Siedend heiß. Rudi Kost

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Siedend heiß - Rudi Kost

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an, erst kurz und ganz scharf, dann sanft, und bastelte dazu meine legendäre Pastis-Sauce. Der Spargel lag schon geschält bereit. Ich karamellisierte ihn in Butter und Zucker und goss nur wenig Wasser an. So köchelte er sachte in seinem eigenen Saft.

      Die Damen schienen sich prächtig zu amüsieren. Ich hörte Gekicher und Gelächter. Wahrscheinlich redeten sie über mich. Großes Hallo, als sie das Du begossen und sich doch auf Karin, nicht Katrin einigten. Ich schwitzte derweil am Herd.

      Während das Fleisch ruhte, bereitete ich als Vorspeise Avocado-Carpaccio zu, bestreute die Scheiben mit frischem Thymian und gewürfeltem Ziegenhartkäse und gab noch einen Löffel bestes Olivenöl darüber. Die Creme fürs Dessert, mit Mascarpone und Pedro Ximénez, stand schon im Kühlschrank.

      Zur Vorspeise sagte Tante Olga: »Ich habe Karin erzählt, dass du früher ein richtiger Suppenkasper gewesen bist. Nur Spätzle mit Soß wolltest du.«

      Das hatte ich anders in Erinnerung. Mein kulinarischer Entdeckerdrang hatte mich schon in zartem Alter auch zu Pommes mit Ketchup und Schupfnudeln mit Speck geführt.

      »Ein bisschen hat er dazugelernt«, meinte Karin. »Die Avocado ist wirklich schön dünn geschnitten.«

      Zur Hauptspeise sagte Tante Olga: »Früher war der Dieter ja so schüchtern.«

      »Das kann ich bestätigen«, erwiderte Karin und lächelte mich zuckersüß an.

      »Ich erinnere mich noch an eine Familienfeier«, fuhr Tante Olga fort, »da hat er sich unsterblich in seine Cousine dritten Grades verliebt und sich nicht getraut, es ihr zu sagen.«

      Ja. Da war ich zwölf und das Mädchen sechzehn. Und außerdem waren wir ja irgendwie verwandt.

      »Der Dieter war ein Spätentwickler«, erzählte Tante Olga. »Seine erste feste Freundin hatte er mit siebzehn! Ach Gottchen, das war ja so rührend unschuldig!«

      Ich flüchtete mit den schmutzigen Tellern in die Küche und bereitete den Käse vor.

      Mir hatte vorgeschwebt, den leisen Ton von Ziegenkäse bei der Vorspeise aufzugreifen und in einem kräftigen Akkord enden zu lassen.

      Am Geifertshofener Käsestand auf dem Wochenmarkt hatte ich einen kräftigen Chèvre Noir aus der Eifel erstanden, schon so alt, dass er auf der Zunge zerging wie ein Stück Schokolade. Weil man in Schwäbisch Hall vieles, aber nicht alles bekommt, hatte ich einen Ausflug in die große, weite Welt unternommen, war nach Stuttgart gefahren und hatte mir in der Markthalle bei Kustermann von Alain weitere Ziegenkäse empfehlen lassen. Bei ihm bekam man diese verschrumpelten, verschimmelten, knochenharten Dinger aus Frankreich, die die bodenständige schwäbische Hausfrau als ungenießbar im Abfall entsorgt, während uns Liebhabern das Herz aufgeht.

      Einen Tag in der Großstadt muss man ausnutzen als Landei. Ich beschloss, mich für meinen Besuch aufzuhübschen.

      Mit dem Friseur fing ich an. Ich schaute nach dem Salon mit den hübschesten Mädchen und wurde an Top-Stylistin Franzi verwiesen. Top-Stylistin fand ich angemessen für mich. Franzi war ein bleiches Girlie, das kaugummikauend und schweigsam endlos lange an mir herumschnippelte und dafür einen Schweinepreis verlangte. Das Ergebnis war auch nicht anders als in Schwäbisch Hall.

      Im dem einen großen Kaufhaus erstand ich die hellblaue Baumwollhose von Zegna, im andern das gelbe Poloshirt von Ralph Lauren. Diese langen Wege in Stuttgart! Erschöpft vom vielen Laufen und Anprobieren ging ich hinüber in Schlossgartencafé, ergatterte einen Platz auf der Terrasse direkt am Park, mit Blick auf Oper und Schauspielhaus und den Eckensee. Ich orderte einen kühlen Weißen und schaute auf die Leute, die sich auf der Wiese tummelten.

