Die Sprache des Traumes – Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 3 – bei Jürgen Ruszkowski. Wilhelm Stekel
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Es folgen nun zwei Träume eines an „epileptischen Anfällen“ leidenden Mannes, den wir schon aus dem „Roman Reissigertraum“ (220; auch 285 und 286) kennen.
Der Traum von den Wassertropfen
(446) „Ich lag im Bette, als ich durch einen Wassertropfen, der mir aufs Gesicht fiel, erwachte. Ich sah zur Decke, bemerkte aber nichts, und schlief wieder ein. Kurze Zeit danach wachte ich durch dieselbe Ursache wieder auf; ich betrachtete nun den Plafond (Geschossdecke) genau und sah, dass durch eine große Anzahl von kleinen Löchern Wasser durchdrang.
Ich ging zum Hausbesorger und sagte ihm diesen Vorfall und nannte das Haus eine Spelunke. Er wurde darüber aufgebracht und sagte, er wisse ohnehin schon die Ursache; in einem oberen Stockwerke sei ein Wasserreservoir schadhaft, und deshalb dringe das Wasser durch, aber deshalb sei ich noch nicht berechtigt, das Haus eine Spelunke zu nennen. Wir stritten dann noch eine Weile, dann wachte ich auf.“
Der Träumer leidet an einer quälenden Eifersucht auf seinen Schwager, die ihm jedoch kaum bewusst ist. Der Traum ist eine typische Mutterleibsphantasie. Doch hinter der Bedeutung Wasser = Urin, Hausbesorger = Vater verbirgt sich eine viel wichtigere: Wasser = Blut; Hausbesorger— Schwager.
Seine Ruhe wird durch den Schwager gestört. Diesen will er ermorden. Im oberen Stockwerke des Träumers ist etwas nicht richtig. Seine Mordphantasien verfolgen ihn und sind die Ursache der hysterischen Absenzen geworden, die irrtümlicherweise für epileptische (Dieser Traum erfüllt auch seinen Wunsch zu „schlafen.“ Die Anfälle sind auch eine Wunscherfüllung in diesem Sinne: Ewiger Schlaf. Wiederholt „schläft“ er in seinen Träumen und erwacht. Auch das ist eine Wunscherfüllung. Sein Leben erscheint ihm wegen der Übermächtigkeit des Unbewussten wie ein böser Traum. Er möchte aus diesem bösen Traume erwachen. Dieser Wunsch wird ihm in diesem Traume wiederholt erfüllt. Auch aus seinen Anfällen wird er durch Bespritzen mit Wasser geweckt.) gehalten wurden. Seine Assoziationen waren: drei Blutstropfen im Schnee, Schneewittchen und die Bartholomäusnacht. Der Schwager ist Protestant (Hugenotten). Er las bei einer Schilderung von der Bluthochzeit, dass das Blut durch den Plafond durchgesickert sei. Er kann infolge seines bösen Gewissens nicht den Schlaf des Gerechten schlafen. Seine bösen Gedanken wecken ihn. Sie lassen ihn nicht schlafen.
Noch versteckter sind seine Mordphantasien im nächsten Traume:
Der Traum von der böhmischen Köchin
(447) „Wir hatten eine große Gesellschaft; Kollege X. samt Frau und zwei Schwestern, dann ein Hauptmann und ein Major. Ich konnte nicht genug staunen ob dieses ungewöhnlichen Besuches und rief unsere Wirtschafterin, Anna mit Namen, herein, um ihr Weisungen bezüglich der Bewirtung des Besuches zu geben. Da sie nicht erschien, ging ich in die Küche, um sie zu holen. Sie sagte, wegen des Nichterscheinens zur Rede gestellt, sie finde ihre Schuhe nicht. Ich wurde ärgerlich und meinte: „Es ist merkwürdig, immer finden Sie die Schuhe, gerade heute, wo ich Sie brauche, haben Sie diese Ausrede; spielen Sie sich nicht!“
Sie wurde auch böse und ließ ihre Augen rollen, so dass ich dieselben jetzt noch im Geiste sehe. Ich ärgerte mich furchtbar und wachte mit einem wüsten Kopfe auf.“
Aus der hochinteressanten Analyse will ich nur einige Streiflichter mitteilen. Die böhmische Köchin entpuppt sich als ein anderer „Böhm“: Sein tschechischer Schwager. Der Schwager hat einen „stechenden“ Blick und „rollende Augen“. Er möchte aber gerne selber einen bösen (stechenden) Blick haben und den Schwager mit bösen Gedanken töten. Sein Schwager ist jetzt avanciert und ist schon Rat (Majorsrang) — er selbst ist noch Oberoffizial und hat Hauptmannsrang. Der Schwager ist auch physisch stärker und größer (major!). Die Schuhe haben hier die Bedeutung eines Todessymbols. Der Schwager soll bald sterben. Er soll sich auf die Reise machen. Der Schwager soll nicht mit ihm „spielen“. Denn er hegt finstere Rachegedanken gegen den Mann, der ihm seine Schwester geraubt hat. Zweite Bedeutung des Schuhes: Seine Schwester. Kollege X. hat einen Schwager durch den Tod verloren. Deshalb ist er hier im Traume erschienen.
