Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018 - Alfred Bekker страница 19
„Du brauchst dich um nichts zu kümmern. Aziz schaut vorbei und regelt alles. Er hat einen Schlüssel.“
„Gut.“
„Ich lasse dir genug Geld da, damit du über die Runden kommst.“
Wenig später kam das Taxi. Als Robert weg war, fühlte sie sich, als würde sie in ein großes, finsteres Loch fallen. Langsam begann ihr jetzt zu dämmern, wie sehr ihr Leben bereits um diesen Mann zu kreisen begonnen hatte.
Eigentlich hatte sie nichts dagegen. Eigentlich wünschte sie sich nichts anderes als genau das: um ihn zu kreisen wie ein Planet um seine Sonne.
Aber da war die Sache mit dem Pass. Und eine Ahnung von Misstrauen. Sie konnte nichts dagegen tun, es hatte begonnen, an ihrer Seele zu nagen, und sie konnte sich nicht dagegen wehren...
Unwillkürlich kamen ihr die Geschäfte ins Bewusstsein, mit denen Robert sein Geld verdiente... Viel Geld, wie auf der Hand lag. Sehr viel...
Was mögen das nur für Geschäfte sein?, dachte sie und zermarterte sich das Hirn. Am Ende gar Drogen oder etwas in der Art?
Robert hatte Elsa gegenüber bisher standhaft über die Herkunft seines Geldes geschwiegen.
Dann die Sache mit dem zweiten Pass... Wer, außer einem Mann, der seine Identität verdunkeln musste, brauchte mehrere! Es schien alles zusammenzupassen.
Elsa erschrak über ihre eigenen Gedanken. Mein Gott!, dachte sie. Das grenzt ja an Paranoia!
Sie sah ihren Traum bereits wie eine Seifenblase zerplatzen. Ein Teil von ihr weigerte sich, den Gedankengang zu Ende zu führen. Aber er ließ sich nicht einfach so aufhalten. Die Gedanken kamen wie von selbst, und sie konnte sie nicht stoppen.
Auf einmal hatte Elsa rasende Kopfschmerzen.
Elsa fühlte sich wie betäubt.
Ich lege mir da etwas zurecht, versuchte sie sich selbst einzureden.
Sie traute ihrer eigenen Wahrnehmung nicht so ganz. Sie erinnerte sich daran, dass sie sich früher oft verfolgt gefühlt hatte. Nicht nur, wenn sie in einsamen, finsteren Nebenstraßen einem nur als schattenhafter Umriss erkennbaren Unbekannten begegnete, sondern auch in ganz anderen Situationen. Im Kaufhaus zum Beispiel.
Eine Hälfte von ihr hatte immer gewusst, wie absurd das alles war und dass das alles nur ihrer Einbildungskraft entsprang. Die andere Hälfte zitterte vor Angst.
So ähnlich war es auch jetzt.
Sie ging hinauf ins Schlafzimmer, um in ihren Sachen nach Tabletten gegen die Kopfschmerzen zu suchen. Sie hatte immer so etwas dabei gehabt, seit sie 13 gewesen. Sie nahm die Tabletten, wenn sie Kopfschmerzen hatte, wenn ihre Regel im Anzug war - oder wenn sie sich ganz einfach schlecht fühlte.
Im Augenblick trafen alle drei Dinge auf einmal zu. Es war furchtbar.
Sie wühlte ihre Sachen durch, und schließlich fand sie, was sie gesucht hatte. Die Tabletten waren in der kleinen weißen Handtasche, die sie oft bei sich hatte.
Sie nahm ein paar, drei oder vier, und dann ging sie nebenan ins Bad, um sie mit etwas Wasser hinunterzuspülen.
Im Allgemeinen wurde davor gewarnt, das Leitungswasser unabgekocht zu trinken, aber das kümmerte sie im Augenblick nicht. Sie dachte überhaupt nicht daran.
Ihre Hand glitt die in Augenhöhe angebrachten Ablage entlang und suchte nach einem Zahnputzbecher, während sie eine Tablette bereits im Mund zerkaut hatte. Sie schmeckten scheußlich, und so verzog sie das Gesicht zu einer Grimasse.