      Leicht beschwingt hatte ich sodann bei Bernd Kreis meinen Weinvorrat aufgestockt und mich beim Wittwer am Schlossplatz wieder mal gefragt, wann ich all die vielen Bücher lesen sollte.

      Ich hatte den Tag genossen. Alle Gedanken an meine Zeit in Stuttgart, an die schönen und hässlichen Momente, hatte ich beiseitegeschoben.

      Bis sie jetzt wieder aufbrandeten, während wir beim Käse saßen. Es war eine bewegte Zeit gewesen und eine wegweisende. Wurzeln schlagen nach den unsteten Jahren. Berufliche Perspektiven. Visionen. Träume.

      Tante Olga beäugte misstrauisch den Käse. »Wer isst denn so was?«

      »Die Franzosen. Und ich.«

      »Die Franzosen!«

      Sie ließ sich noch ein wenig darüber aus, doch ich hörte nicht hin. Ich war in der Vergangenheit versunken. Roswitha. Der schöne Anfang, das hässliche Ende einer Ehe. Die Rückkehr in die Heimat. Zum Dessert sagte Tante Olga, als hätte sie meine Gedanken erraten: »Aber mit seiner Hochzeit, da hat er es dann plötzlich ganz eilig gehabt.«

      »Torschlusspanik«, meinte Karin.

      »Mit achtundzwanzig? Dabei hat diese Frau überhaupt nicht zu ihm gepasst, ich habe das ja gleich gesagt. Das war so eine Verhuschte. Na ja, war ja auch schnell vorbei.«

      Nach einem Jahr. Schnell geheiratet und schnell wieder geschieden, fast im Las-Vegas-Tempo. Wir hätten mehr daraus machen können.

      »Und jetzt? Ob ich das noch erlebe, dass er eine Frau anbringt?«

      »Er ist eben ein unverbesserlicher Romantiker. Immer auf der Suche nach der großen Liebe«, zwinkerte mir Karin zu.

      Ich ging den Espresso holen und ließ mir Zeit dabei. Frauen! Hatten die kein anderes Gesprächsthema? Und zu meinem Essen hatte keine was gesagt! Dabei waren die Steaks so perfekt wie nie, auf dem hauchzarten Übergang zwischen saignant und à point. In der Sauce konnte man sich baden, und ich hatte sie auch eigens durchgeseiht, wozu ich sonst meist zu faul bin.

      Ich hatte mich selber übertroffen, und keiner merkte es. Außer mir.

      Zur Beruhigung genehmigte ich mir einen doppelten Armagnac und sann über das Leben nach. Der Klang von Karins Stimme ließ erneut Erinnerungen hochschwappen. Andere Erinnerungen. Unsere Vergangenheit. Die anderen Frauen, dazwischen und danach. Nie die Richtige dabei. Was war überhaupt die Richtige? Erkannte man die Richtige erst im Nachhinein, als Vorläuferin der vielen Falschen? Wie war Susan einzuordnen auf einer Skala von null, ganz falsch, bis zehn, ganz richtig?

      »Wo bleibt der Kaffee?«, rief Tante Olga.

      Zum Espresso präsentierte ich meine Sammlung von Digestifs: »Kirschwasser von Böhringer, Zwetschge von Keil, ein Bierbrand der Haller Löwenbrauerei. Alles aus der Region. Oder einen ganz ordinären Grappa?«

      Tante Olga probierte sich durch. Sie sah meinen skeptischen Blick und meinte nur: »Na und? Ich bin etwas angeschickert. Aber wenn es sein muss, trinke ich dich noch unter den Tisch, mein Junge.«

      Das schien mir gar nicht so abwegig, wenn ich ihren Konsum betrachtete.

      Ich bot Karin noch etwas an: »Vorglühen?«

      Sie schüttelte den Kopf: »Das Alter haben wir hinter uns.«

      Nach dem Kaffee sagte ich: »Und jetzt, Tante Olga, schleppen wir dich mit zum Unterwöhrd. Da ist große Party mit Liveband. Oder möchtest du lieber Boxauto fahren auf dem Rummel?«

      »Dafür bin ich zu alt. Ich mache noch einen Bummel durch die Stadt.«

      »Sei kein Spielverderber, komm

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