Die Sprache des Traumes – Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 3 – bei Jürgen Ruszkowski. Wilhelm Stekel
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„Halbes Abendblatt“ führt zu den Gedanken vom „Heiligen Abendmahl“. „Erstes Nachmittagablatt“ konnte nicht gedeutet werden. Wahrscheinlich Anspielung auf eine Szene zwischen Vater und Kindermädchen am Nachmittag.
Der vierte Traum zeigt uns die Uhr als Symbol des Herzens. Sein Herz (der Vater) stirbt nicht. Er wirft sie zu Boden, sie bricht nicht. Er merkt nur, wie viel es geschlagen hat. (Der Deckel springt auf.) Der Vater hat ihn nach der ersten Szene geschlagen. Aufspringen des Deckels = die Auferstehung = die Toten steigen aus den Gräbern.
Der fünfte Traum brachte uns eigentlich die Lösung einer Reihe von Träumen, auch der vorhergegangenen (Wir haben dies Phänomen, dass der nächste Traum der Nacht den vorhergehenden deutet, wiederholt beobachten können. Eine ganz vorzügliche, ausführliche Traumanalyse hat Otto Rank publiziert: „Ein Traum, der sich selbst deutet.“ (Jahrbuch für psychoanalytische Forschungen, II. Bd. 1910. F. Deuticke.) Der zweite Traum enthält die Deutung des ersten.). Denn die Analyse dauert ca. 10 Stunden. Hier sind bloß die Resultate dargestellt.
Zum Ökonom fällt ihm sein Bruder ein. Die Bäder blieben rätselhaft, bis ich darauf dringe, dass dieser Traum Beziehungen zum religiösen Komplex haben müsse. Er verneint dies; findet jedoch Anspielungen auf seinen Geiz, seine Sucht, Geld zu erwerben, ökonomisch zu leben. Weitere Einfälle gehen über Aaron zum „goldenen Kalb“. Diese Schmähung zielt wohl auf den dicken Herrn, der seinen Vater darstellt, obwohl er sehr ordinär, wie ein ungebildeter Fiakerkutscher aussah. Auch stand er da wie tot und starr, was wir ja verstehen werden, da es sich um den toten Vater handelt (Kutscher, der Lenker der Familie = der Vater; Fiaker, Zweigespann = Ehe, Fiakerkutscher = Ehemann, der Vater.)
Dann fällt ihm ein, dass es gar kein Bad war, nur eine Dusche, ein Benetzen des Hauptes. Schließlich erkennt er den Ökonom als einen Menschen, der an einem chronischen Ekzem leidet und löst ihn in ,,Ecce-homo!“ auf. Aaron. — Jean (Johannes), Ko — Kohn und Christus. Das Baden bedeutet die Taufe. (Johannes der Täufer!) Christus hat als erster die Taufe genommen. Er ist der große Einser! („Einzelbadezimmer“) Der Einzige, den er verehrt und anbetet. Er hat eine Zeitlang gezweifelt, ob er überhaupt getauft wurde, und beneidete Kaiser Konstantin (er nennt seinen Freund Kohn konstant Ko) darum, dass er sich am Totenbette taufen ließ und nun rein in den Himmel einziehen und die ewige Seligkeit erwerben konnte. Der „abscheuliche Dicke“ hatte auf die Taufe und die Wiedertäufer verzichtet, d. h. das Himmelreich verloren.
Doch das Wichtigste ist der Umstand, dass ihn der Ökonom im Traume sexuell erregte. Auch die Frage des Bruders, ob er den Penis gesehen habe, wird verständlich. Christus war seine erste religiöse und erotische Liebe. Die Schweißfüße sind die blutigen Füße des Sohnes Gottes.
Aber seine Sünden sind noch viel größer. Er litt eine Zeitlang in der Kindheit an dem Größenwahn, selber der Sohn Gottes zu sein. Er war sich selber Christus. Seine Familie war die heilige Familie. Der Vater Gott, der Bruder der Heilige Geist und er der „Sohn Gottes“. Deshalb wundert er sich im Traum, dass Christus größer ist als er. Er ist der Erlöser. Er büßt die Sünden seines Vaters und hat sieh ans Kreuz der Neurose geschlagen. Seine Hauptsünde: sein Gott war seine erotische Liebe. Er hat es als Knabe bedauert, dass Christus immer ein Tuch um die Lenden getragen hat. (Siehe den wichtigen Traum Nr. 9 und die Träume Nr. 186.) Eine andere Sünde: Er wollte einmal den Penis des Vaters sehen und sagte: „Bitte, Papa, zeig‘ mir dein Pipi!“ Dafür kriegte er ordentliche Hiebe und Schelte. Darauf bezieht sich die Frage des Bruders am Schluss dieses Traumes. Am nächsten Tage träumt er eine Variante — den sechsten Traum. Die Frau schildert er: eine dicke, ordinäre Person, grauslich, gewinnsüchtig, lüstern, eine Köchin, die die schlechten Eigenschaften aller seiner kindlichen Bekanntschaften hat. Der bisexuelle Charakters des Träumers ist deutlich. Die Hauptsache, dass er den Vater (den Dicken des fünften Traumes) als altes Weib darstellt. Er ist das Jesuskind. Der Vater hindert ihn am Onanieren.
