Professor Unrat. Heinrich Mann

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Professor Unrat - Heinrich Mann

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sagen wollte, räusperte Lohmann sich lärmend und soufflierte

      ihm darauf das Richtige. Die unbegreiflichsten Antworten des andern

      machte er den Mitschülern achtbar durch die Behauptung, von Ertzum habe

      den Lehrer nur »wütend ärgern« wollen.

      Lohmann war ein Mensch mit schwarzen Haaren, die über der Stirn sich

      bäumten und zu einer schwermütigen Strähne zusammenfielen. Er hatte die

      Blässe Luzifers und eine talentvolle Mimik. Er machte Heinesche Gedichte

      und liebte eine dreißigjährige Dame. Durch die Erwerbung einer

      literarischen Bildung in Anspruch genommen, konnte er der Schule nur

      wenig Aufmerksamkeit gewähren. Das Lehrerkollegium, dem es aufgefallen

      war, daß Lohmann immer erst im letzten Quartal zu arbeiten begann, hatte

      ihn trotz seiner zum Schluß genügenden Leistungen sitzen lassen, schon

      in zwei Klassen. So saß Lohmann, grade wie sein Freund, mit siebzehn

      Jahren noch unter lauter Vierzehn- und Fünfzehnjährigen. Und wenn von

      Ertzum dank seiner körperlichen Entwicklung zwanzig zu sein schien, so

      erhöhten sich Lohmanns Jahre dadurch, daß ihn der Geist berührt hatte.

      Was mußte nun einem Lohmann der hölzerne Hanswurst dort auf dem Katheder

      für einen Eindruck machen; dieser an einer fixen Idee leidende Tölpel.

      Wenn Unrat ihn aufrief, trennte er sich ohne Eile von seiner der Klasse

      fernstehenden Lektüre, und die breite, gelbblasse Stirn in befremdeten

      Querfalten, prüfte er aus verächtlich gesenkten Lidern die ärmliche

      Verbissenheit des Fragestellers, den Staub in des Schulmeisters Haut,

      die Schuppen auf seinem Rockkragen. Schließlich warf er einen Blick auf

      seine eigenen geschliffenen Fingernägel. Unrat haßte Lohmann beinahe

      mehr als die andern, wegen seiner unnahbaren Widersetzlichkeit, und fast

      auch deshalb, weil Lohmann ihm =nicht= seinen Namen gab; denn er fühlte

      dunkel, das sei noch schlimmer gemeint. Lohmann vermochte den Haß des

      armen Alten beim besten Willen nicht anders zu erwidern als mit matter

      Geringschätzung. Ein wenig von Ekel beträufeltes Mitleid kam auch hinzu.

      Aber durch die Kränkung von Ertzums sah er sich persönlich

      herausgefordert. Er empfand, als der einzige unter dreißig, Unrats

      öffentliche Lebensbeschreibung des von Ertzumschen Onkels als eine

      niedrige Handlung. Zuviel durfte man dem Schlucker dort oben nicht

      erlauben. Lohmann entschloß sich also. Er stand auf, stützte die Hände

      auf den Tischrand, sah dem Professor neugierig beobachtend in die Augen,

      als habe er einen merkwürdigen Versuch vor, und deklamierte vornehm

      gelassen:

      »Ich kann hier nicht mehr arbeiten, Herr Professor. Es riecht auffallend

      nach Unrat.«

      Unrat machte einen Sprung im Sessel, spreizte beschwörend eine Hand und

      klappte stumm mit den Kiefern. Hierauf war er nicht vorbereitet gewesen

      -- nachdem er noch soeben einem Verworfenen die Relegation in Aussicht

      gestellt hatte. Sollte er nun auch diesen Lohmann »fassen«? Nichts wäre

      ihm erwünschter gekommen. Aber -- konnte er es ihm »beweisen«?.. In

      diesem atemlosen Augenblick reckte der kleine Kieselack seine blauen

      Finger mit den zerbissenen Nägeln in die Höhe, knallte mit ihnen und

      keifte gequetscht:

      »Lohmann läßt einen nicht ruhig nachdenken, er sagt immer, hier riecht

      es nach Unrat.«

      Es entstand Kichern, und einige scharrten. Da ward Unrat, der schon den

      Wind des Aufruhrs im Gesicht spürte, von Panik ergriffen. Er fuhr vom

      Stuhl auf, machte über das Pult hinweg eckige Stöße nach allen Seiten,

      wie gegen zahllose Anstürmende, und rief:

      »Ins Kabuff! Alle ins Kabuff!«

      Es wollte nicht ruhig werden; Unrat glaubte sich nur noch durch einen

      Gewaltstreich retten zu können. Er stürzte sich, ehe jener es vermuten

      konnte, auf Lohmann, packte ihn am Arm, zerrte und schrie erstickt:

      »Fort mit Ihnen, Sie sind nicht länger würdig, der menschlichen

      Gesellschaft teilhaftig zu sein!«

      Lohmann folgte, gelangweilt und peinlich berührt. Zum Schluß gab Unrat

      ihm einen Ruck und versuchte ihn gegen die Tür des Garderobengelasses zu

      schleudern; doch dies mißlang. Lohmann staubte sich ab an der Stelle, wo

      Unrat ihn angefaßt hatte, und verfügte sich besonnenen Schrittes in das

      »Kabuff«. Darauf sah der Lehrer sich nach Kieselack um. Der aber hatte

      sich hinter seinem Rücken an ihm vorbeigewunden und drückte sich schon,

      mit einer Fratze, in das Arrestlokal. Der Primus mußte den Professor

      darüber aufklären, wo Kieselack sei. Unvermittelt verlangte nun Unrat,

      die Klasse solle durch den Zwischenfall keinen Augenblick von der

      Jungfrau abgelenkt worden sein.

      »Warum schreiben Sie nicht? Fünfzehn Minuten noch! Und die unfertigen

      Arbeiten werde ich -- immer mal wieder -- nicht zensieren!«

      Infolge dieser Drohung fiel den meisten überhaupt nichts mehr ein, und

      es

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