese soll

      eine hehre Künstlerin sein, die den Schülern die erhabene Gestalt der

      Jungfrau -- immer mal wieder -- recht nahe bringt.«

      »Allerdings, allerdings«, sagte der Schauspieler, mit tiefem

      Einverständnis.

      »Da habe ich denn nun an eine Ihrer Damen gedacht, die ich, und

      hoffentlich nicht mit Unrecht, auf das höchste habe preisen hören.«

      »Ach

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