Erzählungen. Anton Tschechow

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Erzählungen - Anton Tschechow

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der Wanjkin! Ich komme in die Küche …«

      Die Geschichte mit dem Fisch und Marfa wurde noch einmal erzählt.

      »So etwas! Ich hätte lieber den Hofhund, als die Marfa geküßt …« und Achinejew erblickte, als er sich umsah, Herrn Msda.

      »Wir sprechen von Wanjkin«, sagte er ihm. »So ein Narr! Kommt in die Küche hinein, sieht mich neben der Marfa und denkt sich sofort eine ganze Geschichte aus. ›So, Ihr küßt Euch also?« sagte er. War wohl schon etwas angeheitert! Und ich sag' ihm, daß ich lieber den Truthahn als Marfa geküßt hätte. Verheiratet bin ich auch, sag' ich ihm. So was Dummes! Zum lachen!«

      »Was gibt's zum lachen?« fragte im Vorbeigehen der Gymnasial-Pfarrer.

      »Der Wanjkin. Ich stehe, wissen Sie, in der Küche und betrachte den Fisch …«

      Und so weiter. Im Verlauf einer halben Stunde waren bereits alle Gäste über die Geschichte mit dem Fisch unterrichtet.

      »Möge er ihnen jetzt erzählen, so viel er mag!« dachte Achinejew, sich die Hände reibend. »Nur zu! Sobald er anfängt zu erzählen, sage ich ihm gleich: Kannst Dir Dein Blech sparen, mein Freund! Wir wissen es schon alle!«

      Und Achinejew war jetzt so sehr beruhigt, daß er sogar vier Gläschen über sein Maß trank. Nach dem Abendessen geleitete er die Neuvermählten ins Brautgemach, legte sich dann zu Bett und schlief vortrefflich. Am andern Tage hatte er die Geschichte mit dem Fisch schon vergessen. Aber wehe! Der Mensch denkt und Gott lenkt. Die böse Zunge that ihre Schuldigkeit und Achinejews Schlauheit erwies sich als machtlos! Genau nach einer Woche, und zwar am Mittwoch nach der dritten Stunde, als Achinejew im Lehrerzimmer stand und sich über die schlimmen Neigungen des Schülers Wissekin aufhielt, trat an ihn der Direktor heran und bat ihn etwas zur Seite.

      »Mein bester Herr Achinejew«, sagte der Direktor. – »Sie verzeihen … Es ist zwar nicht meine Sache, aber ich muß Sie doch darauf aufmerksam machen … Es ist meine Pflicht … Sehen Sie, es kursiert in der Stadt das Gerücht, daß Sie mit dieser … mit Ihrer Köchin ein Verhältnis haben … Es geht mich ja nichts an, aber … leben Sie mit ihr, küssen Sie sich … was Sie wollen, aber, ich bitte, nur nicht so öffentlich! Ich bitte Sie! Vergessen Sie nicht Ihren hohen Beruf!«

      Achinejew lief es kalt über den Rücken und er verlor die Fassung. Wie von einem Riesenschwarm zerstochen, wie mit siedendem Wasser übergossen, ging er nach Hause. Unterwegs schien es ihm, als wenn ihn die ganze Stadt ansähe, wie einen mit Pech besudelten … Zu Hause erwartete ihn eine neue Unannehmlichkeit.

      »Warum ißt du denn nichts?« fragte ihn zu Mittag seine Frau. »Wovon träumst du? Von deiner Liebe? Sehnst dich wohl nach der Marfa? So ein Mohammedaner! Alles weiß ich! Man hat mir die Augen geöffnet! So ein … Barbar!«

      Und trach! hatte er eins über die Backe. Er erhob sich vom Tisch und ging wie bewußtlos, ohne Hut und Überzieher, zu Wanjkin. Wanjkin war zu Hause.

      »Du Schuft!« wandte sich Achinejew zu ihm. »Wofür hast Du mich vor aller Welt besudelt? Wozu mich verleumdet!«

      »Wieso verleumdet? Was bilden Sie sich ein?«

      »Wer hat denn den Klatsch erfunden, als hätte ich mich mit der Marfa geküßt? Vielleicht nicht Du? Nicht Du?«

      Wanjkin begann mit den Augen zu zwinkern, sein ganzes verlebtes Gesicht geriet in Zuckungen und seine Augen zum Heiligenschrein in der Ecke erhebend, sagte er:

      »Straf' mich Gott! Bei meinem Seelenheil; ich habe kein Wort über die Geschichte gesprochen! Daß ich verdammt sei! Daß ich …«

      Wanjkins Aufrichtigkeit konnte nicht bezweifelt werden. Es war klar, daß nicht er den Klatsch verbreitet hatte.

