Die Sprache des Traumes – Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 3 – bei Jürgen Ruszkowski. Wilhelm Stekel
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Glücklicherweise sind nicht alle kriminellen Träume so schwer zu analysieren. Gleich der folgende Traum des Herrn Kappa bringt ein anderes Bild:
Der Traum von der ermordeten Bäuerin
(452) „Johann X, und ich gingen von einer Landpartie zurück. Am Rückweg erfuhren wir, dass dort, wo wir gewesen waren, eine Bäuerin ermordet worden war. X. erschrak darüber, was mich wunderte. Dann fanden wir die beiden Beine der Bäuerin am Weg. Ich sagte zu X., wir sollten die Beine mitnehmen. Er war darüber noch mehr entsetzt und wollte besonders das eine Bein nicht mitnehmen. Da hatte ich plötzlich den großen Verdacht, dass er der Mörder sei. Nun gingen wir nach Hause, er zu sich, ich zu Bekannten, wo abends nun große Gesellschaft sein sollte. Johann kam, bevor die Gesellschaft anfing, und ich saß mit ihm in einem kleinen Zimmer. Er war totenbleich, ich wusste nun fast sicher, dass er der Mörder war. Schließlich kam, eben als alle Leute zum Essen schon da waren, die Polizei und verhaftete ihn. Er ging nicht durch das Speisezimmer und alle Leute gingen in das Nebenzimmer, um nicht seine Verhaftung zu sehen. Ich war furchtbar erschüttert und dachte, dass er gewiss zum Tode verurteilt werde, also dass ihm mithin eine Summe Geldes, die er bald erhalten sollte, nichts mehr nützen würde.“
Herr Kappa ist der Mörder. Die Bäuerin ist sein Bruder (Eine andere Bedeutung: Er hat sich selbst gemordet. Er hat sich durch die Onanie (Kalter Bauer) um das Leben gebracht). Er erbt sein Geld, das ihm gar nichts nützt, da er zum Tode verurteilt wird.
Er leidet an Platzangst. Er „spielt“ den Mörder, der von der Polizei davon läuft. Am liebsten fährt er im raschen Auto, um die Verfolgung zu verhindern. Der Traum ist die Wiederholung einer Wachphantasie. Das eine Bein, das er mitnehmen will, ist der Penis. (Das dritte Bein!) Er will den Bruder kastrieren, aus ihm ein Weib (eine Bäuerin) machen. Das ist seine Rache, weil sich der Bruder mit Weibern herumtreibt, während er bis zu der Behandlung psychisch impotent war. Der Johann X geht auf Johann Parricida (Johann von Schwaben, Herzog von Österreich und Steyer, genannt Parricida, lat. für Vater- oder Verwandtenmörder). Davon zeugen die nächsten Träume des Herrn Kappa. Sie wurden in einer Nacht geträumt, gehören also zusammen:
(453) „Halb wach sah ich Papas Gestalt in langem, weißem Gewand links von meinem Bett. Ich sah ihn fragend an. Er antwortete mir: „Du kannst alles sagen; du sollst es; es war nur einmal oder zweimal.“ Ich wiederholte: „Einmal oder zweimal. Das ist wichtig.“ Ich sah, als ob ein dunkler Stumpf zweimal gegen oben stieß. Das kann ich nun und muss ich dem Dr. Stekel sagen.“
(464) „Ich ging mit meinem Bruder des Nachts spazieren. Es war der herrlichste Sternenhimmel und einige prachtvolle Kometen mit dichten Schweifen am Firmament. Alle Augenblicke platzte ein Kometenstern und es ging Rauch ab, dann sprangen zahlreiche Funkenpunkte vom Kometen ab, wie Raketen, und fielen dann erlöschend zur Erde.“
(455) „Ich wollte durchaus einen Raben schießen, aber es war keiner zu sehen.“
(456) „Ich hatte schrecklich wirre Träume. Selbstmordideen wechselten mit Gefühlen von höchstem Genuss, oder war dies nur eine Idee? Ich freute mich, sterben zu können. Dann dachte ich, ich müsse Dr. Stekel alles sagen, nur so könnte ich noch leben. Dann sah ich plötzlich den Kopf meines Bruders, und wusste nicht, ob es nicht das Haupt Papa‘s sei, als er noch jung gewesen. Ich erwachte und hörte 2 Uhr schlagen. Auch kamen mir Faust‘s Worte in den Sinn: „Es möchte kein Hund so weiter leben!“
Ja — er ist ein Vatermörder. Er wollte zweimal einen Mord begehen (Vater und Bruder). Er wollte einen Raben (Rabenvater) schießen. Er wollte sie beide kastrieren. (Komet = Stern mit langem Schweife.) Er wollte ein Feuer legen. (Rauch!) Infolge der Talion traten Selbstmordideen auf. Er kann nicht so weiter leben.