Die Bewirtung dieser Gäste soll unangenehme Folgen haben. Er will den Schwager vergiften! Er will ihm Gift in die Speisen mischen. Er will die Köchin sein, die ihm die Schuhe zum letzten Marsche zur Verfügung stellt. Er hat eine ihn seit Jahren verfolgende Angstvorstellung: Der Schwager könnte noch ein drittes Kind erhalten. Der Gedanke macht ihn rasend. Allerdings, er motiviert diese Angst mit Geschwisterliebe. Das würde seine Schwester nicht aushalten. Der verhasste Schwager soll nicht mit der Schwester „spielen“; er soll sein Haus in Ordnung halten, dass sie keine Amme wird. (Zwei Schwestern = der Busen; die Wassertropfen im Gesichte = Milch.) Deshalb will er ihn aus der Welt schaffen (Der Träumer erinnert sich nur einer sexuellen Aggression auf die Schwester, sonst keiner Phantasien. Damals war er 17 Jahre alt.).
Diese Mordszene geht immer in einem hysterischen Anfalle vor sich. Die meisten Epileptiker sind Hysteriker mit verdrängten kriminellen Impulsen. Im Anfall geht das Verbrechen vor sich.
Der Träumer gibt diese Rachephantasien zu. Mit der Analyse dieses Traumes setzte die Besserung ein, die zu einer vollständigen Heilung der Anfälle führte…
Am Abend vor dem Traume kamen ihm alle Speisen bitter vor. Das Bier erschien ihm ekelhaft. Er erbrach das Abendbrot und dachte, in den Speisen sei irgendein Gift gewesen. So meldete sich sein böses Gewissen. Dieser Kranke trug schon, seit er die Anfälle hatte, keine Uniform. Angeblich, weil es eine Schande wäre, in Uniform umzufallen. Die Analyse ergab, dass er sich vor sich selber fürchtete. Er wollte nicht mit einem Degen zum Schwager gehen. Er ist der Kollege X., der einen Schwager verloren hat, der Hauptmann, der den Feind niedersticht, der Major, der sich als der stärkere und höhere erweist; denn er triumphiert über seinen Gegner. Er ist auch die Köchin, die Gift in die Speisen mischt. Er spielt alle Personen seines Traumes.
Sein Neid gegen den Schwager entspricht einer verdrängten Bewunderung und Liebe für den Mann. Ihm gegenüber fühlt er sich als „Waschlappen“ (Köchin!). So bringt auch dieser Traum den „psychischen Hermaphroditismus“ des Träumers zum Ausdruck. Eine Aggression mit dem Degen wagt er nicht. Er wählt im Traume ein weibliches Verbrechen: die Vergiftung. Er triumphiert mit weiblichen Mitteln.
Herr Hammer träumt:
(448) „In einem roten Zimmer liegen viele Leichen, vertrocknet, gelb und fahl, wie Zündhölzchen in einer Schachtel. Auch zwei altmodische Strohhüte, einer rot, der andere blau, hängen an den Wänden. Ich habe die Empfindung, die werden ihren Trägerinnen Unglück bringen.“
Herr Hammer ist ein Philanthrop und beschäftigt sich mit Erlösungs- und Rettungsphantasien. In diesem Traume ist er Brandstifter. Er will das Haus in Brand stecken (rotes Zimmer — Zündhölzchen), damit alle Geschwister und die Mutter verbrennen und er der alleinige Erbe des großen Vermögens bleibe. Er dachte immer bewusst darüber nach, ob nicht eine Seuche oder ein Eisenbahnunglück dem älteren Bruder und