Initiation - Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Peter Maier

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Initiation - Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft - Peter Maier

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schon ins Ausland gegangen. Niemand hat mich in meinen Plänen geschwächt.

      Eine Organisation („stepin“){6} hat den Papierkram für mich erledigt. Da es mir aber bei der ganzen Reise um Autonomie ging, wollte ich mich nicht zu fest an eine Instanz binden. Der einzige Vorteil der Organisation war, dass ich durch sie immer wieder einen guten Internetzugang hatte und dass sie ein Briefkasten für mich war.

      5.

      War es schwer für Dich, Deine Clique zu verlassen? Hattest Du mit Deinen Cliquenmitgliedern Kontakt, während Du in Kanada warst? War es schwierig für Dich, einmal außerhalb Deiner Familie zu sein? Denn bis dahin hattest Du es ja wirklich bequem; alles wurde Dir vor allem von Deiner Mutter abgenommen.

      Ja, zunächst war es schon schwer, außerhalb meiner Clique zu sein. Aber dann war ich in Kanada sofort mit vielen neuen Herausforderungen und Aufgaben konfrontiert. So hatte ich überhaupt keine Zeit, meiner Clique nachzutrauern. Ich hatte aber durchaus eine gelegentliche Chat-Community mit meinen Freunden in dem Internetforum „Lokalisten“ - etwa einmal pro Woche.

      Von der Familie wegzugehen war insofern schwieriger, als ich einfach einen gewissen Luxus gewohnt war bei meinen Eltern. An den mangelnden Komfort bei meiner Kanada-Reise konnte ich mich nie so ganz gewöhnen. Da ich die ersten Wochen nur aus meinem Rucksack leben musste, konnte ich mich nicht so kleiden, wie ich eigentlich wollte. Ich kam etwas heruntergekommen daher, was ein bisschen an meinem Selbstwertgefühl nagte. Dies störte mich, aber ich kam damit schließlich doch zurecht.

      Wenn ich aber mit Leuten bei meinen diversen Arbeitsstellen zu tun hatte, war es nicht mehr schwer für mich, allein in Kanada zu sein und ich konnte damit einigermaßen gut umgehen. Dies hängt ganz von deinem „mind set“ ab, das heißt, wie du selbst deine Gedanken im Voraus einstellst. Man ist danach nicht mehr enttäuscht, wenn man sich Dinge vorher gedanklich klar gemacht hat. Ich wusste ja, dass ich meine Eltern für über zehn Monate nicht mehr treffen würde. Also war ich nicht wirklich traurig, dass ich sie nicht sah in dieser Zeit, weil ich mich ja mental darauf einstellen konnte.

      6.

      Welche Gefühle haben Dich während des langen Fluges nach Vancouver begleitet? Waren es eher Gefühle von Abenteuerlust und Neugierde auf ein anderes Land oder hattest Du auch Gefühle von Einsamkeit oder Angst vor dem Neuen und Unbekannten?

      Es war mehr Neugierde. Etwas tat aber richtig weh: Meine „Ma“ brachte mich zum Flughafen. Es ging ihr sehr nah, dass ich nun so lange von zu Hause weg sein würde; und dies ging mir dann ebenfalls unter die Haut. Es hat mir richtig leid für sie getan. Im Flugzeug lernte ich eine kanadische Lehrerin kennen. Ich konnte mich mit ihr prima unterhalten. Das hat mich abgelenkt bei meinem „Trennungsflug“, so dass ich die Reise gut überstanden habe.

      7.

      Was hast Du nach Deiner Ankunft gemacht? Welche Organisation hast Du aufgesucht? Wer oder was hat Dir die ersten zwei Wochen weitergeholfen? Wo hast Du in dieser Zeit übernachtet? Womit hast Du Dich beschäftigt?

      Ich war zunächst mit der oben schon erwähnten Organisation unterwegs. Diese hatte ein Hostel in Vancouver reserviert. Am folgenden Tag gab es eine Einführung für mich und einige andere Teilnehmer, die auch auf Reisen waren. Mir wurde aber danach sehr schnell klar: Das hilft mir jetzt nicht mehr weiter.

      Ich hatte aber noch eine andere Sache, sozusagen einen Joker, im Gepäck: die Organisation von „wwoof“ („willing workers on organic farms“){7}. Sie besteht eigentlich nur aus einem Katalog, in dem circa 1000 Bio-Farmen zusammen geschlossen sind. Das „wwoof“-Konzept sieht etwa so aus: Man arbeitet täglich fünf Stunden an fünf Tagen der Woche auf der Farm. Dafür bekommt man kein Geld, hat aber Kost und Logis frei. Das Tolle daran ist, dass man bei dieser Gelegenheit viele Leute treffen kann, die sich auf die gleiche Art und Weise im Land durchschlagen.

