Erzählungen. Anton Tschechow
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»Sei'n Sie doch so gut!«
»Hm … Gibt's denn bei Euch Cognac?« fragt Jean.
»Jawohl, Ew. Durchlaucht, jawohl!«
»So, hm, hm …«
Der Fürst zwinkert mit dem linken Auge.
»So, so, und auch hundert Rubel?«
»Nein, das ist unmöglich … Sie wissen's selbst, daß wir unsere früheren Kapitalien nicht mehr haben … daß uns unsere Verwandten zu Grunde gerichtet … Wie wir Geld hatten, kamen alle zu uns, und jetzt … Es ist wohl Gottes Wille …«
»Im vorigen Jahr hab' ich von Euch für die Visite wieviel … 200 Rubel genommen, nicht? Und jetzt habt Ihr nicht 'mal hundert? Jawohl, alter Fuchs, Dich kennen wir! Such 'mal bei der Alten nach, 's wird sich schon finden … Übrigens kannst Du Dich auch packen, ich möchte nämlich schlafen.«
»Sei'n Sie doch so großmütig, Ew. Durchlaucht! Die Fürstin sind doch alt und schwach … haben Sie doch Mitleid mit ihr, Ew. Durchlaucht!«
Jean ist unerbittlich. Mark beginnt mit ihm zu feilschen. Gegen fünf Uhr ergibt sich Jean, zieht seinen Frack an und fährt zur Fürstin …
»Ma tante«, sagt er, seine Lippen auf ihre Hand pressend, und die Augen gehen ihm über …
Und sich in den Lehnstuhl werfend, beginnt er dasselbe Gespräch, wie im vorigen Jahr.
»Marie Kriskin, ma tante, hat aus Nizza einen Brief … Ihr Mann – wie gefällt Ihnen das? – beschreibt ganz harmlos ein Duell, welches er wegen irgend einer Sängerin mit einem Engländer gehabt hat … wegen der Dingsda, den Namen hab' ich vergessen …«
»Ach, wirklich!«
Die Fürstin himmelt mit den Augen. schlägt die Hände zusammen und wiederholt mit Staunen und nicht ohne erschrocken zu tun:
»Ach, wirklich?«
»Jawohl … Duelliert sich und läuft Sängerinnen nach, während hier seine Frau hinsiecht und zu Grunde geht … Ich begreife solche Leute nicht, ma tante!«
Die überglückliche Fürstin setzt sich näher an Jean heran und das Gespräch zieht sich in die Länge … Es wird Tee mit Kognak gereicht.
Und während die glückliche Fürstin, ihrem Neffen lauschend, lacht und staunt und erschrickt, sucht der alte Mark in allen seinen Geheimfächern herum und liest die Papierscheine zusammen.
Fürst Jean hat sich unglaublich nachgiebig gezeigt. Man braucht ihm nur fünfzig Rubel zu zahlen. Aber um diese fünfzig Rubel zusammenzubringen, muß der alte Mark mehr als ein Fach durchstöbern!
Die Verleumdung
Der Kalligraphielehrer Achinejew verheiratete seine Tochter Natalie an den Geographie- und Geschichtslehrer Loschadinich.
Das Hochzeitsfest war in vollem Gange. Im Saal wurde gesungen, gespielt und getanzt. Durch die Zimmer rannten kopflos die Mietslakaien in schwarzen Fracks und schmutzigen weißen Krawatten. Der Mathematiklehrer Tarantulow, der Franzose Pasdequoi und der jüngere Revisor des Kontrollhofes, Msda, saßen nebeneinander auf dem Divan und erzählten den Gästen, sich immerfort gegenseitig unterbrechend und verbessernd, alle ihnen bekannten Fälle vom Lebendigbegrabenwerden und legten ihre Ansicht über den Spiritismus dar. Alle drei glaubten nicht an den Spiritismus, gaben aber zu, daß in dieser Welt vieles vorkomme, was sich der menschliche Verstand nicht erklären könne.
In einem anderen Zimmer erklärte der Literaturlehrer Dodonski die Fälle, in welchen ein Posten auf das Publikum schießen dürfe. Die Unterhaltung war, wie Sie sehen, zwar etwas grausig, aber dennoch sehr animiert.
