Initiation - Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Peter Maier
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Daher griff ich sofort zu, als mir mein neuer Arbeitgeber eine Bleibe in Edison anbot. Zusammen mit neun weiteren Arbeitern des Betriebs lebte ich in einem Haus, das dem Unternehmen gehörte; wir wohnten zu dritt in einer 3-Zimmer-Wohnung im Keller und dies auch noch kostenlos.
Auf dem Bau habe ich einiges gelernt – zum Beispiel Baggerfahren. Aber eine andere Erfahrung war noch viel wichtiger für mich: Unser Betrieb war nur eine Art Subunternehmen, das den eigentlichen Häuserbauern zuarbeitete. Mein Chef, der Schwiegersohn von Pat, war sehr offen und gut zu mir. Der Leiter der anderen Bautruppe jedoch war brutal. Er behandelte seine Leute wirklich übel und respektlos. Erst kurz vorher war er aus dem Knast entlassen worden und anscheinend übertrug er danach die dortigen Sitten nahtlos auf seinen Bautrupp. Gott sei Dank gehörte ich nicht zu seiner Gruppe, ich hätte es keinen Tag lang mit ihm aushalten können.
Kurz vor Weihnachten kündigte ich aber wieder. Ein Freund von Pat, zu dem ich weiterhin einen näheren Kontakt pflegte, war Vorarbeiter im sogenannten Permafrostgebiet in Alberta. Dort wird Öl aus Sand gewonnen, der im Tagebau geschürft wird. Ich wollte einfach noch etwas anderes sehen und ich wollte dabei richtig gutes Geld verdienen. Ich hatte nämlich gehört, dass die Firmen dort praktisch jeden einstellen, der sich dafür bereit erklärt. Man konnte dort sogar als Hilfsarbeiter angeblich bis zu 50.000 Dollar im Jahr verdienen. So hoffte ich, gleich nach Weihnachten einen guten Job über den Freund von Pat ergattern zu können.
12.
Du hast die Weihnachtstage fast allein verbracht – warum? Wie war die Situation um die Weihnachtszeit herum für Dich? Warum bist Du nicht – wie geplant – ins Permafrostgebiet gegangen, wo doch angeblich so gut bezahlt wurde? Wie bist Du aus Deiner schwierigen, fast depressiven Stimmung auf der Farm wieder herausgekommen?
Die Weihnachtstage habe ich auf der Farm bei Pat verbracht. Für mich war dies hier so etwas wie eine Ersatzfamilie. Laila war über Weihnachten heim zu ihrer Familie nach Deutschland geflogen. Dies wollte ich aber auf keinen Fall. So etwas wie eine Bescherung gab es aber am Heiligabend bei Pat auf der einsamen Farm nicht. Er hatte anscheinend etwas mit Anita „angefangen“, einer 25-jährigen Münchnerin, die auch „wwooferin“ war. Die beiden steckten eng zusammen. An Heiligabend schaute ich mir alleine einen Film an, das war es dann.
Zu Weihnachten glaubte ich damals noch immer an einen Job im Ölgebiet. Daher wartete ich auf der Farm auf eine positive Nachricht von Pat's Freund. Zum Zeitvertreib ging ich oft ins Internet. Bei Wikipedia lernte ich zum ersten Mal meine Geschichte und Kultur näher kennen. Was die Lehrer in Deutschland bei mir in Jahren nicht erreicht hatten, saugte ich jetzt wie ein Schwamm in nur wenigen Tagen auf. Vielleicht hatte ich gerade deswegen Sehnsucht nach der eigenen Kultur und Geschichte, weil ich nun so weit von zu Hause weg war.
Als eine Nachricht von Pat's Freund ausblieb, wurde mir bald klar, dass ich mich schnell nach einer anderen Arbeit umschauen musste. Das Geld wurde wieder knapp. Heute weiß ich, warum es damals im Ölgebiet nicht geklappt hat: Der internationale Ölpreis war unerwartet deutlich gesunken. Damit rentierte sich der Tagebau nicht mehr richtig. Die Firmen konnten daher nicht Volllast arbeiten und stellten keine neuen Leute ein. Es wurde also nichts mit dem tollen Job. Diese Enttäuschung musste ich aber erst einige Tage lang verdauen und dies hat mich für kurze Zeit etwas depressiv gestimmt. Ich musste schleunigst weg von der Farm, da mich hier jeder Tag Geld kostete.
13.
Deine dritte Arbeitsstelle war zugleich Deine letzte, wenn man die drei „wwoof“-Farmen als eine Arbeitsstelle ansieht. Du hast in einer Kneipe gearbeitet. Was war Deine Aufgabe dort? Wo hast Du in dieser Zeit gewohnt? Wie war die Bezahlung im Vergleich zu vorher? Hast Du dabei neue Kontakte knüpfen können?