      Die ersten zehn Tage verbrachte ich also in dem Hostel in Vancouver. Abends ging ich meist mit einigen Mitbewohnern in der Stadt aus. Wegen meiner begrenzten Englisch-Kenntnisse traute ich mich nicht, mich bei einer richtigen Arbeit zu bewerben. Daher erschien mir nach einigen Tagen die Idee von „wwoof“ sehr attraktiv und so wollte ich ein „wwoofer“ werden (das sind Leute, die auf einer Bio-Farm nach diesem „wwoof“-Konzept arbeiten – Anm. d. Verf.).

      8.

      Du hast Dir bald eine Arbeit gesucht, weil Deine finanziellen Vorräte in Kanada schnell abgeschmolzen sind. Wo hast Du als erstes gearbeitet? Wie hast Du die Arbeit empfunden? Hast Du bald Kontakt zu anderen jungen Leuten bekommen? Hast Du Dich einsam gefühlt oder war es eine gute Zeit? Wie lange hast Du auf der Farm gearbeitet?

      Meine erste „wwoof“-Farm lag auf Vancouver Island. Von meiner Arbeit auf der Münchner Messe und durch Ersparnisse hatte ich 3.500 Euro dabei, mein Opa hat mir weitere 500 Euro dazu gegeben, als er hörte, dass ich nach Kanada gehen würde. Er hat dies wohl als eine Art Fürsorge verstanden und wollte, dass es mir gut gehe bei meinem Unternehmen.

      Auf dieser Farm habe ich nur etwa drei Wochen verbracht. Es ist ja auch gar nicht erwünscht, recht viel länger an einem Ort zu bleiben, damit die Leute möglichst weit herumkommen in Kanada. Auf dem Hof waren wir fünf „wwoofer“. Wir mussten Unkraut mit der Hand jäten, das heißt, mit ihren Wurzeln rausziehen. Einmal in der Woche wurde dann das Biogemüse – vor allem Broccoli, Blumenkohl und Karotten - auf einem Wochenmarkt verkauft. Auf der Farm habe ich Andi, einen Schweizer, kennengelernt. Er ging schon nach kurzer Zeit auf eine andere Farm und einige Tage später bin ich ihm dorthin nachgefolgt.

      Diese Farm war ein wirklicher Glücksgriff. Der Hof lag auf einer benachbarten Insel von Vancouver Island. Er gehörte Linda, einer Kanadierin. Sie war 51 Jahre alt, eine Art von „Alt-Hippi“ und lebte mit ihrer Tochter und mit ihren beiden Hunden dort alleine. Das Grundstück lag am Meer, ihr Haus war vermietet. Andi und ich wohnten in einer Garage, die als Hostel ausgebaut war. Wir waren die einzigen beiden „wwoofer“-Gäste und waren deshalb so etwas wie „Mädchen für alles“.

      In besonderer Erinnerung ist mir ein Abend geblieben. Linda fuhr mit ihrem Cabrio zu ihrem Freund Brian, der etwa 50 Kilometer entfernt ebenfalls auf der Insel lebte. Andi, ich und die beiden Hunde durften mitkommen. Wir fuhren bei prächtigem Sternenhimmel und mit offenem Dach auf einer Schotterpiste durch den Urwald. Linda hatte die Musik von Pink Floyd auf volle Lautstärke gedreht. Plötzlich reichte sie einen Joint herum und jeder von uns dreien rauchte einige kräftige Züge. Linda war „high“ davon und Andi und ich wohl auch ein bisschen. Vielleicht war dies gut so, denn sonst wäre uns das Herz vor lauter Angst in die Hose gerutscht, als Linda mit hoher Geschwindigkeit durch den Wald rauschte und die Bäume ganz nahe an uns vorbei flogen.

      Ansonsten war die Farmbesitzerin eine sehr fürsorgliche Mutter, ein wirklich guter Mensch mit einer etwas naiv-netten Art. Bei ihrer Tochter jedoch war sie kritisch und streng, gerade was Haschisch betraf. Für mich war der Aufenthalt auf ihrer Farm eine wirklich gute Erfahrung. Diese war meine zweite von insgesamt drei „wwoof“-Farmen.

      9.

      Du hast während Deiner Zeit in Kanada noch ein weiteres Vorhaben umgesetzt: Mit dem Flugzeug bist Du für 14 Tage in die USA geflogen, um bei der „School of Lost Borders“ eine echte „Visionssuche“ zu machen. Kannst Du dazu Deine Motive und Erlebnisse etwas näher beschreiben?

      Während der Zeit auf der Farm von Linda ist in mir die Idee gereift, selbst eine Visionssuche zu machen. Dies hatte ich mir schon in Deutschland vorgenommen, nachdem ich den Film „Erwachsenwerden

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