Initiation - Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Peter Maier

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Initiation - Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft - Peter Maier

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style="font-size:15px;">      Ich habe bei meinem Studium zwei Kurse in „social studies“ belegt. Bei den Themen ging es um Australien und Kanada. Ich wollte mein Englisch pflegen und so ganz nebenbei gute Noten in diesen Wahlpflichtfächern bekommen. Dabei war mir meine Kanada-Erfahrung schon nützlich.

      21.

      Würdest Du anderen jungen Leuten, vor allem aber Jungen, ebenfalls so eine Reise empfehlen, die doch offiziell gar nichts für ein späteres Studium bringt? Warum überhaupt würdest Du so etwas empfehlen?

      Ja, auf jeden Fall. Denn so eine Reise dient der Persönlichkeitsentwicklung. Man kann dadurch die sozialen Kompetenzen sehr ausbilden und diese werden in fast jedem Arbeitsprozess im Beruf ganz selbstverständlich vorausgesetzt. Eine gute Teamfähigkeit wird da fast überall verlangt. Und so eine Reise bringt einem dieser Fähigkeit auf jeden Fall näher.

      Außerdem bekommt man etwas anderes von der Menschheit zu sehen als die paar Menschen, die man bisher kennt. Man weiß ja noch gar nicht, was man will – etwa bezüglich der eigenen beruflichen Zukunft -, wenn man nichts anderes gesehen hat. Man bekommt während so einer Reise vielleicht einmal mit, wie Elend aussieht. Die Ängstlichen können eventuell erfahren, dass sie auch existieren können, ohne die „Mami“ um sich oder den besten Freund als Alphatier an der Seite zu haben, der ständig aufpasst und den Ton angibt.

      22.

      Einige Wochen nach Deiner Rückkehr gab es wieder ein größeres Familientreffen, um Deine Ankunft zu feiern. Da warst Du über 22 Jahre alt. Ich habe Dich bei dieser Gelegenheit sehr gewürdigt, Deinen Mut und Deine Leistung anerkannt und Dich schließlich ganz offiziell zu einem erwachsenen Mann erklärt. Wie war dies für Dich? Hast Du diese Würdigung für übertrieben oder doch für angemessen empfunden?

      Ehrlich gestanden habe ich damals richtig Bauklötze gestaunt, das heißt, ich war wirklich überrascht, gerade von Dir so gewürdigt und als junger Mann anerkannt zu werden. Besonders Du hattest mich ja bis kurz vor meiner Abreise nach Kanada als eine Art von Schwätzer oder „Dampfplauderer“ eingeschätzt. Ich fand dieses Ritual wirklich gut, es hat bei mir innerlich riesige Türen aufgemacht.

      23.

      Abgesehen von diesem Familienritual: Wo und bei welchen Gelegenheiten hast Du selbst das Gefühl bekommen, dass Du nun erwachsen bist? Wie war dieses Gefühl? Hast Du dabei auch einen Schmerz empfunden, weil damit gleichzeitig Deine Kindheit vorbei war?

      Ich glaube, dass ich durch meine Kanada-Fahrt nur in bestimmten Bereichen gereift bin – sicher in meiner geistigen Einstellung. Aber sogar jetzt mit über 25 Jahren habe ich eine Haltung, die zum Teil noch nicht als erwachsen zu bezeichnen ist.

      Das große Tor für meine Zukunft ist doch die Arbeitswelt. Und ich lebe ja noch zu Hause bei meinen Eltern. Also kann ich mich noch gar nicht wirklich erwachsen fühlen. Dies wird erst dann der Fall sein, wenn ich mein eigenes Geld verdiene, um mir damit beispielsweise eine eigene Wohnung leisten zu können.

      So gesehen war Kanada nur ein - wenn auch sehr wichtiger - Testlauf für mein Erwachsensein, um irgendwann bald finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Diese Probe wollte ich aber in Kanada machen und ich glaube, ich habe sie bestanden. Ich kann nicht genau sagen, wo ich erwachsen geworden bin. Es war aber gut, mich durch meine Reise etwas von der Clique gelöst zu haben, so wichtig mir diese auch damals war.

