Professor Unrat. Heinrich Mann
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»Wie, bitte?«
»Rosa Fröhlich«, und Unrat hielt die Luft an.
»Fröhlich? Haben wir ja gar nicht.«
»Wissen Sie das auch ganz genau?« fragte Unrat, kopflos.
»Erlauben Sie, ich bin ja nicht meschugge.«
Unrat wagte den Mann nicht mehr anzusehn.
»Dann kann ich mir das aber gar nicht --«
Jener kam ihm zu Hilfe:
»Da muß wohl sicher 'ne Verwechslung vorliegen.«
»Ach ja«, sagte Unrat, kindlich dankbar.
»Entschuldigen Sie nur.«
Und er dienerte, während er sich zurückzog.
Der Kassierer war verblüfft. Schließlich rief er hinterher:
»Aber Herr Professohr, über den Fall läßt sich ja trotzdem reden.
Wieviel Billette würden Sie denn nehmen? Herr Pro --«
Unrat drehte sich unter der Tür noch einmal um, sein Lächeln war
verzerrt vor Angst vor dem Verfolger.
»Entschuldigen Sie doch nur.«
Und er war geflüchtet.
* * * * *
Ohne es zu merken, kam er die Straße hinunter und an den Hafen. Um ihn
her waren stampfende Tritte von Männern, die Säcke trugen, und breite
Rufe von andern, die sie zu Giebelluken hinaufwanden. Es roch nach
Fischen, Teer, Öl, Spiritus. Die Masten und Schlote dahinten im Fluß
verwickelten sich schon in Dämmerung. Inmitten der Betriebsamkeit, die
vor Dunkelwerden noch aufflackerte, ging Unrat dahin mit seinem
bohrenden Gedanken: Lohmann »fassen«, den Aufenthalt der Künstlerin
Fröhlich nachweisen.
Er ward angestoßen von Herren in englischen Anzügen, die mit
Frachtbriefen umherliefen, und von Arbeitern, die ihm »Achtung!«
zubrüllten. Die allgemeine Hast ergriff ihn; er drückte, ehe er's sich
versah, den Griff einer Tür, über der »Heuerbas« und irgendeine
schwedische oder dänische Inschrift stand. Im Laden lagen gerollte Taue,
Schiffszwieback, kleine, scharf riechende Fässer. Ein Papagei schrie:
»Duhn supen!« Mehrere Matrosen tranken, andere redeten, die Hände in den
Hosen, auf einen riesigen, rotbärtigen Mann ein. Der machte sich, es
dauerte eine Weile, aus den Tabakswolken des Hintergrundes los, stellte
sich hinter den Ladentisch, so daß der blecherne Reflektor der
Wandlaterne seinen Kahlkopf heftig beleuchtete, stemmte die Tatzen auf
die Kante und sagte plump:
»Wollen Sie was von mich, Herr?«
»Geben Sie mir,« verlangte Unrat leichthin, »eine Eintrittskarte für das
Sommertheater.«
»=Wat= sagen Sie?« fragte der Mann.
»Nun ja, für das Sommertheater. Da Sie denn nun einmal in Ihrem
Schaufenster anzeigen, daß Sie Billette zum Sommertheater verkaufen.«
»Wat soll ich doorvon denken, Herr,« und der Mann behielt den Mund
offen. »Das Sommertheater speelt doch nich in 'n Winter.«
Unrat versteifte sich auf sein Recht.
»Aber Sie haben es im Fenster, Mann.«
»Door kann 't jä ook bliewen!«
Das war herausgeplatzt; aber der Heuerbas nahm seine Achtung vor dem
bebrillten Herrn gleich wieder zusammen. Er suchte nach Gründen, die den
Fremden überzeugen konnten, das Sommertheater sei jetzt geschlossen. Um
seiner behutsamen Gedankenarbeit körperlich nachzuhelfen, gab er mit
seiner fürchterlichen, rotbehaarten Hand der Tischplatte von der Seite
ganz vorsichtige Streiche. Schließlich hatte er gefunden:
»Das weiß jä woll de dümmste Schooljong,« sagte er gutmütig, »daß in 'n
Winter kein Sommertheater is.«
»Erlauben Sie, Verehrter,« machte Unrat, überlegen abwehrend.
Der Mann rief zu Hilfe:
»Hinnerich! Laurenz!«
Die Matrosen kamen näher.
»Ick weit nich, wat mit em los is, hei will mit alle Macht in 'n
Willemsgorten.«
Die Matrosen rollten Kautabak in den Mündern. Sie und der Heuerbas
starrten angestrengt auf Unrat, als sei er ein sehr weit Hergekommener,
etwas wie ein Chinese, den man nun verstehen sollte. Unrat empfand dies;
es befiel ihn Hast, hier fertig zu werden.
»Dann könnten Sie mir wenigstens sagen, Mann, ob vorigen Sommer in dem
bewußten Theater ein gewisses Fräulein Fröhlich mitgespielt hat -- Rosa
Fröhlich.«
»Wo soll ich das woll herwissen, Herr?« Der Mann war vollkommen
verblüfft. »Meinen Sie, Herr, ick gew mich mit die Zirkusminscher aff?«
»Oder doch,« sagte Unrat Hals über Kopf, »ob die erwähnte Dame im
kommenden Jahr uns -- immer mal wieder -- durch ihre Leistungen erfreuen
wird.«