      »Aber wer denn? Wer?« grübelte Achinejew, sich an die Brust schlagend und alle seine Bekannten der Reihe nach prüfend. »Wer denn?«

      Tsss!

      Iwan Jegorowitsch Krasnuchin, ein Journalist mittleren Ranges, kehrt spät in der Nacht heim, ernst und ungewöhnlich konzentriert. Er sieht aus, als erwarte er eine Haussuchung oder als gehe er mit Selbstmordgedanken um. Nachdem er in seinem Zimmer eine Zeitlang auf und abgegangen, bleibt er stehen, wühlt sein Haar auf und spricht im Tone des Laertes, der seine Schwester rächen will:

      »Zerschlagen, müde an Leib und Seele, auf dem Herzen drückender Trübsinn, und mußt Dich dennoch hinsetzen und schreiben! Und das nennt man Leben?! Warum hat noch niemand den qualvollen Zwiespalt beschrieben, der einen Schriftsteller martert, wenn er traurig ist und dennoch die Menge amüsieren muß, oder wenn er lustig ist und auf Bestellung Tränen vergießen muß? Ich muß pikant, gleichgültig-kühl, geistreich sein, aber stellen Sie sich vor, daß mich der Kummer drückt, oder daß ich, wollen wir sagen, krank bin, daß mein Kind mir stirbt, meine Frau niederkommt!«

      Er spricht das alles, indem er die Fäuste ballt und die Augen rollen läßt … dann geht er ins Schlafzimmer und weckt seine Frau.

      »Nadja«, sagt er, »ich setze mich jetzt an die Arbeit … Bitte, daß mich niemand stört. Man kann nicht schreiben, wenn die Kinder heulen und die Köchin schnarcht … Sorge auch, bitte, dafür, daß Tee und … sagen wir, Beefsteak da ist … Du weißt, ich kann ohne Tee nicht schreiben … Tee ist das einzige, was mich während der Arbeit aufrecht erhält.«

      In sein Zimmer zurückgekehrt, nimmt er Rock, Weste und Stiefel ab. Diese Prozedur wird sehr langsam bewerkstelligt. Darauf verleiht er seinem Gesicht den Ausdruck gekränkter Unschuld und setzt sich an den Schreibtisch.

      Auf dem Tisch gibt es nichts Zufälliges, Alltägliches, und jede kleinste Kleinigkeit trägt den Stempel einer reiflichen Überlegung und eines strengen Programms. Kleine Büsten und Photographien berühmter Schriftsteller, ein Haufen Manuskripte, der aufgeschlagene Band eines Musterkritikers, eine Hirnschale, die als Aschenbecher dient, ein Zeitungsblatt, nachlässig zusammengefaltet, aber so, daß man eine mit blauer Bleifeder umrandete Stelle sieht, neben welcher in großen Zügen die Randbemerkung »gemein« prangt. Daneben liegen ein Dutzend frischgespitzter Bleistifte und Federhalter mit neuen Federn, die offenbar der Möglichkeit vorbeugen sollen, daß irgend ein äußerer Einfluß oder Zufall, wie z. B. eine verdorbene Feder, auch nur auf eine Sekunde den freien schöpferischen Flug unterbreche …

      Krasnuchin wirft sich auf die Lehne des Stuhls zurück und vertieft sich mit geschlossenen Augen in sein Thema. Er kann hören, wie seine Frau mit den Pantoffeln schlurft und die Späne für den Samowar schlägt. Sie ist noch nicht ganz wach, was man daraus schließen kann, daß der Samowardeckel und das Hackmesser ihr immerwährend aus den Händen fallen. Bald läßt sich das Summen des Samowars und das Knistern der Butter beim braten vernehmen. Die Frau hört mit dem Späneschlagen nicht auf und klappert immerfort mit der Ofentür.

      Plötzlich fährt Krasnuchin zusammen, öffnet erschrocken die Augen, und beginnt mit der Nase in der Luft umherzuschnuppern.

      »Mein Gott, Ofendunst!« stöhnt er auf, die Stirn leidvoll runzelnd. »Dunst! Dieses unerträgliche Weib hat sich die Aufgabe gestellt, mich zu vergiften. Nun sagt mir doch einer, wie ich unter solchen Umständen schreiben kann?!«

      Er läuft in die Küche und läßt dort einen tragischen Monolog vom Stapel.

      Als die Frau ihm nach einiger Zeit, vorsichtig auf den Fußspitzen gehend, ein Glas Tee bringt, sitzt er wie vordem zurückgelehnt,

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