Um den 10. Januar herum verabschiedete ich mich von Pat und von seiner Farm und fuhr mit meinem wenigen Gepäck mit dem Bus zu der zwei Stunden entfernten Provinzhauptstadt Edmonton des Bundesstaates Alberta. Ich wollte nicht mehr bei Pat bleiben, er war mir einfach zu anstrengend als Persönlichkeit. Andererseits habe ich bei ihm Reiten lernen dürfen. In Edmonton wohnte ich wieder in einem Hostel. Ich wollte mich im Gastronomiebereich umschauen, weil ich mehr Kontakt zu Leuten bekommen wollte. Auf der Farm war es nämlich ziemlich einsam für mich gewesen.
Nach drei Tagen zog in dem 8-Betten-Zimmer im Bett unter mir der Australier Ben ein. Mit ihm habe ich mich sofort angefreundet. Er war von Beruf Elektriker, ein eher ruhiger Typ mit guten Umgangsformen. Er wurde für mich so etwas wie eine Leitfigur. Mit ihm bin ich danach aufs dortige „Arbeitsamt“ gegangen, um nach einer Arbeit zu suchen. Die Kneipe gilt in Kanada als das eigentliche Job-Center. Ob ich mit meinen begrenzten Sprachkenntnissen als „Bedienung“ Chancen haben könnte? Ben riet mir, es doch einfach mal zu probieren. Diesen Anstoß von ihm brauchte ich anscheinend dringend, um meine Selbstzweifel zu überwinden.
In der Hauptstraße, die mir wie ein Klein-Schwabing in München erschien, hinterließ ich in mindestens zehn verschiedenen Kneipen und Bars eine schriftliche Bewerbung. In der vorletzten Kneipe der Straße hieß es dann, dass sie einen Koch bräuchten. Ich machte dem für die Küche zuständigen legeren Chef-Koch klar, dass ich im Kochen überhaupt keine Ahnung hätte. Schon nach einem Tag rief er mich aber im Hostel an. Es wurde anscheinend gerade als Vorteil angesehen, dass ich bezüglich Kochen noch völlig unbedarft war. So ein Glück! Am 15. Februar wollte ich anfangen.
Nun machte ich mich aber zusammen mit Ben zuerst auf Wohnungssuche. Denn im Hostel wollte ich mit noch sieben anderen nicht länger in dem einen Zimmer bleiben. Bald fanden wir ein Haus, das zwei Brüdern aus Ostdeutschland gehörte. Dort zog ich schon zwei Tage später mit Ben in die Kellerwohnung ein und hauste da auch bis zum Ende meines Kanada-Aufenthalts. Es wurde meine beste Zeit. Hier konnte ich mich endlich entspannen. Mit Ben fühlte ich mich sehr wohl.
14.
Kamst Du mit dem Geld hin, das Du in Kanada verdient hast, konntest Du Dich also bei Deiner zehnmonatigen Reise finanziell über Wasser halten? Wie waren die letzten Wochen bei Deiner Arbeit in der Kneipe? Warst Du froh, dass der Aufenthalt in Kanada wieder zu Ende ging oder bist Du danach vielleicht sogar mit Wehmut wieder nach Deutschland heimgefahren?
Der Wirt zahlte mir neun Dollar die Stunde. Damit konnte ich nicht viel Geld machen, aber es deckte zumindest meine Unkosten. Fairerweise muss ich gestehen, dass mir in der Zeit von Weihnachten bis zum 15. Februar das Geld ausgegangen war. Daher hatte mir mein Vater im Januar nochmals 1000 Euro überwiesen. Somit habe ich insgesamt zweimal von meinem Vater Geld gebraucht – für den Visionssuche-Kurs im Herbst und jetzt zur Überbrückung im Januar.
In der Kneipe habe ich insgesamt dreieinhalb Monate gearbeitet; es war die längste Periode an einer Arbeitsstelle und zugleich meine „geilste“ Zeit in Kanada. In der Kneipe, in der es nur Bedienungen gab, herrschte eine etwas verrückte, aber angenehme Atmosphäre. Nach der Arbeit saß ich meist mit den Mädels noch auf ein Bier zusammen. Das einzig Dumme war, dass ich etwa 35 Minuten zu Fuß nach Hause hatte. Einmal bin ich diese Strecke sogar bei 15 Grad minus gegangen.
Von dem siebenköpfigen Küchenpersonal hat jeder gekifft, der Chef hat gesoffen. Die 17-jährige Bedienung Amely schluckte regelmäßig Ecstasy, das hat mich brutal abgeschreckt. Überhaupt waren die meisten vom Personal Kinder von Alt-Hippies. Von ihren Eltern wurden sie anscheinend in den Drogenkonsum eingeführt. Ich habe dort auch einmal „Gras“ geraucht, mir aber in Kanada und auch bisher niemals selbst Drogen gekauft. Gerade weil die Kollegen und Kolleginnen dort so ungeniert Drogen nahmen, hat mich dies nachhaltig abgeschreckt; dies war eine wichtige Lebenserfahrung für mich.
Ja, ich bin