Die Sprache des Traumes – Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 3 – bei Jürgen Ruszkowski. Wilhelm Stekel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Sprache des Traumes – Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 3 – bei Jürgen Ruszkowski - Wilhelm Stekel страница 6
Seit mir, besonders nach der Analyse des nächsten Traumes, diese kriminellen Phantasien bewusst wurden, habe ich alle Angstgefühle verloren. Ich laufe nicht mehr durch die Straßen, wie ein gehetzter Verbrecher. Ich zittere nicht mehr vor einem Schutzmanne. Ich gehe ruhig ins Theater und freue mich wieder meines Lebens.“
Der nächste Traum desselben Träumers brachte eine Mordsymbolik, die der Analyse die größten Schwierigkeiten bereitet hätte, wenn mein Einfall nicht den Knoten gelöst hätte.
Die unwillige Braut
(451) „Ich hatte mich mit einem Mädchen plötzlich verlobt, weil sich kurz vorher einer meiner Freunde gleichfalls verlobt hatte. Meine Braut und ich saßen in einem Restaurationsgarten; sie ging einen Augenblick hinaus. Ein mir benachbart sitzender Herr erzählte mir darauf, dass meine Braut eine Schneiderin sei und dies Gewerbe auch nach ihrer Hochzeit fortsetzen würde. Mir war dies sehr unangenehm, zumal ich meiner Mutter von der Sache überhaupt noch nichts mitgeteilt hatte, und ich wollte die Verlobung wieder rückgängig machen. Ich bat einen Bekannten, namens Mücke, auf alle Fälle zu mir zu kommen, da ich ihn notwendig sprechen müsse.
Meine Braut und ich stiegen eine Leiter herauf, um eine schmale Brücke zu überschreiten. Hinter mir befanden sich mein Freund und dessen Braut. Ich bemerkte, dass die Brücke hin und her schwankte und hatte große Angst, sie zu betreten. Ich stieg deshalb die Leiter wieder hinab. Meine Braut war unwillig und sagte, sie hätte mich bisher für einen ganz anderen Mann gehalten; es sei ihr unverständlich, dass ich mich nicht getraute, die Brücke zu betreten.“
Mitten in der Analyse von Mordphantasien, Vergiftungsszenen, Brandstiftungen, Unterschlagungen platzte dieser Traum von der „Braut“ hinein. Dem Träumer fiel zur „Brant“ gar nichts ein. Er hatte keine Braut und keineswegs die Absicht, sich zu verloben. Da war ich auf das Traummaterial allein angewiesen. „Die Braut ist eine Schneiderin“. „Sie will das Gewerbe nach der Hochzeit fortsetzen.“ „Die Mutter weiß von der Sache nichts.“ „Der Bekannte Mücke soll kommen.“
Plötzlich wusste ich es. Es handelte sich um einen Mord. Die Mücke hat einen Stachel, der Träumer will einen Degen haben, der gut „schneiden“ kann. Da fiel mir das Schwertlied von Körner ein. Ob es ihm bekannt sei? „Natürlich“, rief er erregt aus: „Das war ja als Bursche mein Leiblied“.
Nun war die Braut klar. Es handelt sich um die Eisenbraut.
Zur Erklärung müssen wir das „letzte“ Lied von Theodor Körner heranziehen. Es bedarf keiner Analyse. Es spricht für sich selbst:
Schwertlied
Du Schwert an meiner Linken, was soll dein heit‘res Blinken?
Schaust mich so freundlich an, hab‘ meine Freude dran. Hurra!
Mich trägt ein wackrer Reiter, drum blick‘ ich auch so heiter;
bin freien Mannes Wehr; das freut dem Schwerte sehr. Hurra!
Ja, gutes Schwert, frei bin ich, und liebe dich herzinnig,
als wärst du mir getraut, als eine liebe Braut. Hurra!
Dir hab‘ Ich‘s ja ergeben, mein lichtes Eisenleben.
Ach, wären wir getraut! Wann holst du deine Braut? Hurra!
Zur Brautnachts-Morgenröte ruft festlich die Trompete;
wenn die Kanonen schrei‘n, hol‘ ich das Liebchen ein. Hurra!
O seliges Umfangen! Ich harre mit Verlangen.
Du Bräut‘gam, hole mich; mein Kränzchen bleibt für dich. Hurra!
Was klirrst du in der Scheide, du helle Eisenfreude,
so wild, so schlachtenfroh? Mein Schwert, was klirrst du so? Hurra!
Wohl klirr ich in der Scheide: ich sehne mich zum Streite,
recht wild und schlachtenfroh. Drum, Reiter klirr ich so. Hurra!
Bleib‘ doch im engen Stübchen; was willst du hier mein Liebchen?
Bleib‘ still im Kämmerlein; bleib‘, bald hole ich dich ein! Hurra!
Lass‘ mich nicht lange warten! schöner Liebesgarten,
voll Rösslein blutigrot und aufgeblühtem Tod! Hurra!
So komm‘ denn aus der Scheide, du Reiters Augenweide!
Heraus, mein Schwert, heraus! Führ‘ dich ins Vaterhaus. Hurra!
Ach herrlich ist‘s im Freien, im rüst‘gen Hochzeitreihen!
Wie glänzt im Sonnenstrahl so bräutlich hell der Stahl! Hurra!
Erst tat es an der Linken, nur ganz verstohlen blinken;
doch an die Rechte traut Gott sichtbarlich die Braut. Hurra!
Drum drückt den liebeheißen bräutlichen Mund von Eisen
an eure Lippen fest! Fluch! wer die Braut verlässt. Hurra!
Nun lasst das Liebchen singen, dass helle Funken springen!
Der Hochzeitsmorgen graut — Hurra, du Eisenbraut! Hurra!
Nun ergießt sich der Schwall der Einfälle: Er hat über seinem Bette zwei Degen; auf dem Schreibtisch liegt ein venezianischer Dolch; in der Tasche trägt er ein kleines Skalpell statt eines Federmessers. Ihn interessiert das Sezieren der Mediziner. Er wäre am liebsten Chirurg geworden usw. Deutet der Restaurationsgarten auf seine Vergiftungsideen, so spricht die Eisenbraut, die „Schneiderin“ ist, von Ermorden. Das Opfer soll der Schwager sein. Jetzt verstehen wir erst, „dass meine Braut Schneiderin sei und das Gewerbe nach der Hochzeit fortsetzen würde.“ Schwager und Schwester sind jünger als er. Deshalb gehen der Freund und seine Braut hinter ihm. Denn der Freund und die Braut sind sein Schwager und seine Schwester. Er will seinen Schwager ermorden! Die Leiter ist die Himmelsleiter, und die Brücke (Eine andere kriminelle Bedeutung der „Brücke“ stammt aus dem Wunsche, eine Brücke möge einstürzen und den Schwager in die verderbenbringenden Fluten schleudern. Jede Brückenangst zeigt eine ähnliche kriminelle Wurzel.) führt in die Ewigkeit. Seine Eisenbraut war unwillig wegen seiner Feigheit.
(„Ich hatte Angst, die Brücke zu betreten.“) Er ist ein Feigling. „Sie
hätte mich bisher für einen ganz anderen Kerl gehalten; es sei ihr unverständlich, dass ich mich nicht getraute, die Brücke zu betreten.“
An diesem Tage hatte er nach langer Zeit des Wohlbefindens wieder heftige Angstanfälle in den engen Gassen, wo die hohen Häuser stehen. Es wird noch eine wichtige Erinnerung gehoben. Er wollte als Knabe die Schwester aus Eifersucht