      Die Kindheit ist noch nicht ganz vorbei. Ich meine sogar, sie darf nie ganz vorbei sein. Mein Vater sagte mir dies vor meiner Abreise: „Du musst erwachsen werden, aber dennoch irgendwo Kind bleiben, denn nur dieses ist wirklich kreativ. Der Erwachsene dagegen ist rational!“ Mein Vater meinte damit womöglich, dass ich nie „erwachsen“ bezüglich meiner Kreativität werden sollte. Gibt es nicht ein Zitat von Jesus, wonach man nur ins Himmelreich, das heißt in einen glücklichen Zustand, kommen könne, wenn man wie ein Kind fühlt?{9}

      Ich glaube, man muss beides leben können: Das Erwachsensein in der Arbeit und bezüglich der Verantwortung; beim Umgang mit anderen Menschen sollte man aber durchaus das Kind rauslassen, das lieben und verspielt sein kann; dies sind echte Kind-Eigenschaften.

      24.

      Was gehört nach Deiner Meinung zum Erwachsensein? Bei welcher Gelegenheit hast Du Dein Erwachsensein erfahren dürfen?

      Dazu gehört vor allem, dass man Verantwortung übernimmt für sich. Außerdem ist es wichtig, auch mal „Nein“ sagen zu können und dann möglicherweise ganz allein dazustehen mit seiner Meinung. Dies möchte ich mit einem Bild ausdrücken: Man muss so etwas wie ein Büffel sein können, der den Jungen in sich schützt mit seinem Haupt im Wind. Man muss fähig sein, aus der eigenen Überzeugung heraus „Nein“ zu sagen und den Schneid zu haben, gegen den Mainstream zu handeln, denn vielleicht liegen ja alle anderen falsch.

      Schließlich gehört zum Erwachsensein eine kräftige Portion Autonomie; man muss auch alleine existieren können. Diese Autonomie habe ich in Kanada erfahren, vor allem deshalb, weil ich dort mein eigenes Geld verdient habe. Ich habe in Kanada gelernt, bewusster zu handeln, das heißt zuerst nachzudenken und erst anschließend zu handeln. Dies bedeutet für mich ebenfalls, erwachsen zu sein.

      Ich glaube, zum Erwachsensein gehört es, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Dies habe ich natürlich noch nicht gelebt, weil ich dazu noch kaum Möglichkeiten gehabt habe. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass man sein eigenes Wohl als sekundär, das seiner Familie und seiner eigenen Kinder als primär betrachtet.

      25.

      Wenn Du zum Schluss einfach Deine Gedanken sprudeln lässt: Was kommt Dir hoch, wenn Du jetzt nochmals an Deine Zeit in Kanada denkst?

      Um das Leben zu erfahren, musst du vor die Türe gehen, denn „dahoam sterben die Leit“! Du kannst nicht drinnen sitzen bleiben und erwarten, dass das Leben auf dich zufliegt, höchstens ein Flugzeug kann in deine Wohnung krachen. Ich würde keine Minute mit jemandem tauschen wollen, der nur zu Hause sitzt. Mein Opa hat einmal gesagt: „Ihr Jungen gammelt doch nur im Wessobrunner Park herum!“{10} Damit hat er sicher recht gehabt. Aber dennoch meine ich, dass es viel besser ist, sich Zeit zu lassen als zu früh in den Arbeitsprozess zu gehen. Ich glaube, die jungen Leute tun schon das Richtige, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Ich war sicher ein Spätzünder, aber ich habe dennoch das für mich Richtige gemacht, auch gerade bezüglich meiner Reise nach Kanada.

      Ich habe noch viel vor im Leben. Und die Erweiterung meiner eigenen Perspektiven durch diese Reise haben erheblich dazu beigetragen, dass ich Pläne und Visionen habe.

      So weit der Erfahrungsbericht von Julian. Bleibt noch festzuhalten, dass Julian zum Zeitpunkt dieses Interviews soeben alle Prüfungen des 5. Semesters mit Erfolg bewältigt hatte. Ein Jahr später schaffte er den Bachelor mit Auszeichnung und spätestens 2013 will er den „Master“ in der Tasche haben.

       (2) Reise ins Erwachsensein?

      Die Reise ganz allein war eine starke Leistung. Ist Julian dadurch aber wirklich erwachsen geworden? Um dies beantworten zu können, möchte ich im Folgenden seine Reise und die dabei vor sich gehenden Veränderungen von Julian unter dem Blickwinkel der „acht Kriterien des Erwachsenwerdens“ näher betrachten, die im ersten Band{11} ausführlich beschrieben wurden. Dazu sollen diese Kriterien zunächst in Kurzform wiederholt werden:

       1. Kriterium: Erleben und Gestaltung der

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