Durch die Fenster guckten von draußen die Leute hinein, denen, ihrer sozialen Stellung gemäß, das Recht des Eintretens nicht zustand.
Punkt zwölf trat der Hausherr Achinejew in die Küche, um nachzuschauen, ob alles zum Abendessen bereit sei. Die ganze Küche war vom Boden bis zur Decke mit einem Nebel erfüllt, der sich aus dem Aroma von Gänsen, Enten und vielen anderen schönen Sachen entwickelte. Auf zwei Tischen sah man in malerischer Unordnung die Bestandteile eines wahrhaft lukullischen Mahles umherliegen. An den Tischen machte sich die Köchin Marfa, ein dickes Frauenzimmer mit einem zwei Etagen hohen, verschnürten Magen, zu tun.
»Meine Beste, zeig' mal den Fisch etwas her!« sagte Achinejew, sich schmunzelnd die Hände reibend. »Na, ist das ein Duft! Die ganze Küche möchte man verspeisen! Na also, zeig mal den Fisch!«
Marfa trat an eine der Bänke heran und hob behutsam ein fettiges Zeitungsblatt auf. Unter diesem Blatt ruhte auf einer Riesenschüssel ein mächtiger, mit Kapern, Oliven und Rübchen dekorierter Weißfisch. Achinejew sah den Fisch an und verging fast vor Entzücken. Sein Gesicht erstrahlte, die Augen gingen ihm über. Er beugte sich vor und gab mit den Lippen den Ton eines ungeschmierten Wagenrades von sich. Eine Weile blieb er noch stehen, schlug mit den Fingern ein Schnippchen und schnalzte nochmals mit der Zunge.
»Ah! Die Musik eines feurigen Kusses … Mit wem küßt Du Dich denn, Marfa?« hörte man aus dem Nebenzimmer eine Stimme, und in der Tür zeigte sich der glattgeschorene Kopf von Achinejews Kollegen, Wanjkin.
»Wer ist der Glückliche? Aaa … sehr angenehm! Mit Herrn Achinejew selber! Bravo, Großpapa, sehr gut! So ein kleines tête-à-tête mit der holden Weiblichkeit …«
»Ich küss' mich ja gar nicht«, erwiderte verlegen Achinejew. »Sich so etwas auszudenken, Du … Ich schnalzte nur mit der Zunge wegen … vor Vergnügen … wie ich den Fisch da sah …«
Wanjkins Gesicht lachte vor Vergnügen und verschwand in der Tür. Achinejew errötete.
»Weiß der Teufel!« dachte er. – »Jetzt geht dieser Kerl am Ende noch hin und macht Klatschereien. So was geht dann durch die ganze Stadt … So ein Rindvieh!«
Achinejew kehrte schüchtern in den Saal zurück und schielte heimlich nach allen Seiten, wo Wanjkin sei? Wanjkin stand am Klavier und erzählte gerade etwas mit chevaleresker Haltung der Schwägerin des Inspektors, die belustigt lächelte.
»Über mich!« dachte Achinejew. »Über mich, daß ihn der Satan hole! Und sie, sie glaubt es auch gleich, glaubt es ihm auch und lacht! So eine Närrin! Mein Gott! Nein, das darf ich nicht zulassen … nein … Ich muß etwas tun, damit man es ihm nicht glaubt … Ich werde mit ihnen allen darüber reden und ihn als dumme Klatschbase entlarven!«
Achinejew kratzte sich etwas und trat, immer noch verlegen, auf Pasdequoi zu.
»Ich war eben in der Küche, um etwas nach dem Abendessen zu sehen«, sagte er zum Franzosen. »Ich weiß, Sie sind auch ein großer Freund von Fisch, und ich habe da so einen, mein Bester, zwei Arschin groß! He-he-he … Ja, übrigens … ich hätte beinahe vergessen … In der Küche, jetzt eben, mit diesem Fisch – so ein Spaß! Ich komme also in die Küche und will mir die Speisen ansehen … Ich schau den Fisch an, und vor Vergnügen … so ein prächtiges Tier … schnalze ich mit der Zunge, so … Und in diesem Augenblick tritt plötzlich dieser Schafskopf Wanjkin ein und sagt … ha-ha-ha … und sagt: ›Aha … Ihr küßt Euch hier?‹ So ein Narr. mit der Köchin, der Marfa!