Irgendetwas fiel ins Waschbecken. Es war ein Rasierapparat. Sie war ziemlich ungeschickt.
Dann hatte sie endlich den Becher, ließ ihn voll Wasser laufen und spülte nach. Und nach der nächsten Tablette wieder. Und dann noch einmal.
Als sie den Blick hob und den Rasierer zurück an seinen Ort legen wollte, sah sie ein paar Schminkutensilien, die ihr bisher noch nie aufgefallen waren.
Sie runzelte die Stirn. Für einen Mann in Roberts Alter war es nichts Außergewöhnliches, ein paar graue Strähnen im Haar zu haben. Und es war auch nichts dagegen einzuwenden, mit entsprechenden Mitteln etwas dagegen zu tun. Das galt für Männer ebenso wie für Frauen. Aber was Elsa hier vorfand, ging genau in die entgegengesetzte Richtung: eine graue Haartönung!
Ihr Interesse war jetzt erwacht, und trotz der Kopfschmerzen untersuchte sie sorgfältig, was sich da in Roberts Schrank befand.
Im ersten Moment hatte Elsa an eine Frau gedacht. Eine Frau, die vielleicht - ebenso wie sie selbst - Roberts Geliebte gewesen war und diese Sachen hier zurückgelassen hatte.
Aber bei näherem Hinsehen sah es dann wie etwas ganz anderes aus. Es schienen die Utensilien eines Clowns oder besser: eines Schauspielers zu sein, der sich mit Schminke maskierte.
In ihr begann es zu arbeiten. Wozu konnte Robert solche Schminkutensilien benötigen? Er machte nicht den Eindruck eines Mannes, der in seiner Freizeit in einer Laienspielgruppe mitarbeitete...
Ein Mann, der mehrere Pässe besaß, brauchte möglicherweise auch mehrere Gesichter!
Bestimmt gibt es für alles harmlose Erklärungen!, hämmerte es verzweifelt in Elsas Kopf. Aber sie glaubte nicht daran. Ihr Instinkt sagte etwas anderes. Mit Robert war etwas nicht in Ordnung.
Und wenn er am Ende gar nur an einem Kostümfest teilgenommen hatte?
Es hat keinen Sinn, dachte sie.
Bis jetzt bestand alles nur aus Spekulationen. Ein Kartenhaus, das sich auf einen britischen Pass stützte, den sie flüchtig gesehen hatte und von dem sie nicht einmal mit Sicherheit sagen konnte, dass er Robert gehörte.
Vielleicht hatte ihn irgend jemand verloren, vielleicht hatte Robert ihn gefunden und eingesteckt, um ihn bei irgendeiner Stelle abzugeben. Und vielleicht war das Dokument dann einfach in seiner Tasche geblieben, weil er es vergessen hatte... Vielleicht, vielleicht...
Sie fasste sich an den Kopf. Ihr Daumen presste gegen die Schläfe. Mein Gott!, dachte sie. Wie schnell wird aus einem Traum ein Alptraum!
Du redest dir etwas ein, durchfuhr es sie dann. Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte und was nicht. Sie ging schleppend nach nebenan, ins Schlafzimmer und ließ sich ins Bett sinken. Ihren Kopf vergrub sie im Kissen.
Sie fühlte sich müde und zerschlagen, obwohl sie doch gerade erst aufgestanden war. Elsa wartete, bis das Mittel, das sie genommen hatte, endlich anfing zu wirken. Aber besonders gut fühlte sie sich trotz dem nicht. Später, als sie dann hinunter ins Wohnzimmer ging, stand die Tür zur Terrasse auf. Zunächst war sie etwas verwundert, aber dann sah sie Aziz durch das Fenster.
Er beugte sich hinunter zum Swimmingpool und hantierte mit einer kleinen Apparatur aus winzigen Glasröhrchen herum. Elsa blinzelte, aber sie konnte nicht erkennen, worum es sich handelte.
Sie trat hinaus.