Im letzten Traum packt ihn die Reue für die Schmähungen, die er dem geliebten Vater zugetan hat. Er will zum Vater in die Gruft hinab. Selbstmordgedanken. Ein Engel (sein Arzt) hindert ihn daran. Der Engel erinnert ihn an ein Bild von der Auferstehung Christi. Diese ist ja im dritten Traume (das Wunder als ,,sich wundem“ ausgedrückt) ausgeführt. Auch das Springen des Uhrdeckels ist das Springen der Gruft, da Christus auferstand. Der Engel ist auch der Engel mit flammendem Schwert, der die Sünder aus dem Paradiese vertreibt. Wir erfahren den tiefsten Grund seiner Impotenz. Er kann zum Weib nicht geben, weil er nicht würdig ist, ein Weib zu besitzen. Der Engel vertreibt ihn aus dem Paradiese. (Zentralfriedhof = Gruft = Vagina (Auch das „gelobte Land ist die Vagina, Moses oder Aaron (Aaronsstab! Der Penis. (Anthr. III. S. 436.)). Er hat ein Grauen vor dem Weibe, das ihm die Sünde personifiziert. Sein Penis klappt jedes Mal zusammen, wenn er ihn in die Vagina stecken will. Zwischen ihm und dem Weibe stehen der Tod und die Sünde.
Er träumt von der Auferstehung! Das ist das große Wunder. Er erwartet die Renaissance seiner Potenz. Sein Penis soll aufstehen. Sein Membrum ist seine Gottheit. Sein Gott ist tot. Er kann nicht glauben und nicht beten — aber auch nicht ein Weib besitzen.
Der zweite Traum zeigt ihm den Tod des Vaters und die verlorene Potenz. Er hat keinen Penis mehr. Nur einen Fuß. Sein Fußfetischismus ist die Buße für die vermeintlichen Sünden des Vaters und seine eigenen Vergehen.
Durch alle Träume klingt es wie Hoffnung auf eine baldige Genesung. Der Coup gelingt. Der Vater stirbt. Die Uhr fällt zu Boden und ein Engel bewahrt ihn vor dem Verderben.
Auch in anderer Form spielt der Glaube in seine Neurose hinein. Er leidet an Straßenangst. Eigentlich Angst vor „Revenants“. Der Vater könnte wieder auferstehen und ihm mahnend entgegentreten. Der Teufel könnte ihn holen (Seine wichtigste Frage ist: „Fromm sein“ oder „Ungläubig“, „Himmel“ oder „Hölle“? Wo ist der Vater? Wie muss er leben, um den Vater wieder zu sehen? Er bedauert, dass er kein Protestant ist. Dann könnte er sich taufen und alle seine Sünden wären vergeben. Das Sakrament der Taufe löscht die Sünden der Vergangenheit. Er ist dann wie neugeboren... Manche Menschen wollen die Religion wie eine Wohnung wechseln, damit sie ihr Ungeziefer in den alten Räumen zurücklassen können.).
Es hat ein Jahr emsiger Arbeit bedurft, um diesen verschütteten religiösen Komplex zu heben. Er fehlt fast bei keiner Neurose, mögen sich die Kranken noch so aufgeklärt und atheistisch gebärden. Sie glauben alle, sind Frömmlinge dem Gefühle nach. Im Intellekt haben sie wohl den Glauben überwunden. Aber die infantilen Affekte sind für ewig ins Herz gebrannt und melden sich in den bösen Stunden (Beta hatte eine klerikale, bigotte Engländerin. Wir unterschätzen diese Einflüsse. Wir laufen ja immer unseren historischen Imperativen nach. Die Worte der Erzieher haben für uns Ewigkeitswert, und wir leiden alle mehr oder weniger an den Folgen der sogenannten „guten“ Erziehung.). Das Herz, das unerschütterliche Kinderherz glaubt noch immer, wenn der Verstand sich jenseits von Glauben und Frömmigkeit dünkt (Die wichtigste traumatische Szene, die im Leben des Herrn Beta eine Rolle gespielt hat, eine Badeszene, taucht hier das erste Mal auf (Traum 544). Sie wird uns noch des Öfteren beschäftigen. Sie kehrte in zahlreichen Variationen in den Träumen Beta‘s wieder, bis sie durch die Psychoanalyse erinnert und endgültig aufgelöst wurde. Wir werden noch oft Gelegenheit haben auf diese Szene zurückzukommen. Der Träumer und sein Bruder badeten zusammen in einer Wanne und trieben allerlei erotische Spiele, als plötzlich der Vater hinein kam und über beide Knaben ein schreckliches Donnerwetter niedergehen ließ. Der Patient behauptet, dass sowohl seine Gewitterangst, als auch die seines Bruders, diese infantile Wurzel haben.).
Auch der Träumer, der an Stelle seiner Mutter die Bibel sieht, ist ein fanatischer Freidenker und Häckelianer. Ein „Monist“ strengster Observanz. Doch nur nach außen. Der religiöse Komplex verschmilzt meistens mit dem Elternkomplex