In der nächsten Stunde wurden die Mordphantasien bewusst erinnert...
Der nächste Traum bringt die Bestätigung, dass der Rabe der Vater ist. Er erschießt einen Purpurreiher. (Purpur — Krönungsmantel — Vater) (Zu „Purpurreiher“ vergleiche meine Schrift „Dichtung und Neurose“ S. 54. Der Träumer kennt das Buch sehr genau.) Der Purpurreiher ist in diesem folgenden Traume eine Art Papagei. (Papa!).
Dieser wichtige Traum lautet:
(457) „Wir waren auf einer Jagd, aber ich war ganz städtisch gekleidet. Nun stellten wir uns an. Neben mir schoss ein Herr einen Raben, ich wollte auch darauf schießen, aber ich konnte wegen meines Winterrockes nicht schießen. Nun zog ich ihn aus und schoss von einem Baum, auf dem eine Menge Vögel saßen, einen Purpurreiher, eine Art Papagei und einen grauen Raben. Dann sah ich, dass der Papagei noch nicht ganz tot war, und wusste nicht, wie ihn umzubringen.“
Wie Herr Kappa seine Mordgedanken büßen will, das zeigt uns der nächste Traum, der uns auch die aus Traum Nr. 451 bekannte Leiter bringt, von der man so leicht fallen kann. Auch sehen wir, dass seine Fußideen Bußideen sind. Einmal erlitt er einen schweren Angstanfall, als er einen Auerhahn (Der Auerhahn gebt auch auf seine Vergiftnngsideen mit Gas. Sie hatten in der Wohnung Auerlicht. Er wollte die ganze Familie durch Ausströmen des Gases töten.) schießen wollte. Dahinter steckte wieder die Phantasie des Vatermordes. Ein anderes Mal konnte er keinen hohen Kragen tragen. Die Spitzen genierten ihn furchtbar. Das war ja selbstverständlich. Diese Kragen heißen ja „Vatermörder“.
Auch ein zwangsartig auftretender Traum: „An deiner Krankheit ist der Gastfreund Hospes schuld!“ fand seine Erklärung in dem Gastfreund aus den „Kranichen des Ibykus“. Die Reihe ist: Rabe, Auerhahn, Purpurreiher, Papagei — Kraniche. (Er hasst alle Vögel — besonders die Raben.)
Ein Teil seiner neurotischen Symptome, besonders die Fuß- und Bußideen gehen auf den Eindruck des Schillerschen Gedichtes zurück. Er ist der Mörder, der die Entdeckung fürchten muss. Es ist interessant, an diesem Beispiele den Einfluss der Lektüre auf die Neurose zu studieren.
„Er geht vielleicht mit frechem Schritte
jetzt eben durch der Griechen Mitte.“
Er hat Angst vor dem Gehen (Eine andere Assoziation stammt aus „Edward“, der bekannten schottischen Ballade, in der ein Vatermörder ausruft: „Auf Erden soll mein Fuß nicht ruh‘n.“ Kappa fährt immer im Wagen.).
„Er mengt sich dreist in jene Menschenwelle.
die dort sich in‘s Theater drängt“
Er fürchtet Menschenmengen und kann in kein Theater gehen.
„Da sieht man Schlangen hier und Nattern,
die giftgeschwollnen Bäuche bläh‘n.“
Er hat eine außerordentliche Angst vor Schlangen.
„Wir heften uns an seine Sohlen
Das furchtbare Geschlecht der Nacht.
Und glaubt er fliehend zu entspringen
Geflügelt sind wir da, die Schlingen
Ihm werfend um den flüchtgen Fuß.“
Er ist immer auf der Flucht. Er ist Fußfetischist.
„Nur Helios vermag‘s zu sagen,
der alles Irdische bescheint.“